Zensur im Pentagon: Wie war dies noch mit dem Recht aufwärts „freie Rede“?

Als J. D. Vance im Februar dieses Jahres die Münchner Sicherheitskonferenz beehrte, hatte er für die Europäer eine Botschaft parat. In Europa, meinte er, sei die freie Rede „auf dem Rückzug“. Die Europäer verabschiedeten sich „von einigen der grundlegenden Werte“, die sie einst mit den USA teilten. Man müsse mehr „tun, als über demokratische Werte zu reden, wir müssen sie leben“.

Wie falsch die Rede des US-Vizepräsidenten war, war schon damals mit Händen zu greifen. Mit „freier Rede“ meinte er den Lug und Trug, mit dem Donald Trump an die Macht gekommen ist, den ihm ergebene Plattform-Tycoone und Sender verbreiten und den in Deutschland die AfD in die Welt setzt. Dass es der US-Regierung dabei nicht nur um freie Bahn für ihre Propaganda und ihr genehme Botschaften geht, sondern für alle anderen das im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung verbriefte Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit nicht gilt, insbesondere für Journalisten nicht, unterstreicht jetzt US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der inzwischen auch „Kriegsminister“ heißt.

Wider einen fundamentalen Grundsatz der Demokratie

Er dekretiert, dass Journalisten Informationen über Verteidigungsangelegenheiten nicht ohne vorherige Genehmigung veröffentlichen dürfen. Das gilt für als geheim eingestufte Sachverhalte wie für nicht geheime. Für alles müssen Reporter das Plazet eines „zuständigen“ Beamten einholen, sie müssen sich an Eides statt verpflichten, die Zensur einzuhalten, ansonsten verlieren sie ihre Akkreditierung. Damit setzt Hegseth den ersten Verfassungszusatz, der es dem Staat verbietet, Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, die die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken, außer Kraft.

Wie fundamental dieser Grundsatz für die US-Demokratie ist, hat der Supreme Court immer wieder unterstrichen und dagegen verstoßende Gesetze und Handlungen der Regierung einkassiert. So auch 1971 im Fall der „Pentagon Papers“, also jenes 7000 Seiten umfassenden internen Berichts des Pentagon, der von dem offiziell nicht erklärten Vietnamkrieg handelte und den „New York Times“ und „Washington Post“ veröffentlichten.

Verleumdungsklage gegen die „New York Times“

Der Supreme Court wies den Antrag der US-Regierung, die Veröffentlichung zu stoppen, seinerzeit (mit einem Votum von sechs zu drei Stimmen) zurück. Eine der Begründungen, dass es der „New York Times“ erlaubt sein müsse, die Öffentlichkeit über den Krieg zu informieren, lautete, es sei eine der wichtigsten Aufgaben der freien Presse, die Regierung daran zu hindern, die Bevölkerung in Sachen Krieg und Frieden zu täuschen. Wie würde das inzwischen mit Trump-Leuten besetzte Gericht wohl heute entscheiden?

Trumps 15-Milliarden-Verleumdungsklage gegen die „New York Times“ hat ein Bundesrichter zurückgewiesen, allerdings aus formalen Gründen und nur vorläufig. Diese Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass sie die freie Presse und die Demokratie zerstören will. Solche „Werte“ sollte Europa nicht teilen. Da geben wir J. D. Vance recht.

Source: faz.net