Zeit z. Hd. Reform wird kurz: Heizungsgesetz bringt Schwarz-Rot in Bedrängnis

Die Zahl des Anstoßes steht in Unterabschnitt 4, Paragraf 71 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG): „Eine Heizungsanlage darf zum Zweck der Inbetriebnahme in einem Gebäude nur eingebaut oder aufgestellt werden, wenn sie mindestens 65 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme (…) erzeugt“, heißt es dort. Die Zahl stand zunächst im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition. Dann stand sie im Gesetzesentwurf, der im Frühjahr 2023 aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) kam. Und auch am Ende des langen Ringens zwischen SPD, Grünen und FDP blieb sie dort stehen. Die 65-Prozent-Vorgabe war das Instrument, mit dem die Ampel die seit Jahren zu hohen Emissionen im Gebäudesektor senken wollte.

Nun ist um diese 65 Prozent neuer Streit entflammt. Es geht darum, was aus der Formulierung im Koalitionsvertrag folgt, wonach CDU/CSU und SPD das Heizungsgesetz „abschaffen“ wollen. Führende Unionsvertreter wie Markus Söder und Carsten Linnemann machen seit Tagen deutlich, dass für sie damit die 65-Prozent-Vorgabe fallen muss. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) vertritt dagegen die Ansicht, das Gebäudeenergiegesetz werde „im Grundsatz“ bleiben, wie es ist. Am Dienstag berieten sich die zuständigen Kabinettsmitglieder, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Bauministerin Verena Hubertz (SPD). Mit Eckpunkten für die Reform wird in Berlin aber noch nicht so schnell gerechnet. Für Hauseigentümer bleibt die Unsicherheit, wie es mit dem umstrittenen Gesetz weitergeht.

Wenn sich am Status quo etwas ändern soll, bleibt den Koalitionären nicht mehr viel Zeit. Bis zum 30. Juni 2026 müssen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern einem anderen Gesetz zufolge ihre kommunale Wärmeplanung abgeschlossen haben. Danach greift die 65-Prozent-Vorgabe für neue Heizungen.

Lieber 80 Prozent einsparen, als gesellschaftlichen Frieden riskieren

Habecks Mitarbeiter hatten die Reform des Gebäudeenergiegesetzes so konzipiert, dass Hauseigentümer vor allem auf elektrisch betriebene Wärmepumpen umsteigen sollen. Heizungen, die Holz oder andere Biomasse nutzen, sind nur mit Einschränkungen erlaubt. Gleiches gilt für Hybridheizungen, die eine Wärmepumpe und eine Gasheizung kombinieren. Wo Städte diese Möglichkeit anbieten, können Hauseigentümer die Vorgaben auch erfüllen, indem sie sich an das Fernwärmenetz anschließen lassen. Kleinere Städte haben für ihre Wärmeplanung bis Mitte 2028 Zeit, dann gilt auch dort die 65-Prozent-Regel.

Für den energiepolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Lenz, ist die Sache klar: Das Gebäudeenergiegesetz soll sich nicht nur in Details ändern, vielmehr soll insgesamt Tempo aus dem Projekt Wärmewende genommen werden. „Ich denke, wir brauchen pragmatische Ansätze. Am Ende 80 Prozent einzusparen, ist sinnvoller, als den gesellschaftlichen Frieden anhand konstruierter Trennlinien zu riskieren“, sagte Lenz der F.A.Z. Mit Verboten schaffe man nur Frust und Verunsicherung. Auch andere Unionspolitiker haben schon öffentlich gesagt, dass das deutsche Klimaziel – null Emissionen 2045 – auch nur zu 80 oder 90 Prozent erfüllt werden könnte.

Wärmepumpenverkäufe hinter den Erwartungen geblieben

„Die sogenannte 65-Prozent-Regel ist in vielen Fällen nicht sachgemäß“, sagte Lenz. Sie suggeriere, dass Strom oder Fernwärme zu 100 Prozent aus Erneuerbaren stamme, was aber nicht so sei. Das Gesetz müsse daher offener für andere Technologien werden. Der CSU-Abgeordnete spricht sich auch dafür aus, die Verknüpfung der 65-Prozent-Regel mit der kommunalen Wärmeplanung aufzulösen. Sie führe zu „Absentismus, dazu, dass erst einmal abgewartet wird“.

Nach den Zahlen des Bundesverbands der Heizungsindustrie (BDH) ist der Absatz neuer Heizungen im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 22 Prozent auf 296.500 Anlagen gesunken. Zwar ist die Nachfrage nach Wärmepumpen um mehr als die Hälfte gestiegen. Mit 139.500 Stück waren sie der meist verkaufte Heizungstyp. Die einst von Habeck schon für 2024 ausgegebene Zielmarke von 500.000 Wärmepumpen im Jahr ist jedoch noch weit entfernt. Zudem entschieden sich im ersten Halbjahr 132.500 Käufer für eine Gasheizung. Im Schnitt halten diese Heizungen rund zwanzig Jahre, viele Geräte auch deutlich länger.

SPD setzt weiter auf Erneuerbare

Das führt zu einer anderen Vorgabe im GEG, über die es noch Diskussionen geben dürfte: „Heizkessel dürfen längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden“, heißt es dort. Die Formulierung folgt aus dem Klimaschutzgesetz, dem zufolge Deutschland 2045 unter dem Strich keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen soll. Müssen Hauseigentümer dann funktionierende Gasheizungen stilllegen? „Ich halte nichts von pauschalen Verboten“, sagte Lenz dazu. „Lieber erst einmal 80 Prozent hinbekommen.“

Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer, wollte sich wegen der laufenden Verhandlungen in der Koalition nicht zu Details der GEG-Reform äußern. Sie machte aber deutlich, dass die SPD am Fokus auf die Erneuerbaren nicht rütteln will. Erreicht werden müssten „Planungssicherheit, Investitionssicherheit, Resilienz, CO2-Einsparung, das Einhalten der Klimaschutzziele und Kosteneffizienz“, so Scheer. „In der Umsetzung ist dies ein Plädoyer für mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien wie auch eine Kopplung mit der Kommunalen Wärmeplanung.“ Es gehe um „die Ermöglichung der Wärmewende“.

Wohin mit der Förderung?

Neben dem künftigen Gesetzestext ist offen, wie es mit der Förderung des Heizungstauschs weitergeht. Eigentümer von selbst genutzten Einfamilienhäusern erhalten für den Austausch ihrer alten Heizung gegen eine Wärmepumpe derzeit meist 55 Prozent Zuschuss – 30 Prozent Grundförderung plus Geschwindigkeits- und Effizienzboni. Einkommensschwache Haushalte erhalten 70 Prozent. Maximal gibt es 21.000 Euro vom Staat. Für Mehrfamilienhäuser gelten andere Regeln. Vermieter bekommen nur die 30 Prozent Grundförderung.

Von den mehr als 16 Milliarden Euro, die der Bund 2024 für die Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG) bereitgestellt hatte, flossen in jenem Jahr rund drei Milliarden Euro in den Heizungstausch. Die BEG-Mittel wurden inzwischen, auch wegen der verhaltenen Nachfrage, nach unten angepasst, rund zwölf Milliarden Euro sind für 2026 geplant.

Wirtschaftsministerin Reiche will staatliche Förderprogramme stärker auf diejenigen zuschneiden, die darauf finanziell angewiesen sind. „Auch beim Heizungstausch wird künftig mehr Eigenverantwortung gefragt sein“, sagte sie diese Woche auf einer Veranstaltung ihres Hauses. In der SPD pocht man dagegen auf die Fortsetzung der aktuellen Heizungsförderung. Solange die Koalition noch diskutiert, haben Hauseigentümer nur eine Gewissheit: Wer den Zuschuss einmal beantragt und von der staatlichen KfW-Bank bewilligt bekommen hat, erhält ihn auch.