WS_Große Grafik_Erbschaftsteuer

Neun Jahre ist es her, dass der Gesetzgeber zuletzt die Erbschaftsteuer änderte. Es war der 14. Oktober 2016, an dem das neue Gesetz in Kraft trat. Die Änderung erfolgte nicht aus freien Stücken. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte die Koalitionäre dazu gezwungen. Hauptkritikpunkt waren die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen, die waren aus Sicht der Richter zu lax. Ähnliches könnte sich wiederholen. Noch in diesem Jahr wollen die Richter klären, ob die Sonderregeln, die seit 2016 für die Vererbung von Betriebsvermögen gelten, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ein genauer Termin für die Verhandlung fehlt zwar noch, die Reformdiskussion hat aber bereits begonnen.
Das ist die Ausgangslage: Im vergangenen Jahre wurden laut Statistischem Bundesamt hierzulande insgesamt Vermögen im Wert von 113 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt – genauer gesagt, sie wurden steuerlich berücksichtigt. Die Finanzverwaltung setzte Steuern von 13,3 Milliarden Euro fest. Das war ein neuer Höchstwert, über den sich die 16 Bundesländer freuen durften. Die Erbschaftsteuer ist eine reine Ländersteuer.
Kritikern reichen die 13 Milliarden Euro an jährlichen Einnahmen nicht. „Jedes Jahr werden 400 Milliarden Euro in diesem Land vererbt, von denen nur ein ganz kleiner Teil überhaupt steuerpflichtig ist“, sagt SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. Die 400 Milliarden Euro sind eine grobe Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2017. Sie gehen davon aus, dass dank Freibeträgen und Sonderregeln für Unternehmen der Großteil des Vermögens in Deutschland bislang steuerfrei übertragen wird. Genaue Daten fehlen.
Klar ist: Die Themen Erbschaft- und Schenkungsteuer sind wegen der großen Vermögensungleichheit ein westdeutsches Thema. Im Vorjahr wurde im alten Bundesgebiet je Steuerfall ein Vermögen von 480.000 Euro übertragen. Im neuen Bundesgebiet und Berlin waren es 287.000 Euro.
Wie viel Erbschaftsteuer anfällt, hängt letztlich vom Verwandtschaftsgrad ab. Nicht nur die Freibeträge richten sich danach, sondern auch der angesetzte Steuersatz. Ähnlich wie bei der Einkommensteuer gibt es zudem eine Progression: Je mehr jemand erbt, desto höher ist der Steuersatz. Ein Ehepartner, der beispielsweise 800.000 Euro erbt, muss nach Abzug des Freibetrags von 500.000 Euro noch 300.000 Euro versteuern. Dafür wird ein Satz von elf Prozent angelegt. Am Ende gehen von der 800.000-Euro-Erbschaft Steuern in Höhe von 33.000 Euro ab. Wer dagegen von seinem angeheirateten Onkel zehn Millionen Euro erbt, ist als Nichte oder Neffe in der schlechtesten Steuerklasse III und muss abzüglich eines Freibetrags von 20.000 Euro die Hälfte an den Fiskus abgeben.
In der Praxis wird auf hohe Vermögen allerdings weniger gezahlt. Der Chef der deutschen Steuergewerkschaft, Florian Köbler, sagte schon 2023 im WELT-AM-SONNTAG-Interview: „Wer Erbschaftsteuer zahlt, ist dumm. Ich kann fast jede Vermögensübertragung steuerneutral gestalten“, sagte er. Je größer das Vermögen sei, desto einfacher gehe das. Bei Betriebsvermögen ist das bis zu einem gewissen Grad gewollt. Ein Erbfall soll nicht die Existenz des Unternehmens gefährden. Im Vorjahr machten Betriebsvermögen rund sieben Prozent am steuerpflichtigen Vermögen aus. Der Großteil entfiel auf Grundvermögen. Karsten Seibel
Source: welt.de