Wo welcher Panther gen vereinen neuen Leoparden trifft
Epische Melodie aus dem Weltkriegsfilm „Herzen aus Stahl“ ertönt, als am Messestand von Rheinmetall die Hüllen fallen. Unter Rauchschwaden zum Vorschein kommt das Mehrfachraketenwerfersystem GMARS, das die Düsseldorfer Rüstungsschmiede gemeinsam mit Lockheed Martin aus den USA entwickelt hat. Zum Auftakt der weltgrößten reinen Rüstungsmesse Eurosatory im Norden von Paris wurde es am Montag erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Das auf einem Lastwagenfahrgestell errichtete System vereint bestehende Komponenten von Rheinmetall und Lockheed und lässt sich mit Raketen mit bis zu 400 Kilometer Reichweite bestücken.
GMARS weise „eine unvergleichliche taktische und strategische Mobilität“ auf, als es die Feuerkraft des „erfolgreichen und berühmten“ Raketenartilleriesystems HIMARS nicht weniger als verdoppele, schwärmte Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger am Montagvormittag. Der umtriebige Rüstungsmanager wusste die Messebühne gewohnt gekonnt zu bespielen und die Aufmerksamkeit auf Neuheiten seines Konzerns zu lenken. Vor zwei Jahren war ihm das besonders eindrucksvoll gelungen, indem er mit einem Konzeptfahrzeug des Kampfpanzers Panther auf die Eurosatory rollte und damit die Debatte über Europas Landkampfsysteme der Zukunft angeheizt hat.
Die Debatte hält weiter an. Zwar haben die Verteidigungsminister aus Deutschland und Frankreich Ende April eine Absichtserklärung unterzeichnet, um die Entwicklung des jahrelang auf der Stelle getretenen gemeinsamen Kampfpanzersystems der Zukunft (MGCS) voranzubringen. Doch vor den 2040er-Jahren dürfte das Megasystem nicht das Licht der Welt erblicken, und der Bedarf an Innovationen und Militärgerät ist bald zweieinhalb Jahre nach Russlands Überfall auf die Ukraine heute akut. Entsprechend gefragt sind alle Zweige der Rüstungsindustrie in Europa. Die Eurosatory ist Spiegelbild dieser Entwicklung. Mit rund 2000 Ausstellern aus 62 Ländern wurde ein Rekord aufgestellt in der Geschichte dieser Messe. Überschattet wurde sie vom Streit zwischen den Veranstaltern und der französischen Regierung, die als Reaktion auf den Angriff auf Rafah mit vielen zivilen Toten israelische Unternehmen von der Eurosatory ausgeschlossen hat.
Wie vor zwei Jahren richtete sich das Augenmerk aus deutscher Warte zum Messeauftakt aber auch diesmal wieder speziell auf Kampfpanzer. So war es diesmal der Rheinmetall-Rivale KNDS, der mit einem Leopard in neuem Gewand ein innovatives Gefährt präsentiert hat. Es trägt den etwas umständlichen Namen „2 A-RC 3.0“ und wirkt schon auf den ersten Blick deutlich kleiner als der bestehende Leopard-Kampfpanzer in seiner neuesten marktverfügbaren Version 2A8. Dank Neuheiten wie einem unbemannten, ferngesteuerten Turm kann der „2 A-RC 3.0“ künftig mit einer Dreimannbesatzung auskommen, was ihn nach Herstellerangaben rund 10 Prozent leichter und 30 Prozent sicherer macht. Das sei auch eine Antwort auf den Ukraine-Krieg, wo Drohnen die gewachsene Bedrohung durch Angriffe von oben deutlich geworden sei, erklärt man bei KNDS .
Zugleich stellt der aus der Zusammenlegung des Münchner Familienunternehmens Krauss-Maffei Wegmann und dem französischen Staatsunternehmen Nexter hervorgegangene Konzern klar: Man liefere, was der Kunde wünsche. Leoparden in anderen Varianten mit bemanntem Turm blieben auch in Zukunft verfügbar. Zudem sehen KNDS wie Rheinmetall in ihren neuesten Kampfpanzerversionen eine „Brückenlösung“ auf dem Weg zum MGCS, keine Konkurrenz dazu. Niemand wisse schließlich heute so ganz genau, wie das Kampfpanzersystem der Zukunft einmal aussehen wird, verlautet es aus Kreisen der Rüstungsindustrie allenthalben. Stück für Stück arbeite man sich deshalb vor.
Hinzu kommen neue Sorgen über die politische Entwicklung in Frankreich, wo ein möglicherweise neuer, rechtsnationaler Premierminister europäischen Rüstungsprojekten den Todesstoß versetzen könnte. „Der Spaltpilz Putin unterstützt die extremen Parteien: egal ob rechts oder links, Hauptsache die Demokratie fliegt uns um die Ohren“, hatte der KNDS-Chef Frank Haun vor der Eurosatory in der F.A.Z. geklagt. „Marine Le Pen hat über KNDS schon einmal gesagt, das sei das Erste, das sie totschlägt. Ich hoffe, dass Europa in ein paar Jahren noch existiert. Wenn nicht, dann haben wir mit KNDS eine Fehlentscheidung getroffen“, mahnte er. Neben MGCS gilt auch das deutsch-französisch-spanische Kampfjetprojekt als gefährdet, sofern Rechtspopulisten in Paris das Ruder übernehmen.
Sorgen plagen die europäische Rüstungsindustrie aber auch sonst nicht zu wenige, seien es nach wie vor diskriminierende Finanzierungsbedingungen gerade für kleine und mittelgroße Betriebe durch die „Taxonomie“-Regeln oder unklare Investitionssignale der Politik. In Deutschland ist der Unmut besonders groß. „Die Bundeswehr braucht bis zum Jahr 2028 noch einmal rund 100 Milliarden Euro“, heißt es vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie unmissverständlich – also noch einmal eine Summe, wie sie mit dem „Sondervermögen“ schon angekündigt und verplant wurde.
Zwischen Bedarf und Zusagen klaffe eine gewaltige Lücke. Hinzu kommen die restriktiven Regelungen der deutschen Rüstungsexportkontrolle, wenn es um Ausfuhren in Drittstaaten geht. Nach wie vor schweben sie wie ein Damoklesschwert über bestehenden europäischen Programmen wie dem Eurofighter und Zukunftsprogrammen wie FCAS.
Mehr symbolischen Rückhalt hätte sich manch deutscher Industrievertreter auch auf der Eurosatory gewünscht: Während neben Rheinmetall auch zahlreiche andere große Unternehmen aus der Rüstungsindustrie wie Diehl Defence oder Heckler & Koch Präsenz auf der Messe zeigen, schickte das Bundesverteidigungsministerium nur seinen politischen Direktor und zwei 3-Sterne-Generäle. Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer musste kurzfristig absagen. Von französischer Seite kam Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.