Wirtschaftskrise: Wird Deutschland mithilfe von 30 Milliarden Euro zu einer „Comeback-Nation“?

Keine andere Wirtschaftsgrafik hat in der Bundesregierung in den vergangenen Monaten so viel Aufmerksamkeit erregt wie jene des Münchner Ifo-Instituts, die den Rückgang der privaten Investitionen in Deutschland seit dem Jahr 2019 zeigt. Mit dem sogenannten Deutschlandfonds bringt die Bundesregierung nun ein Vehikel auf den Weg, das den Standort für Investoren aus dem In- und Ausland attraktiver machen soll. Rund 30 Milliarden Euro stellt der Bund dafür an öffentlichen Mitteln bereit, großteils in Form von Garantien. Die Hoffnung ist, dass aus der Privatwirtschaft in den nächsten Jahren weitere 100 Milliarden Euro dazukommen und der Fonds so auf ein Volumen von 130 Milliarden Euro wächst.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Stefan Wintels, Chef der staatlichen Förderbank KfW, stellten den Fonds am Donnerstag in Berlin vor. Drei Zielgruppen hat der Deutschlandfonds im Blick: mittelständische Industrieunternehmen, Start-ups/Scale-ups sowie Energieunternehmen. Diese Unternehmen hätten aktuell Probleme, ausreichend Kapital zu bekommen, um zu wachsen oder in Transformationsprojekte zu investieren. Der Deutschlandfonds soll sie mit verschiedenen Finanzierungsinstrumenten unterstützen. Kern sind vor allem staatliche Garantien, mit denen der Bund Investitionsvorhaben absichert. Teils soll die KfW aber auch Kredite vergeben oder direkte Beteiligungen an Unternehmen eingehen.
Von einer „Anlaufstelle, einer Telefonnummer, einer E-Mail-Adresse“ für privates Kapital sprach Klingbeil. „Für viele Investoren ist Deutschland ein attraktiver Standort. Sie sehen die Innovationskraft und die hoch qualifizierten Arbeitskräfte, die wir haben.“ Deutschland laufe Gefahr, international abgehängt zu werden, warnte Reiche. Mit dem Deutschlandfonds und strukturellen Wirtschaftsreformen könne es zu einer „Comeback-Nation“ werden. Entscheidend sei, „privates Kapital gezielt dorthin zu lenken, wo Innovation entsteht“, so Reiche. Von Wirtschaftsverbänden kam Lob. „Andere Länder investieren deutlich mehr in das Wachstum ihrer Unternehmen“, sagte Verena Pausder, Vorsitzende des Start-up-Verbands. „Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland hier aufholen.“
Unternehmen sollen mehr investieren
Die Idee für den Deutschlandsfonds hatte die SPD in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Ursprünglich war auch ein Modul zur Förderung des Wohnungsbaus vorgesehen, an dem aber noch gearbeitet wird. Klingbeil sprach von einem „dynamischen“ Fonds. Während Staatsfonds anderer Länder oft einen klaren Fokus haben – etwa: in Unternehmen investieren, um mit den Renditen das Rentensystem mitzufinanzieren –, ist der Deutschlandfonds ein vergleichsweise komplexes Konstrukt mit unterschiedlichsten Zielsetzungen und Instrumenten.
Im Modul Industrie und Mittelstand stellt der Bund acht Milliarden Euro an Garantien in Aussicht, um Investitionen abzusichern. Zudem wird in diesem Modul auch der bereits existierende Rohstofffonds eingegliedert, der die Abhängigkeiten von China senken soll. Die erste Förderzusage bekam kürzlich ein Projekt, mit dem Lithium aus dem Oberrheingraben gewonnen werden soll. Im Energiemodul findet sich unter anderem ein neues KfW-Programm für den Ausbau der Geothermie. Mit dieser Technik kann Wärme aus tiefen Erdschichten zum Heizen ganzer Stadtviertel mittels Großwärmepumpen erschlossen werden. 600 Millionen Euro an Garantien sowie 50 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt stehen dafür nach Regierungsangaben bereit.
Im Start-up-Modul wird der bereits existierende Zukunftsfonds um einen zweiten derartigen Fonds mit Fokus speziell auf Künstliche Intelligenz, Biotech sowie Verteidigungstechnik ergänzt. Daneben sollen künftig auch „First of a kind“-Technologien unterstützt werden. Die KfW soll zudem erstmals direkte Beteiligungen an Start-ups eingehen können. Hierfür stehen je Investition bis zu 50 Millionen Euro und insgesamt eine Milliarde Euro bis 2030 bereit.
95 Prozent der 30 Milliarden Euro an öffentlichem Geld entfallen nach Angaben von KfW-Chef Wintels auf Garantien. Kosten für den Bund entstehen in diesem Fall nur, wenn eine Investition scheitert und der Staat zum Beispiel für einen mit einer Garantie abgesicherten Kredit einspringen muss. Angesprochen auf die Risiken für die Steuerzahler zeigte sich Wintels „sehr beruhigt“. Für 2026 hatte der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung Mitte November 629 Millionen Euro für den Deutschlandfonds eingestellt. Die Haushaltsmittel kämen nicht aus bestehenden Programmen, sondern seien zu 95 Prozent neu, betonte Wintels. Den bereits existierenden Zukunftsfonds hatten frühere Regierungen mit 12,5 Milliarden gefüllt, die bis 2030 ausgegeben werden können, den Rohstofffonds mit einer Milliarde Euro.
Der Deutschlandfonds ist als Ergänzung zu dem 500-Milliarden-Euro-Schuldentopf zur Modernisierung der Infrastruktur und der Lockerung der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben gedacht. Mit diesen steigen die Ausgaben der öffentlichen Hand, nun soll auch mehr Kapital privater Akteure fließen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte Ende September den früheren Commerzbankchef Martin Blessing zum Investitionsbeauftragten der Regierung ernannt. Zudem gab es mehrere Runden im Kanzleramt mit Unternehmen und Finanzinvestoren. Die Beteiligten in Berlin sind guten Mutes: Das Interesse, in Deutschland zu investieren, sei groß, heißt es.