Wirtschaftskrise in Deutschland: Deutsche Industrie ruft kommende Regierung zu radikalen Reformen hinauf

Angesichts der Wirtschaftskrise in Deutschland fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von der nächsten Bundesregierung eine radikale Reformagenda. „Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit ist im freien Fall“, die Wirtschaft stehe „unter nie dagewesenem Druck“, heißt es laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung von Mittwoch in einem 26-seitigen Grundsatzpapier des BDI mit Blick auf die geplante Neuwahl des Bundestags am 23. Februar.

Deutschland fahre „auf Verschleiß“, die Wohlstandsverluste würden immer spürbarer, fährt der Verband darin fort. Nur wenn es gelinge, durch tiefgreifende Strukturreformen einen neuen Kurs einzuschlagen und mehr Investitionen anzuziehen, „wird Deutschland den Pfad der schleichenden Deindustrialisierung verlassen können“. Vereinzelte Korrekturen reichten nicht mehr aus, hieß es weiter.

Steuersenkungen und Infrastrukturoffensive

Der Verband fordert eine Senkung der Unternehmenssteuerlast von derzeit rund 30 auf maximal 25 Prozent, die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie eine Anrechnung der Gewerbe- auf die Körperschaftsteuer. Um Investitionen anzureizen, sollen diese durch Zahlung einer staatlichen Prämie sowie durch großzügigere, langfristig planbare Abschreibungsmöglichkeiten belohnt werden, heißt es weiter.

Vom Staat selbst erwartet der Industrieverband eine „massive Infrastrukturoffensive mit einem Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro“, mit der Gebäude, der Verkehrssektor sowie Bildungseinrichtungen auf den neuesten Stand gebracht werden. Auch müsse die digitale Infrastruktur ausgebaut werden, damit die Behörden Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen könnten, heißt es.

Nach Vorstellung des BDI sollen verbindliche Ziele festgelegt werden, damit der Abbau von Bürokratie endlich konkret wird. Darüber hinaus fordert der Verband unter anderem dauerhaft niedrigere Energiekosten, bessere Programme zur Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis sowie eine weitere Ausweitung von europäischem Binnenmarkt und Welthandel mithilfe pragmatischer Freihandelsabkommen.

Automobilindustrie besorgt um Wettbewerbsfähigkeit

Eine Schlüsselbranche für die deutsche Wirtschaft ist die Automobilindustrie. Millionen von Arbeitsplätzen hängen direkt oder indirekt von ihr ab. Die deutschen Automobilhersteller verzeichnen sinkende Absatzzahlen, insbesondere bei Elektrofahrzeugen. Chinesische Autohersteller hingegen gewinnen zunehmend Marktanteile in Europa

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte von der Regierung eine klare Strategie zur Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit. „Wir befinden uns in der größten industriellen Transformation unserer Geschichte“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Rheinischen Post. Der Standort Deutschland verliere stark an Wettbewerbsfähigkeit. „Wir sehen eine generelle deutsche Standortkrise.“

Der Umstieg zur E-Mobilität werde bis 2035 rund 190.000 Jobs kosten. „Tatsächlich ist es das Allerwichtigste, die Standortbedingungen effektiv zu verbessern. Die Energiepreise und die Steuer- und Abgabenquote sind zu hoch, die Bürokratie lähmt.“ Das Jahr 2025 sei entscheidend: „Allein durch Wunschdenken werden die Investitionen nicht nach Deutschland kommen und auch nicht nach Europa.“ 

Autozulieferer Brose will 700 Stellen abbauen

Der deutsche Autozulieferer Brose etwa will wegen schwacher Auslastung seiner Werke, eines Umsatzeinbruches und eines deutlichen Verlustes sein Personal deutlich zurückfahren. Die indirekten Personalkosten sollen um 20 Prozent reduziert werden, teilte das Unternehmen mit. In einem ersten Schritt sollen bis Ende des kommenden Jahres 700 Stellen in Deutschland gestrichen werden, davon jeweils 200 am Stammsitz in Coburg sowie in Bamberg, und 120 weitere am Standort Würzburg.

„Die Brose Gruppe wird aufgrund der aktuellen Abrufzahlen die gesteckten Ziele auch in diesem Jahr nicht erreichen“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Der Umsatz liege mit 7,7 Milliarden Euro um sieben Prozent unter Plan und drei Prozent unter dem Vorjahr. Brose erwarte für das Geschäftsjahr 2024 einen Verlust von rund 53 Millionen Euro.

„Diese Anpassungen sind schmerzhaft, aber erforderlich, um die Arbeitsplätze der verbleibenden Mitarbeiter zu sichern“, sagte Firmenchef Stefan Krug. Der mächtige Firmenpatriarch Michael Stoschek, der sich zwischenzeitlich aus der Unternehmensführung zurückgezogen hatte, derzeit aber wieder als Vorsitzender des Verwaltungsrats fungiert, hatte bereits vor einigen Monaten angekündigt, rund 1.000 der weltweit 32.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Zudem sei es ein Ziel, Partner ins Boot zu holen. „Brose ist das einzige Unternehmen dieser Größe, in der vier Einzelpersonen allein das gesamte wirtschaftliche Risiko tragen. Das wollen wir künftig ändern und sind deshalb offen für Partner“, sagte der Manager damals. Stoschek hält die Firmenanteile derzeit zusammen mit seinem Sohn, seiner Tochter und seiner Nichte.