Wirecard-Prozess: Ehemalige Wirecard-Vorstände zu Schadenersatz verurteilt

Drei ehemalige Vorstände von Wirecard sind vor dem Landgericht München zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 140 Millionen Euro plus Zinsen verurteilt worden. Nach Auffassung des Vorsitzenden Richters Helmut Krenek war ihr Handeln bei der Kreditvergabe und der Zeichnung von Schuldverschreibungen mindestens fahrlässig. Deshalb müssten sie für den entstandenen Schaden haften.

Bei den Verurteilten handelt es sich um den früheren Vorstandsvorsitzenden Markus Braun sowie die Finanz- und Produktvorstände des ehemaligen Finanzdienstleisters. Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé hatte Klage eingereicht. Mit dem juristischen Vorgehen will er Geld für die Gläubiger sichern.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass es zu Berufungen kommen wird.

Aufsichtsratschef muss nicht haften

Ein Teil der Klage scheiterte: Der ehemalige stellvertretende Aufsichtsratschef Stefan Klestil muss laut juristischer Entscheidung nicht zahlen. Richter Krenek entschied zwar, dass auch er seine Aufsichtspflichten verletzt hatte, er hafte jedoch nicht für den entstandenen Schaden. Denn da der Vorstand bereits zuvor gegen Vorgaben des Aufsichtsrates verstoßen hatte, sei nicht sicher, ob Maßnahmen des Aufsichtsrates gewirkt hätten.

Den drei Vorständen attestierte das Gericht hingegen eine klare Verantwortung: Der vergebene Kredit sei nicht besichert gewesen, und es sei keine gründliche finanzielle Prüfung vor dem Erwerb von Anleihen durchgeführt worden.

Bei Braun und dem Finanzvorstand begründete der Richter die Verantwortlichkeit durch die jeweiligen Ressortzuständigkeiten. Bei der Produktvorständin gab er an, dass die Vorgänge bei Wirecard ihr Misstrauen hätten wecken müssen.

Trotz des Urteils ist derzeit unklar, wie viel Geld die Gläubiger von Insolvenzverwalter Jaffé letztlich erhalten. Die Manager haften mit ihrem Privatvermögen – es ist jedoch fraglich, ob dieses für die entstandenen Kosten ausreicht.

Vorstandsmitglied Jan Marsalek bis heute untergetaucht

Der Fall gilt als einer der größten Finanzskandale Deutschlands. 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem die Wirtschaftsprüfer von KPMG festgestellt hatten, dass 1,9 Milliarden Euro des Unternehmens fehlten. Das Vorstandsmitglied Jan Marsalek floh daraufhin nach Belarus und von dort vermutlich nach Moskau. Er ist bis heute untergetaucht.

Die Insolvenz von Wirecard erschütterte auch die Bundespolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), seinerzeit noch Bundesfinanzminister, und anderen Amtsträgern wurde politisches Versagen und mangelnder Wille, Verantwortung zu übernehmen, vorgeworfen.