Wirecard-Musterprozess: Gericht hält an Wirecard-Hauptkläger Ebert wacker

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat den Antrag von Klägern zurückgewiesen, den Hauptkläger im großen Musterprozess der Wirecard -Anleger abzuberufen. Aus dem der F.A.Z. in Abschrift vorliegenden Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22. Dezember geht hervor, wie kompliziert die Fronten im Wirecard-Musterverfahren verlaufen.

Von der Rechtsanwaltsgesellschaft Tilp vertretene Kläger hatten im November beantragt, einen neuen Musterkläger zu bestimmen. Sie argumentierten, der bisherige Musterkläger führe den Prozess gegen die Interessen der anderen Kläger, und begründeten das unter anderem mit einem F.A.Z.-Interview, in dem die Musterklägeranwälte Marc Liebscher und Wolfgang Schirp die Hoffnung geäußert hatten, vor dem Landgericht München I schneller zu einem Urteil zu kommen als im langwierigen Musterverfahren.

Mit dieser Einschätzung hatten Liebscher und Schirp allerdings nur auf die Entscheidung des Gerichts reagiert, dass im Musterverfahren keine Ansprüche gegen die einst für Wirecard zuständige Wirtschaftsprüfung EY und einzelne Wirtschaftsprüfer zu klären seien. Ansprüche auf Schadenersatz gegen EY und die Prüfer müssen daher zwangsläufig auf anderem Weg verfolgt werden, falls der Bundesgerichtshof die Entscheidung bestätigt, Bilanztestate von Wirtschaftsprüfern aus dem Musterverfahren auszuklammern.

Kein Hindernis für die Prozessführung sieht das Bayerische Oberste Landesgericht darin, dass der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Musterklägers, der Rechtsanwalt Elmar Vitt, Geschäftsführer der Prozessfinanzierungsgesellschaft Jurfin ist. Deren Vertrag mit dem Musterkläger bleibt bestehen, obwohl Ebert das Mandat mit Vitt als Prozessbevollmächtigtem beendet hat. Laut Gericht zeigt das, dass der Musterkläger trotz des Finanzierungsvertrags den Prozess eigenverantwortlich führe.

Musterverfahren im Jahr 2022 gestartet

Geführt wird der Prozess gemäß dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, um zentrale Fragen für die große Zahl an Wirecard-Geschädigten gebündelt zu klären. Sind die Voraussetzungen für Schadenersatz geklärt, verfolgt jeder Kläger seinen Anspruch separat weiter. Das soll der Justiz Arbeit sparen, da die Wirecard-Insolvenz im Jahr 2020 tausende Anleger traf. Der Musterprozess bündelt 9200 Verfahren mit Schadenersatzansprüchen von insgesamt mehr als 1,9 Milliarden Euro.

Als das Musterverfahren im Jahr 2022 startete, wurden tausende Klagen zunächst ausgesetzt, um auf das Ergebnis des Musterprozesses zu warten. Es ist daher kein Geheimnis, dass der zum Wirecard-Musterkläger bestimmte Betriebswirt Kurt Ebert dem Musterverfahren kritisch gegenüberstehen dürfte, schließlich kostet ihn das Musterverfahren Zeit. Laut dem aktuellen Gerichtsbeschluss wäre es wegen der zu erwartenden Dauer des Musterverfahrens nachvollziehbar, wenn der Musterkläger bestrebt gewesen wäre, die mit der Aussetzung verbundene Verzögerung seines eigenen Rechtsstreits nach Möglichkeit zu vermeiden. Dass er Beschwerde gegen die Aussetzung seines Verfahrens eingelegt hatte, spricht laut den Richtern nicht gegen seine Eignung als Musterkläger. Auch stehe es den Regeln nicht entgegen, dass er im Musterverfahren, ebenso wie die meisten anderen Kläger, nur gegen die Wirtschaftsprüfung EY Schadenersatzansprüche stelle.

Neben der damals für die Prüfung der Wirecard-Bilanzen zuständigen Prüfungsgesellschaft EY stehen noch zahlreiche weitere Beklagte auf der Liste des Musterverfahrens, etwa der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun, die ehemaligen Wirecard-Manager Stephan von Erffa und Oliver Bellenhaus sowie ehemals bei EY tätige Wirtschaftsprüfer. Aus formellen Gründen steht auch der Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé auf der Beklagtenliste. Der flüchtige Wirecard-Manager Jan Marsalek wurde laut dem aktuellen Beschluss früher fälschlich als Musterbeklagter geführt. Die Wirtschaftsprüfung EY dürfte nach Einschätzung der Kläger von allen Beklagten noch am ehesten in der Lage sein, nennenswerten Schadenersatz zu leisten, falls es zu einem für die Anleger günstigen Urteil oder zu einem Vergleich kommen sollte.