„Wir haben das finale Schicksal eines Planeten in Echtzeit beobachtet“

Wenn ein Stern sich am Ende seiner Lebenszeit ausdehnt, können auf engen Bahnen kreisende Planeten in ihn hineinfallen und verglühen. Ein Forschungsteam aus den USA hat jetzt erstmals ein solches Ereignis direkt beobachtet: 12.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist ein großer Gasplanet in seinen Stern gestürzt und hat dabei einen gewaltigen Strahlungsausbruch ausgelöst: Zehn Tage lang leuchtete der Stern hundert Mal heller als normal, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Sterne dehnen sich im Laufe ihrer Entwicklung aus – und wir erwarten, dass sie dabei nahe Planeten verschlingen“, erläutern Kishalay De vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und seine Kollegen. „Das sollte einen hell leuchtenden Ausstoß von Materie verursachen, doch ein solches Ereignis wurde noch nie beobachtet.“ Bis zum 25. Mai 2020: An jenem Tag registrierte die Zwicky Transient Facility, ein Spezialteleskop der Sternwarte Mount Palomar, eine auffällige Helligkeitsänderung bei einem 12.000 Lichtjahre entfernten, sonnenähnlichen Stern.

Im Verlauf von zehn Tagen leuchtete der Stern hundert Mal heller als normal, dann schwächte sich seine Strahlung wieder auf das normale Maß ab. „Der Ausbruch war anders als alles, was ich zuvor gesehen hatte“, erinnert sich De. Mithilfe weiterer Beobachtungen im Infrarot-Bereich versuchten er und seine Kollegen, der Ursache des mysteriösen Strahlungsausbruchs auf die Spur zu kommen. Beobachtungen mit einer Infrarot-Kamera zeigten ebenfalls einen Strahlungsausbruch – der sogar hundert Tage lang anhielt.

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Für die Forscher war dies ein Indiz dafür, dass der Stern eine große Menge an Gas und Staub ausgestoßen hatte, und dass diese Materie nun langsam abkühlte. Was aber hatte den Ausbruch verursacht? Das Ereignis ähnelte zwar einer „roten Nova“, dem Zusammenstoß zweier Sterne mit einem anschließenden Strahlungsausbruch. Doch die beobachtete Verteilung der Strahlungsenergie wollte nicht recht zu dieser Erklärung passen.

„Dann hätte der eine Stern tausend Mal weniger Masse haben müssen als der andere“, sagt De. „Nun hat allerdings Jupiter gerade etwa ein Tausendstel der Sonnenmasse – und damit kam uns die Erleuchtung: Hier war ein Planet in seinen Stern gefallen!“ Und damit ergaben die Beobachtungen schließlich einen Sinn. Als der Planet – ein jupiterähnlicher Gasriese – in den Stern hineinfiel, brachte er diesen aus dem Gleichgewicht. Es kam zu einer gewaltigen Eruption. Etwa das 33-fache der Erdmasse an Wasserstoff hat der Stern dabei ins All ausgestoßen, berechneten die Forscher.

Aber auch eine große Menge an Staub – etwa ein Drittel der Erdmasse – war in der ausgeworfenen Materie enthalten, möglicherweise Überreste des felsigen Kerns des zerstörten Planeten. Das Gas und der Staub kühlten dann ab und sendeten dabei die beobachtete infrarote Wärmestrahlung aus. Die Geschwindigkeit des ausgestoßenen Materials war mit 30 Kilometern pro Sekunde deutlich geringer als die Fluchtgeschwindigkeit für den Stern. Damit dürfte die Materie im Laufe der Zeit überwiegend wieder auf den Stern zurückfallen.

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Das führt dann zu einer Art „Verschmutzung“ der Atmosphäre des Sterns mit schweren Elementen. Solche Anreicherungen haben Astronomen bereits häufig bei Sternen beobachtet und als Folge der Zerstörung von Planeten gedeutet. „Doch bislang haben wir nie einen Stern direkt bei diesem Vorgang erwischt“, so De. „Jetzt haben wir das finale Schicksal eines Planeten praktisch in Echtzeit beobachten können.“ Mithilfe der dabei gesammelten Daten können die Astronomen künftig ihre Suche nach solchen Ereignissen verfeinern. In unserer Milchstraße sollten in jedem Jahr mehrere solcher Katastrophen stattfinden, schätzen die Wissenschaftler.

Die Erforschung solcher Ereignisse ist dabei zugleich ein Blick in die Zukunft unseres Planeten. Denn auch die Sonne dehnt sich im Laufe ihrer Entwicklung aus und wird dabei schließlich Merkur und Venus verschlingen – und möglicherweise auch die Erde. Doch den Schlaf muss uns diese Aussicht nicht rauben, denn bis dahin vergehen vermutlich noch gut fünf Milliarden Jahre.

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Source: welt.de