Wie Habeck die Elektroenzephalogram-Kosten in den Griff bekommen will
Weniger Einspeisevergütung, mehr Direktvermarktung, weniger intelligente Stromzähler: Die neuesten Ideen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), an der Vergütung von Solaranlagen zu schrauben, sorgen für viel Aufregung – nicht nur in der Energiewirtschaft, sondern auch unter Verbraucherschützern. Auf mehreren Hundert Seiten skizziert Habecks Haus in einem Gesetzentwurf, wie es mit immer mehr erneuerbaren Energien im Netz und den steigenden EEG-Kosten umgehen will. Ein Überblick.
Wird Solarstrom weiterhin gefördert?
Ja, aber eine garantierte Einspeisevergütung vom Netzbetreiber soll es demnächst nur noch für kleinere Anlagen geben. Für größere Solaranlagen hingegen soll die Pflicht zur Direktvermarktung in den kommenden Jahren schrittweise ausgeweitet werden. Neue Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 25 Kilowatt müssten dann ihren Strom – wie andere Kraftwerke auch – selbst vermarkten. Damit sollen sie zu einem „sicheren Systembetrieb“ beitragen. Bislang liegt die Grenze bei 100 Kilowatt.
Wie genau funktioniert das?
Der Anlagenbesitzer verkauft seinen Strom an einen Direktvermarkter, der wiederum den Strom im Großhandel verkauft. Dafür bekommt der Anlagenbesitzer eine Vergütung, die sich am durchschnittlichen Preis orientiert, der für den Energieträger in dem jeweiligen Monat an der Strombörse erzielt wurde („Marktwert“). Fällt dieser unter das Niveau der theoretischen Einspeisevergütung, zahlt der Netzbetreiber ihm zusätzlich eine Marktprämie. Diese liegt aktuell etwas über der fixen Einspeisevergütung. Anlagenbesitzer in der (geförderten) Direktvermarktung erhalten also mindestens so viel Geld wie im konventionellen Modell. Um an dem Modell teilzunehmen, brauchen sie einen intelligenten Stromzähler.
Müssen auch Privatleute ihren Strom bald direkt vermarkten?
Erst einmal nicht, denn Anlagen auf Einfamilienhäusern haben meist nur eine Kapazität von fünf bis zehn Kilowatt. Für bestehende Anlagen gilt Bestandsschutz. Kleinere Betriebe sowie Landwirte mit großen Dächern, die sich eine neue Solaranlage zulegen, würden hingegen unter die neuen Regeln fallen. Bislang ist es für kleine Erzeuger relativ schwer, einen Direktvermarkter zu finden. „Die Direktvermarktung soll digital, einfach und massentauglich und so auch für kleinere Anlagenbetreiber wirtschaftlich werden“, heißt es dazu aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums. Langfristig sollen sogar nur noch Anlagen bis zwei Kilowatt – also etwa Balkonkraftwerke – eine feste Einspeisevergütung bekommen.
Wie werden sich die EEG-Kosten entwickeln?
Der Bundeshaushalt wird durch die Förderung der Erneuerbaren stark belastet: Für das kommende Jahr prognostiziert das Kölner Energiewirtschaftliche Institut (EWI) ein Volumen von gut 18 Milliarden Euro. Bis Ende des Jahrzehnts könnten die Kosten gar auf fast 23 Milliarden Euro steigen, weil immer mehr Anlagen gebaut und die Marktwerte sinken werden, sodass der Bund über die Marktprämie noch mehr Geld zuschießen muss. „Insbesondere die Marktwerte von Solaranlagen sinken in unseren Simulationsrechnungen wegen der hohen Gleichzeitigkeit ihrer Erzeugung“, sagt Philip Schnaars vom EWI. „Dadurch steigen die Förderzahlungen über das EEG sogar überproportional zum erwarteten Zubau.“
Was tut der Bund dagegen?
Inzwischen gibt es so viele Solaranlagen in Deutschland, dass diese an vielen sonnigen Tagen mehr Strom erzeugen, als gebraucht wird. Dann drehen die Strompreise an der Börse ins Negative – Kunden werden also dafür bezahlt, wenn sie den überschüssigen Strom verbrauchen. Anlagenbesitzer haben dann dennoch Anspruch auf ihre Vergütung. Der FDP-Abgeordnete Michael Kruse drückt es plastisch so aus: „Der Solarstrom erfüllt zu immer mehr Zeiten die Definition von Müll, weil für die Abnahme des Stroms sogar noch Geld bezahlt werden muss.“ Damit soll aber zumindest für neue Anlagen ab 2025 Schluss sein. Anlagenbesitzer sollen den Strom bei negativen Preisen selbst verbrauchen oder einspeichern und später ins Netz einspeisen. So würde insgesamt das Stromangebot erhöht und die Strompreise gesenkt, versprechen Kreise des Wirtschaftsministeriums.
Wer bekommt neue Stromzähler?
Mit Ausnahme von Balkonkraftwerken sollen bald alle neuen Anlagen für Netzbetreiber sicht- und steuerbar werden – langfristig über intelligente Stromzähler. Eigentlich sollten ab dem 1. Januar 2025 alle Haushalte mit einem Verbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden im Jahr solche Geräte erhalten. Diese Grenze soll nun auf 10.000 Kilowattstunden angehoben werden. Zudem sollen die Gebühren, die der Messstellenbetreiber den Kunden für Installation und Betrieb der Geräte in Rechnung stellen darf, teilweise deutlich steigen. Kritik daran üben nicht nur die Anbieter dynamischer Stromtarife, deren Kunden auf intelligente Stromzähler angewiesen sind, sondern auch Verbraucherschützer. Das Wirtschaftsministerium erschwere mit der geplanten Preiserhöhung die Nutzung gerade für diejenigen Verbraucher, die keine Photovoltaikanlage, Wärmepumpe oder E-Ladestation zu Hause hätten.