Weltwirtschaft: Hebt dieser Handel mit China noch allesamt Boote?

Zu den Erkenntnissen der Volkswirtschaftslehre gehört, dass der Handel zwischen zwei Ländern beiden Seiten Vorteile verschafft oder „alle Boote hebt“. Aus Sorge vor einem neuen Chinaschock stellen manche Volkswirte das nun infrage. Ökonomen von Goldman Sachs haben berechnet, dass ein Exportschub Chinas in den kommenden Jahren das Wirtschaftswachstum der Handelspartner drücken dürfte. Exportgetriebenes Wachstum in China ginge so zulasten anderer Staaten. Besonders betroffen wären Deutschland und osteuropäische Länder wie Polen und die Tschechische Republik sowie asiatische Entwicklungsländer wie Thailand oder Vietnam.

Als erster Chinaschock werden die Jahre nach 2001 beschrieben, nachdem China der Welthandelsorganisation beigetreten war und westliche Länder ihre Märkte für chinesische Waren stärker öffneten. Der damalige Exportschub Chinas wird vor allem in den Vereinigten Staaten dafür verantwortlich gemacht, dass Produktion im verarbeitenden Gewerbe in großem Maße nach China abwanderte. Derzeit wird unter dem Stichwort zweiter Chinaschock diskutiert, ob China mit einem weiteren Exportschub Industrieunternehmen und Arbeitsplätze anderswo zerstöre. Die Angst davor ruft in Amerika und in Europa protektionistische Reflexe hervor.

Gemäß der Studie von Goldman Sachs drückt der erwartete chinesische Exportschub das Wachstum in Deutschland in den Jahren von 2026 bis 2029 um durchschnittlich etwa 0,25 Prozentpunkte im Jahr. Das könnte reichen, um Deutschland in der Stagnation zu halten.

Die Analyse deckt nur einen Teil der Folgen ab, die der chinesische Export mit sich bringt. Nicht berücksichtigt ist, dass sich Unternehmen in den Importländern durch Innovation und bessere Produkte dem Wettbewerb stellen können. Manche Unternehmen in den Importländern profitieren zudem von der Einfuhr preisgünstiger chinesischer Vorprodukte. Andere – wie Hersteller von Spezialmaschinen – könnten von einer erhöhten chinesischen Produktion profitieren. Nicht berücksichtigt ist ferner, dass die Zentralbanken in den Importländern auf einen importbedingt geringeren Preisdruck in der Tendenz mit niedrigeren Leitzinsen reagieren. Der von Goldman Sachs berechnete Wachstumsverlust der Importländer ist so am besten als Indiz für den erwarteten Wettbewerbsdruck zu lesen, nicht aber als eine exakte Prognose.

Wie kann Deutschland von chinesischer Technik profitieren?

„Technisch drücken mehr Importe das Wachstum“, sagte Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel der F.A.Z. „Entscheidender aber ist, welche technologischen Chancen wir nutzen können, wenn wir Zugang zu chinesischer Technologie bekommen.“ Er rät, die Chinesen einzuladen, in Deutschland verbindlich mit Joint Ventures zu investieren, damit die Deutschen lernen könnten.

Die Ökonomen von Goldman Sachs unterscheiden drei Effekte eines erhöhten Chinaexports. Zum einen drücken chinesische Waren die Preise in den Importländern und stärken die reale Kaufkraft gerade unterer Einkommensschichten. Dem steht entgegen, dass zum Beispiel deutsche Industrieunternehmen nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland zunehmend den Druck der chinesischen Konkurrenz spüren. Die Analyse von Goldman Sachs deutet darauf hin, dass für Deutschland und für industriell starke Länder in Mittel- und Osteuropa vor allem der chinesische Konkurrenzdruck auf Drittmärkten relevant ist. In Schwellenländern und vor allem in Asien wirke dagegen der direkte Konkurrenzdruck in den Ländern selbst.

Chinesische Unternehmen holen auf

Chinesische Unternehmen holen mit technisch zunehmend besseren Produkten in der Wettbewerbsfähigkeit auf. Gemessen am globalen Marktanteil führe Deutschland weiterhin im Export von Pharma- und Medizinprodukten und von Straßenfahrzeugen, heißt es in einer Analyse von Deutsche Bank Research. Bei Straßenfahrzeugen hat China mit seinem technischen Vorsprung in Elektroautos und Software aber deutlich aufgeholt. In anderen Branchen, in denen deutsche Unternehmen traditionell stark waren, hat China Deutschland gemessen an den Marktanteilen schon überholt. Das gilt nach der Studie von Deutsche Bank Research für spezialisierte Industriemaschinen, für allgemeine Industriemaschinen und -geräte, für Metallwaren und für elektrische Maschinen. Innerhalb des EU-Binnenmarkts haben die deutschen Unternehmen ihre Führungsposition gegenüber China in diesen Branchen gehalten, wobei China bei elektrischen Maschinen und Metallwaren rapide aufholt.

Als wichtigen Unterschied des heutigen Chinahandels im Vergleich zum Beginn des Jahrhunderts erkennen die Ökonomen der Deutschen Bank, dass die deutsche Warenausfuhr und -einfuhr nach und aus China sich damals relativ gleichmäßig entwickelten. Seit 2021 aber steigt die Einfuhr aus China im Trend, während die Ausfuhr nach China sinkt. Das deutsche Warenhandelsbilanzdefizit mit China wird größer. Deutsche Bank Research rät als Gegenmaßnahme, die Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen zu begrenzen und Schutzzölle oder die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen zu stärken und gezielt einzusetzen.