Welche Ampel-Vorhaben Geschichte sind und welche welcher Bundestag noch vereinbaren könnte
Mietpreisbremse? Wohl Geschichte. Deutschlandticket? Sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Hier erklären wir, welche Vorhaben der Ampel gescheitert sind. Und welche Gesetze der Bundestag vor seiner Auflösung noch beschließen könnte
Nun steht es fest: Die Ampel ist zerbrochen, am 23. Februar wird der Bundestag neu gewählt. Eine ganze Reihe von Vorhaben der Ampel sind damit hinfällig, aus und vorbei. Doch das muss nicht für alle Ampel-Vorhaben gelten: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will erst am 16. Dezember die Vertrauensfrage stellen und damit den Weg für die Auflösung des Parlaments freimachen.
In den verbleibenden Sitzungswochen will die (nunmehr rot-grüne) Bundesregierung versuchen, noch mehrere Gesetze durchs Parlament zu bringen; bei einigen haben CDU/CSU, aber auch die FDP, bereits mögliche Zustimmung signalisiert. Schließlich gibt es Stimmen, die fordern: Bevor neu gewählt wird, sollten Regierung und Opposition noch gemeinsam Vorsorge treffen, um die Institutionen vor einem möglichen Wahlsieg der AfD im Februar zu schützen.
Welche Gesetzesvorhaben sind gescheitert? Was steht auf der Kippe? Und welche Projekte könnten bis zur Auflösung des Bundestages doch noch beschlossen werden?
Aus und vorbei
- Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung, ein Projekt der grünen Familienministerin Lisa Paus, sollte eigentlich 2025 kommen. Doch nach langem Ringen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) war das Vorhaben, das insbesondere einkommensschwachen Haushalten zugutekommen sollte, schon vor dem Ampel-Aus ausgehöhlt worden. Nun ist es endgültig gestorben. Die Kindergrundsicherung sollte neben dem Kindergarantiebetrag von 250 Euro, der vergleichbar mit dem aktuellen Kindergeldbetrag ist, einen „flexiblen Kinderzusatzbetrag“ beinhalten. Dieser Zusatzbetrag wäre eine erhebliche finanzielle Unterstützung für Familien mit geringerem Einkommen gewesen. Laut Bayerischem Rundfunk ist aber mit einer Einigung über eine Kindergelderhöhung zu rechen, unabhängig von der geplanten Kindergrundsicherung. - Reform des § 218
Trotz verfassungsrechtlicher, völkerrechtlicher und europarechtlicher Bedenken der im März eingesetzten Expertenkommission hat die Ampel die Reform des § 218 nicht geschafft. Gemäß diesem Paragrafen sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland strafbar, wenn nicht bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Die Kosten des Abbruchs trägt die Schwangere. Die Ampel hätte die Chance gehabt, dieses Recht auf körperliche Selbstbestimmung in der Verfassung zu sichern und den Paragrafen zu reformieren. - Abstammungs-, Unterhalts- und Kindschaftsrecht
Der ehemalige Justizminister Marco Buschmann (FDP) legte zur Schaffung eines modernen Familienrechts drei Gesetzesentwürfe vor. Da das Gesetzespaket jedoch noch nicht im Kabinett beschlossen wurde, platzt auch dieses rechtspolitische Vorhaben. Die Familienrechtsreform sah unter anderem vor, Benachteiligungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften abzuschaffen und Unterhaltsregeln für aktive Väter zu verbessern. - Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse, die Teile der Ampel eigentlich bis 2028 verlängert wollen, läuft Ende 2025 aus. Da die FDP aber sowieso nicht interessiert war, dem zuzustimmen, droht ein Ende des oft als zahnlos kritisierten Instruments zur Begrenzung von Mieterhöhungen. - Krankenhausreform
Auch Karl Lauterbachs Pläne für eine Krankenhausreform, wie all seine anderen verbleibenden Vorhaben, sind wohl Geschichte.
Was noch beschlossen werden könnte
- Reform des Bundesverfassungsgerichts
SPD, Grüne, FDP und Union hatten sich schon vor einiger Zeit im Prinzip darauf verständigt, das Bundesverfassungsgericht besser zu schützen, indem alle Regeln, die das Verfassungsgericht betreffen, in Verfassungsrang erhoben werden. Dafür bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. - Ausgleich der kalten Progression
Die kalte Progression, die entsteht, wenn sich der Steuersatz wegen einer Einkommenserhöhung erhöht, obwohl die Einkommenserhöhung nur die Inflation ausgleicht, soll verhindert werden. Nach dem Ampel-Aus scheinen SPD, Grüne, FDP und Union sich einig zu sein, den Grundfreibetrag und Eckwerte zu erhöhen. - Ein zweites Sondervermögen?
Robert Habeck hat vorgeschlagen, noch vor den Neuwahlen ein zweites Sondervermögen für die Bundeswehr aufzusetzen: Damit ein solches von der Schuldenbremse ausgenommen wird, muss es – mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag – in das Grundgesetz geschrieben werden.
Welche Projekte noch auf der Kippe stehen
- Sanierung und Ausbau von Bahnstrecken
Weil in diesem Jahr kein Bundeshaushalt für 2025 beschlossen werden wird, bleibt unklar, was aus den finanziellen Zusagen der Ampel wird. Deshalb liegen viele Projekte der Bahn auf Eis: Neben der Digitalisierung sind das vor allem der Ausbau sowie die Sanierung der Schienennetze. Damit die notwendigen 2,5 Milliarden, die für Projekte in diesem Jahr noch fällig sind, zugesagt werden, benötigt die Ampel Stimmen aus der Opposition. Mehr noch: Martin Burkert, Vizechef des Aufsichtsrates der Bahn und Vorsitzender der Bahngewerkschaft EVG teilte der SZ mit, er sorge sich, ob die finanziellen Zusagen der Ampel auch unter einer neuen Regierung halten werden. - Deutschlandticket
Das Deutschlandticket wird zwar wahrscheinlich erhalten bleiben. Unklar bleibt jedoch, zu welchem Preis: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) teilte heute nach der Haushaltsklausur in München mit, dass der Bund das Ticket in Zukunft allein finanzieren soll. Das derzeit 49 Euro teure Deutschlandticket wird im kommenden Jahr also wahrscheinlich deutlich teurer. Die Verkehrsministerkonferenz hatte im September entschieden, dass das Deutschlandticket von 2025 an 58 Euro pro Monat kosten soll. - Rentenreform
In der Ampel hatten sich SPD und FDP auf ein Kombi-Paket geeinigt: der Aktienrente für die FDP und den Forderungen nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus für die SPD. Können sich die beiden frisch geschiedenen noch einmal zusammenraufen, um die beiden Bestandteile gemeinsam zu beschließen? Denn Matthias Middelberg (CDU), Vizechef der Unionsfraktion, hat bereits signalisiert, dass die Union dem Paket nicht zustimmen werde. Die geplante Rentenerhöhung im nächsten Jahr ist davon aber unabhängig. - Migrationspolitik: GEAS Reform
Zu den Projekten, die Bundeskanzler Olaf Scholz bis zur letzten Sitzung des Bundestages in diesem Jahr am 20. Dezember noch durchsetzen will, zählen auch die Regelungen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), zu dessen Umsetzung es am 6. November einen Kabinettsbeschluss gab. Die Reform sieht neben Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor allem eine verpflichtende Identitätskontrolle bei Ankommenden. Dass die Union, die selbst noch härtere Asylregeln fordert, dieser Verschärfung der Ampel also zustimmt, ist wahrscheinlich.