Wehrpflicht unter ferner liefen zu Händen Frauen? Aber selbstverständlich!

Die Frage einer Wehrpflicht für Frauen treibt Pazifisten und Feministen gleichermaßen um. Ruhig Blut. Noch steht das Grundgesetz, das den Frauen die Wehrpflicht erspart. Eine Änderung wird es so schnell nicht geben. Wozu also die Aufregung? Doch allein der Gedanke, dass Frauen Wehrdienst verrichten sollen, erscheint all jenen als Affront, die sonst gar nicht genug Gleichberechtigung kriegen können.

Ein Blick nach draußen. Im friedlichen Dänemark wurde gerade die Wehrpflicht für Frauen beschlossen. In Israel gibt es sie seit der Staatsgründung, und nicht nur für ein paar Monate wie bei uns vorgesehen, sondern für zwei Jahre – ein Jahr weniger als für die jungen Männer.

„Frauen dienen längst“ lautete eine Überschrift in der „Zeit“. Damit war freilich der Dienst an der Mutterfront gemeint. Beschworen wurden die lebensbedrohenden Gefahren von Schwangerschaften, die den Wehrdienst der Männer aufwögen. Warum dieses Argument in die Irre führt? Der Muttertod während Schwangerschaft und Geburt ist minimal dank der guten Betreuung (drei bis vier Todesfälle auf 100.000 Geburten).

Sodann: Die junge Frau von heute kriegt ihr erstes und statistisch oft einziges Kind eher mit dreißig und nicht mit zwanzig. Da bleibt genug Zeit, ein Jahr Wehrdienst nach der Lehre oder vor der Uni abzudienen. Schließlich ist die medizinische Versorgung in der Truppe hochprofessionell. Eine schwangere freiwillige Soldatin muss nicht durch den Schlamm robben oder Panzer fahren. Sie wird genauso freigestellt wie eine schwangere Ärztin oder Orchestergeigerin.

Müssen Frauen ein Leben lang geschont werden, weil sie Kinder kriegen? Dem kleinen Frauchen ist die Wehrpflicht nicht zuzumuten? Im zivilen Leben kann sie Pilotin, Kranführerin oder Feuerwehrfrau werden – nicht gerade Schreibtischjobs. Das haben sich Frauen beherzt erkämpft. Aber Wehrdienst können sie nicht leisten? Dann sind dänische oder israelische Frauen offenbar Superweiber von einem anderen Stern.

Die 25.000 Soldatinnen, die jetzt schon freiwillig in der Bundeswehr dienen, sehen ihren Soldatenjob gewiss nüchterner als ihre selbst ernannten Hüterinnen. Über 7000 Offizierinnen, 12.000 Unteroffizierinnen und 5000 Mannschaften sind in den Streitkräften. Sie sind keine Militaristinnen, sondern Frauen, die sich für diesen Beruf entschieden haben – als Zeit- und Berufssoldatinnen. Sexuelle Übergriffe beim Bund, die gern von den In-Watte-Packerinnen gegen die Wehrpflicht ins Feld geführt werden? Die gibt es überall, in der Musikszene wie im Büro. Die Anmache wird überall geahndet – mal besser, mal schlechter.

Frauen haben nicht nur in der Mythologie als Amazonen eine kämpferische Rolle gespielt. Kleist hat „Penthesilea“, der Amazonen-Königin, ein ganzes Drama gewidmet. Anders als in Homers „Ilias“ tötet sie Achill, nicht umgekehrt. Kleist besingt die stolze Kriegerin, die wie die Frauen ihres Reichs die marodierenden Skythen besiegte. „Frei wie der Wind sind / Die Fraun, die solche Heldentat vollbracht / und dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar / Ein Staat ein mündiger, sei aufgestellt / ein Frauenstaat, den fürder keine andre / Herrschsüchtige Männerstimme mehr durchtrotzt.“ So viel Frauenpower aus Kampfesgeist geboren müsste jede Feministin entzücken.

Vorbild Jeanne d‘Arc

Die Krieger-Königin Boudicca, die hochgerüstet auf ihrem Streitwagen an der Themse verewigt ist, gilt als Nationalheldin, weil sie die Ur-Briten als patriotische Anführerin gegen die Besatzungsmacht Rom anführte. Das war vor knapp 2000 Jahren. Sie und ihre Töchter starben in der Schlacht. Die vietnamesischen Schwestern Trung Trac und Trung Nhi führten noch früher, anno 39, den ersten Aufstand gegen die Chinesen an. Königin Jinga von Angola kämpfte im 17. Jahrhundert gegen die portugiesischen Kolonialisten. Lakshmi Bai, die Maharani von Jhansi, attackierte im 19. Jahrhundert die Briten. Jeanne d’Arc focht für Frankreichs König. Sie alle, Heldinnen in den Augen ihrer Landsleute, kämpften für ihre Nation. Oft waren sie auch Mütter.

Eine junge Navigatorin war beim Luftangriff Israels auf die iranischen Atomanlagen mit an Bord. Sie habe „das Gewicht der Verantwortung im Cockpit gespürt, eine reale und existenzielle Bedrohung für den Staat abzuwenden“, hat sie nach ihrer Rückkehr gesagt. Weiter: „Wir tun dies für unsere Kinder. Für eine sichere Zukunft. Für den Frieden von morgen.“

Die Israelinnen haben lange darum gerungen, als Kampfpilotinnen zu dienen. Seit 25 Jahren sitzen sie im Cockpit. Im Falle einer Schwangerschaft dürfen sie nur zwischen der 12. und 32. Woche fliegen. Vierzig Prozent aller Soldaten sind Frauen (in Deutschland knapp 14 Prozent). Elf Prozent von ihnen dienen in der Luftwaffe, den höchsten Frauenanteil haben die Bodentruppen. Wie kampfstark die Frauen sind, hat eine IDF-Abteilung am 7. Oktober bewiesen. Eine Handvoll junger Panzersoldatinnen hat 17 Stunden lang allein die Hamas abgewehrt, Menschenleben gerettet und viele Terroristen getötet.

Wie in allen Berufen taten sie ihren Job. Durch die Wehrpflicht sind sie den Männern gleichgestellt, sie erleben vom ersten Pflichttag an die Machowelt des Militärs und lernen mit den testosterongesteuerten Jungs fertig zu werden. Sie wissen, dass sie gebraucht werden – im Krieg wie in der Reserve. Sie sind tough, kein Zierrat in taillierten Uniformen mit high heels wie etwa die Leibgardistinnen, die „Nonnen“ oder „Amazonen“ Gadaffis. Die IDF-Soldatinnen haben die militärische Glasdecke zerschmettert. 5000 von ihnen wurden im letzten Jahr als Frontkämpferinnen eingesetzt.

Der griechische Kriegsgott Ares war ein grobschlächtiger Raufbold, ein Macho eben. Sein Gegenüber war Athene, die Göttin der Weisheit und der Kriegslist. Sie war eher für den intellektuellen Teil des Krieges zuständig, wie man bei Homer nachlesen kann. Eine Armee, die diese verschiedenen Eigenschaften und Talente zusammenschweißt, kann doch nur ein Gewinn für alle sein – im Krieg wie im Frieden.

Die Wehrpflicht für Frauen wird es bei uns so bald nicht geben, da können sich ihre Beschützerinnen und Beschützer gern entspannen. Wer aber überall sonst rigoros Gleichberechtigung einfordert, kann nicht Mutterschaft vorschieben. Die israelischen Frauen an der Front würden sich zu Recht wehren, auf die Mutterrolle reduziert zu werden – im Militär genauso wie überall, wo Interesse und Karriere winkt.

Christine Brinck ist Publizistin und schrieb unter anderem „Mütterkriege. Werden unsere Kinder verstaatlicht?“ (Herder).

Source: welt.de