Was VW von Škoda lernen kann

Es gibt wenige Dinge, die Betriebsräte und Manager am Volkswagen-Stammsitz in Wolfsburg so in Rage bringen wie ein Vergleich mit der tschechischen Tochtergesellschaft Škoda. Seit der VW-Konzern die osteuropäische Marke nach der Wende übernommen hat und vor dem Untergang bewahrte, hat sich ein Konkurrenzkampf mit der Stammmarke VW entwickelt. Mit ihren Modellen stehen die Tschechen nicht nur im Wettbewerb mit Renault, Peugeot und Co, sondern nagen auch an Marktanteilen konzerneigener Au­tos wie VW-Golf oder Passat. Das Ringen um Werks­schließungen und Entlassungen in Deutschland heizt den Kampf an.

Arno Antlitz, Finanzvorstand des VW-Konzerns, hat die tschechische Marke in dieser Woche ausdrücklich gelobt. Mit einer Rendite von mehr als acht Prozent liegt sie deutlich vor der Marke VW, die auf zwei Prozent kommt, weit unter den 6,5 Prozent, die sie bis zum Jahr 2026 erreichen soll. Die Tschechen stemmen sich in Europa gegen die Flaute, ihr Stadt­geländewagen Enyaq war zuletzt das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland. Für Antlitz zeigt das, was mit wettbewerbsfähigen Kosten möglich ist. Tatsächlich kann VW von Škoda lernen, vor allem Flexibi­lität und Unternehmergeist.

Es ist nicht nur das Geschäft mit vergleichsweise günstigen Autos, in dem der Wettbewerb um Kunden zunimmt. Auch Premiummarken wie Audi, Mercedes oder BMW spüren, dass sich Käufer in vielen Märkten zurückhalten und dass das E-Auto-Geschäft nicht anzieht wie erhofft. Während westeuropäische Werke der Autoindustrie mit schwacher Auslastung kämpfen, stehen osteuropäische Standorte stabiler da. Arbeitskosten sind dort viel niedriger. Auch Zu­lieferer verlagern Produktion dorthin. Škoda hat mit 35.000 Beschäftigten in der tschechischen Republik einen Kostenvorteil gegenüber VW mit seinen 120.000 Mitarbeitern im Hochlohnland Deutschland.

Die deutschen Unternehmen brauchen günstige Energie

Die Tschechen profitieren seit jeher von Vorleistungen, die Ingenieure in Wolfsburg erbringen. Sie greifen auf Baukästen für Motoren, Getriebe und Karosserieteile des Konzerns zurück, genau wie auf Technik für Elektroautos. Das macht es ihnen leichter, niedrige Preise anzubieten, auch im Kampf mit chinesischen Anbietern, die in Europa noch nicht stark sind, aber wachsen wollen.

Das allein erklärt aber nicht den Erfolg der Marke. Beispiel Enyaq: In der günstigsten Variante ist er derzeit für 48.900 Euro zu haben. Die Einstiegsversion des technisch verwandten VW-Modells ID.4 kostet weniger. Aber trotzdem wählen viele Kunden den Škoda. Sie finden das Design moderner und mögen die Ausstattung. Auch für Bedienoberflächen haben die Tschechen ein gutes Gefühl. Ihr Pragmatismus und Kostenbewusstsein haben dazu geführt, dass sie im Konzern zuletzt immer mehr Verantwortung bekommen haben, vor allem für die Expansion in Ländern wie Indien. Dort werden noch lange Verbrenner dominieren, weshalb Škoda sich nie ein Ausstiegsdatum aus der Technik gesetzt hat.

Viele Strukturen sind nicht auf Wolfsburg übertragbar. Mit knapp 2,3 Millionen verkauften Autos in den ersten drei Quartalen ist die Marke VW etwa dreimal so groß wie Škoda. In Deutschland hat sie ganz andere Rahmenbedingungen, aber trotzdem lohnt der Vergleich. Die klei­neren Mannschaften machen Škoda schnell und flexibel. Für die nächsten Jahre ist die Modellpalette klar definiert, teure Auswüchse der Variantenvielfalt sind am Stammsitz in Mladá Boleslav kein Thema.

Auch dort hat die Gewerkschaft Kovo um den langjährigen Vorsitzenden Jaroslav Povšík großen Einfluss. Sie beschränkt sich aber auf Kern­themen wie die Arbeitsbedingungen und Entgelte der Beschäftigten am Band. In Wolfsburg dagegen haben sich Betriebsräte viele Jahre lang als Ko-Manager gesehen, die auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens mitbestimmten. Harte Einschnitte wurden lange verhindert, zusammen mit dem an VW beteiligten Land Niedersachsen. Das hat dazu beigetragen, dass die Personalkosten aus dem Ruder gelaufen sind.

Auch für die Politik lohnt ein Blick in Richtung Osten. Niemand fordert tschechische Verhältnisse in Deutschland. Doch welche Stellschrauben entscheidend sind, zeigt sich wie unter dem Brennglas. Die deutschen Unternehmen brauchen günstige Energie, vor allem für Zukunftstechnik wie Batteriezellen. Die Arbeitskosten sind zu hoch. Bürokratie bremst das Wachstum. Immer neue Subventionen und Kaufanreize für Elektroautos ändern an diesem Grundproblem nicht viel. Stattdessen zementieren sie Strukturen, die nicht wettbewerbsfähig sind.