Warnung von Warrren Buffett: Die Inflation frisst die Zinsen
Anders als im Euroraum, wo es zwischen 2014 und 2022 über acht lange Jahre hinweg Negativzinsen gab, haben die amerikanische und die britische Notenbank noch nie negative Zinsen festgesetzt. Im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank haben die Fed und die Bank of England Banken und damit auch deren Sparkunden nicht derart belastet. Insofern behielten Anleihen in den USA und in England auch in der Niedrigzinsphase stärker ihre Funktion, in einem balancierten Depot ein renditearmes, aber stabiles Gegengewicht zu schwankungsfreudigen Aktien zu bilden.
Das 60-40-Portfolio, also 60 Prozent in renditestarken Aktien und 40 Prozent in risikoärmeren Anleihen, erfreute sich vielfach weiterhin großer Beliebtheit. Doch der amerikanische Starinvestor Warren Buffett war nie ein großer Freund davon. Und er hat vor einigen Wochen seine Landsleute noch einmal eindringlich davor gewarnt. Was aus Buffetts Sicht gegen Anleihen als Sparform für die langfristige Altersvorsorge spricht, sei die Phase höherer Inflation, in die gerade die USA eingetreten seien.

Neben der hohen Staatsverschuldung („Geld drucken“), die Instabilität erzeuge, argumentiert Buffett so: Die wahre Inflation sei heute schon gerade für ältere Menschen höher als die Preissteigerungen im von Statistikern verwendeten Warenkorb. Denn die „Babyboomer“ seien schon hinreichend etwa mit Elektronikgeräten ausgestattet, bei denen tendenziell wegen starker Konkurrenz die Preiserhöhungsspielräume für Anbieter gering seien. Dagegen sei etwa für Pharmazeutika, die gerade von Älteren stärker nachgefragt würden, die Inflation höher als die von offiziellen Stellen bekannt gegebene Kerninflation, warnte Buffett die Amerikaner.
Die Lage in Großbritannien
Der Hinweis auf sinkende Realzinsen trifft auf Großbritannien ähnlich zu wie auf die USA. Auf der britischen Insel lag die offizielle Kerninflationsrate, die Nahrungsmittel und Energiepreise außen vor lässt, im September auf 3,5 Prozent. Britische Staatsanleihen mit zwei und zehn Jahren Laufzeit werfen mit 3,8 und 4,4 Prozent kaum mehr ab. Noch aber ist der Realzins immerhin positiv – zumindest vor Steuern.
Doch schon von diesem Donnerstag an könnte sich der Realzins für die Briten in Richtung negatives Terrain verschieben. Dann entscheidet die Bank von England, ob sie ihren derzeit auf vier Prozent liegenden Leitzins senkt. Analysten rechnen mit einer knappen Entscheidung unter den Notenbankern, da die Inflation zuletzt kaum zurückgegangen ist. Die britische Bank Barclays und die US-Bank Goldman Sachs gehören zu den wenigen, die mit einer Zinssenkung auf 3,75 Prozent rechnen. Deutsche Bank, Berenberg und Vermögensverwalter wie Allspring halten das für verfrüht.
Hohe Staatsschulden
Die seit Juli 2024 amtierende Labour-Regierung von Keith Starmer würde angesichts hoher Staatsschulden und damit verbundener Zinslasten vermutlich eine Zinssenkung begrüßen. Nach den Prognosen des Internationalen Währungsfonds wächst das Verhältnis von Staatsschulden zur Jahreswirtschaftsleistung (BIP) in Großbritannien von 101,2 Prozent im Jahr 2024 auf 103,4 Prozent in 2025.

Finanzministerin Rachel Reeves will gegensteuern und schloss am Dienstag Steuererhöhungen ausdrücklich nicht aus. Obwohl ihr das in den Meinungsumfragen schadet und im Gegenzug die Partei Reform UK von Nigel Farrage ihre Führung noch ausbauen kann, diskutierte die Labour-Partei zuletzt über Vermögenssteuern, Immobiliensteuern und sogar eine „Boiler-Steuer“ auf Wärmepumpen. Konservative Zeitungen werden nicht müde zu behaupten, in Britannien gebe es eine „Deindustrialisierung“, auch weil die Energiepreise um 50 Prozent höher als in Frankreich und Deutschland seien.
Vor dem anstehenden Winter verfängt die Sorge vor hohen Heizkosten gerade unter älteren Leuten. Sollte ihnen zudem ihre Bank auf Erspartes künftig weniger Zinsen zahlen, träte womöglich in England exakt die Situation ein, vor der Buffett die Amerikaner jüngst warnte: Die Zinsen fallen geringer aus als die Mehrausgaben eines Zwei-Personen-Haushaltes. Buffetts Lösung: Mehr in Aktien investieren, in Unternehmen, deren Produkte derart beliebt sind, dass sie Preiserhöhungsspielraum haben. Nur als Aktionäre solcher Gesellschaften könnten Sparer die Inflation schlagen, meint Buffett. Für Staaten hingegen wird es ohne die breite Masse an Anlegern nicht leichter, ihre Schulden zu refinanzieren.
Dabei wirken Anleihen in Pfund und Dollar für Europäer sogar attraktiv – liegen doch die Zinsen im Stirling- und im Dollar-Raum höher als im Euroraum, wo die EZB ihren Leitzins zuletzt auf 2,0 Prozent beließ. Bei einer offiziellen Inflationsrate von 2,2 Prozent sind auch die Euro-Zinsen real kaum positiv. Ein Ausweichen in den Dollar- und Stirling-Raum ist jedoch mit Wechselkursrisiken verbunden. Der Dollar hat in diesem Jahr zwölf Prozent zum Euro abgewertet, das Pfund mit sechs Prozent immerhin halb so viel. Damit dürften nur wenige Anleger in diesem Jahr mit einer Buy-and-Hold-Strategie im Euroraum und im angelsächsischen Raum deutlich positive Staatsanleiherenditen erwirtschaften.
Source: faz.net