Wahl in den Niederlanden: Wilders‘ Rechtspopulisten sind laut Prognose nicht mehr stärkste Kraft
Der linksliberale und proeuropäische Politiker Rob Jetten liegt bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden jüngsten Hochrechnungen zufolge gleichauf mit der rechtspopulistischen Partei von Geert Wilders. Rund 95 Prozent der Stimmen sind inzwischen ausgezählt, meldet die niederländische Agentur ANP. Demnach könnten beide Parteien jeweils auf 26 der 150 Sitze im Parlament kommen.
In der Nacht zum Donnerstag sah es bis in die frühen Morgenstunden zunächst danach aus, als würde die Partei Demokraten 66 (D66) von Spitzenkandidat Rob Jetten die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders überholen. Damit könnte Jetten neuer Regierungschef werden – der jüngste in der
niederländischen Geschichte.
„Wir haben nicht nur den Niederlanden,
sondern auch der Welt gezeigt, dass es möglich ist,
populistische und rechtsextreme Bewegungen zu schlagen“, sagte
Jetten bereits am Abend vor jubelnden Anhängern auf der Wahlparty seiner Partei. Jetten bezeichnete das Ergebnis als „Sieg über den Hass“ und „Abschied von politischer Negativität“.
Die Popularität des 38-jährigen Jetten war im vergangenen Monat stark
gestiegen. Er hatte im Wahlkampf versprochen, die Wohnungsnot zu
lindern, in Bildung zu investieren und Einwanderungsfragen
anzugehen.
Niemand wollte mit den Rechtspopulisten koalieren
Falls D66 nach Auszählung aller Stimmen die
stärkste Partei werden sollte, wäre dies für den Rechtspopulisten Geert Wilders ein herber
Rückschlag. Bei der Parlamentswahl 2023 war seine PVV noch überraschend stärkste Kraft geworden und hatte 37 Sitze erhalten. Eine neuerliche Regierungsbeteiligung
seiner Partei gilt aber als ausgeschlossen, da andere Parteien eine
Koalition mit der PVV ablehnen.
Wilders wurde am Abend von Reportern gefragt, ob er es im Nachhinein als Fehler
betrachte, dass er die Regierung schon nach weniger als einem Jahr
wieder verlassen habe. Der 62-Jährige erwiderte darauf, er habe mit
dieser Entscheidung „Rückgrat bewiesen“, weil seine drei
Koalitionspartner die Vereinbarungen zur Asylpolitik nicht umgesetzt
hätten. Natürlich hätte er sich bei der Wahl noch ein paar Sitze mehr
gewünscht, aber: „Wir haben noch immer das zweitbeste Ergebnis, das wir
je erzielt haben.“
Die bisherige Regierungspartei, die rechtsliberale VVD, kann laut der jüngsten Hochrechnung mit 23 Sitzen im Parlament rechnen. Das rotgrüne Bündnis
GroenLinks-PvdA erhielte demnach 20 Mandate, gefolgt von den Christdemokraten mit 19 Sitzen. Insgesamt könnten 15 Parteien in das Parlament
in Den Haag einziehen – in den Niederlanden gibt es keine
Fünf-Prozent-Hürde.
Wilders hatte die vorgezogene Wahl ausgelöst
Die Abstimmung in den Niederlanden wurde europaweit mit
großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sie gilt als Test dafür, ob
rechtspopulistische, nationalistische Parteien ihren Einfluss
ausweiten können oder in Teilen Europas ihren Höhepunkt erreicht
haben. Wilders, der wegen Morddrohungen unter ständigem
Polizeischutz steht, hatte im Wahlkampf unter anderem gefordert,
alle Asylanträge abzulehnen und männliche ukrainische
Flüchtlinge in die Ukraine zurückzuschicken.
Wilders hatte
die vorgezogene Neuwahl ausgelöst, als er im Juni die
Regierungskoalition im Streit über die Asylpolitik platzen ließ. Im Bündnis mit der VVD, der NSC sowie der BBB forderte er eine schärfere Migrationspolitik und legte dazu ohne Absprache mit den Regierungspartnern einen Zehn-Punkte-Plan vor. Dieser sah unter anderem die Schließung der Grenzen für Asylsuchende und die Abschiebung Tausender Syrerinnen und Syrer vor.
Die Partner reagierten verärgert über den Vorstoß von Wilders. Nachdem sich die Koalition trotz Krisensitzungen auf keine gemeinsame Linie einigen konnte, verließ die PVV die Regierung im Juni. Zwei Monate später trat auch die NSC nach einem Streit über Sanktionen gegen Israel aus dem Bündnis aus. Seitdem regierten VVD und BBB in einer Minderheitsregierung mit 32 Sitzen.