VW Sparkurs: Die Politik streitet obig mögliche Werkschließungen
Der verschärfte Sparkurs von Deutschlands größtem Autohersteller Volkswagen schlägt in der Politik hohe Wellen. CDU-Chef Friedrich Merz betrachtet ihn als Symbol dafür, wie schlecht die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich dasteht. „Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug“, kritisierte er auf einer CDU-Veranstaltung in Osnabrück. Womöglich habe das Unternehmen mit der Festlegung auf die Elektromobilität einen Fehler gemacht.
Aber auch andere Teile der Industrie seien nicht mehr wettbewerbsfähig, sagte Merz weiter. Grund seien die politischen Rahmenbedingungen. VW sei seitens des Vorstandes zum „Sanierungsfall“ erklärt worden. „Das zeigt jetzt auch dieser Bundesregierung endgültig, wo wir stehen. Das ist keine konjunkturelle Frage des Weltmarktes.“
Grünen-Politikerin Detzer: „Absurde Debatten“
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Detzer, konterte: „Was dem Unternehmen und seinen Beschäftigten schadet, sind absurde Debatten, wie sie der CDU-Vorsitzende Merz anzettelt mit seinen Ratschlägen zur Abkehr von der Elektromobilität und der Behauptung, VW sei ein Sanierungsfall“, sagte Detzer der F.A.Z. „Ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr noch einen Gewinn von rund 22 Milliarden Euro einfuhr, ist kein Sanierungsfall.“
VW habe sich in der Vergangenheit stark auf den Absatzmarkt in China verlassen. Zudem seien Antriebswende und Digitalisierung eine doppelte Herausforderung. Es gelte jetzt, VW „zukunftsfest aufzustellen“.
Wie das geschehen soll, dazu stellte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schon Bedingungen. Grundsätzlich unterstütze die niedersächsische Landesregierung den Kurs des Vorstands, sagte er. Jetzt müsse über das „Wie“ der Einsparungen diskutiert werden. „Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt.“
VW macht die geringe Nachfrage nach E-Autos zu schaffen
Weils Wort hat Gewicht: Ein Fünftel der Stimmrechtsanteile bei VW liegt beim Land Niedersachsen, zudem hat der Aufsichtsrat weitgehende Mitbestimmungsrechte. Ähnlich wie Weil positionierte sich der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Bernd Westphal: „Werksschließungen und Stellenabbau sind keine überzeugende Strategie“, sagte er. „VW hat Jahrzehnte sehr gut in Deutschland verdient.“ Das Unternehmen müsse jetzt „durch Technologieführerschaft, Qualität und bezahlbare Produkte“ wieder wettbewerbsfähig werden.
Volkswagen macht zum einen die geringe Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland zu schaffen. Werke wie das auf Elektroautos spezialisierte in Zwickau sind deshalb nicht ausgelastet. Auch drängen chinesische Anbieter wie BYD zunehmend auf den europäischen Markt. Die EU-Kommission versucht das mit Zöllen zu bremsen, BYD plant aber bereits Werke in der EU. Zugleich werden die Autos deutscher Hersteller in China weniger nachgefragt. In dem Land hat die Autobranche bislang rund ein Drittel ihres Umsatzes gemacht und mutmaßlich einen noch höheren Anteil des Gewinns.
VW-Konzernchef Oliver Blume hat den verschärften Sparkurs mit der „sehr anspruchsvollen und ernsten Lage“ begründet und auf die neuen Anbieter verwiesen. „Dazu kommt, dass vor allem der Standort Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurückfällt. In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren“, sagte Blume.
Zum Sparziel fehlen noch rund 5 Milliarden Euro
Das bisherige „Performance-Programm“ der Marke VW reicht dem Vorstand offensichtlich nicht mehr aus. Nach diesem Plan sollte allein die Kernmarke bis 2026 rund 10 Milliarden Euro sparen. Ziel ist, die Rendite auf 6,5 Prozent zu steigern. Zuletzt schaffte VW nur 2,3 Prozent. Zum Sparziel fehlen noch rund 5 Milliarden Euro.
Volkswagen kämpft mit Kosten deutlich über dem Branchendurchschnitt. Andere Massenhersteller wie etwa der Stellantis-Konzern mit seinen Marken Opel, Peugeot und Citroën stehen deutlich besser da. Weil dem VW-Vorstand der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen nicht mehr ausreicht, soll die mit dem Betriebsrat geschlossene Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung aufgekündigt werden. Sie schloss für die fast 120.000 Beschäftigten in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 aus. Auch Werksschließungen sind nun kein Tabu mehr.
IG Metall und Betriebsrat kündigten umgehend massiven Widerstand an. „Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sprach von einem „unverantwortlichen Plan“, der die „Grundfesten von Volkswagen erschüttert“.
Wie viele Stellen in Deutschland wegfallen könnten, sagt VW noch nicht. Auch zu möglichen Standortschließungen ist bisher nichts bekannt. Das letzte solche Ereignis liegt mehr als drei Jahrzehnte zurück: 1988 wurde eine Fabrik in Westmoreland in den USA dichtgemacht. In Deutschland unterhält VW neben dem Stammwerk in Wolfsburg Fabriken in Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Zwickau, Dresden und Chemnitz. Die Tochtergesellschaft Audi hat kürzlich ihr Werk in Brüssel auf den Prüfstand gestellt.
Dass Habeck nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse die Kaufprämien für Elektroautos abrupt strich, stieß in der Autoindustrie auf viel Kritik. In die Anfang Juli vorgestellte Wachstumsinitiative hat die Ampel nun eine Sonderabschreibung für „Nullemissionsfahrzeuge“ geschrieben, um den Markt anzukurbeln. Die vereinfachte Besteuerung von Dienstwagen soll bis zu einem Listenpreis von 95.000 Euro möglich sein. Die deutschen Hersteller haben sich lange auf hochpreisige Premiummodelle konzentriert. Ein Elektroauto unter 25.000 Euro will VW erst 2026 anbieten.