VW in welcher Krise: Nun ist ein Bekenntnis zur Autoindustrie nötig

Steckt die deutsche Autoindus­trie, allen voran Volkswagen, schon mitten in einem Überlebenskampf? Die Darstellung des Alarmrufs aus dem Volkswagen-Vorstand wurde jenseits der Grenzen mit Sorge und manchmal etwas Schadenfreude aufgenommen, so, als sei der Niedergang schon fast unaufhaltsam

Doch so weit ist es noch lange nicht. Nach ertragreichen Jahren enthalten die Bilanzen der deutschen Autokonzerne genügend Reserven, um eine Krise und eine Durststrecke zu überstehen. Was sie sich nicht leisten können, ist eine fortschreitende Erosion der Ertragskraft, die nicht nur schrumpfende Gewinne bedeuten würde, sondern auch weniger Möglichkeiten für Forschung, Entwicklung und Investitionen in neue Technik.

Die Probleme liegen aber nicht allein in den Unternehmen, sondern an den Grundlagen der Autowirtschaft. Deutsche Standortnachteile wie hohe Löhne, alternde Infrastruktur und wachsende Bürokratie stehen immer wieder im Blickfeld. Spezifisch für die Autobranche sind Strukturen, mit denen es bisher gelang, so manchen Nachteil auszugleichen: Synergien, die es anderswo selten gibt, entstehen für Deutschlands Autokonzerne aus dem eng geknüpften Netzwerk, das hier die Autobranche mit Zulieferern oder Universitäten bildet, mit vielen Vorteilen für technische Entwicklung oder Zulieferketten – einem Cluster.

Die deutschen Hersteller profitieren bisher auch davon, dass sie im Land vor allem Premium- und Luxusautos herstellen, mit höheren Margen, die auch fortschrittliche Technik finanzieren und auf diese Weise anspruchsvolle Käufer mit hoher Zahlungsbereitschaft anlocken. Schließlich haben es die deutschen Hersteller dennoch geschafft, mit Plattform- und Baukastenstrategien über mehrere Marken hohe Stückzahlen und große Skaleneffekte zu erreichen, vor allem Volkswagen. Zu den hohen Verkaufszahlen mit Skaleneffekten hat auch der Absatz in China einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Statt alter Synergien vor allem Nachteile

Doch diese glücklichen Umstände gelten für die Welt der Verbrennerautos. In der Welt der Elektroautos gibt es vorerst eher zusätzliche Nachteile: Von einem Netz an Zulieferern und Forschern kann vorerst nicht die Rede sein. Die wichtigsten und teuersten Teile, die Batteriezellen, kommen vorerst vor allem aus Asien. Für die Software ist meist Kooperation mit Amerikanern nötig. Alleinstellungsmerkmale zu konstruieren wie bei den Verbrennermotoren „Made in Germany“ ist für Elektroautos noch schwer.

Von Skaleneffekten kann noch gar nicht die Rede sein, seit die überraschende Abschaffung des Umweltbonus für Elektroautos den Markt zum Erliegen brachte. Die EU-Zölle gegen China, inklusive Aussichten auf harte Gegenmaßnahmen, könnte die Stückzahlen und Skaleneffekte weiter begrenzen. Denn für die Produktion aus Deutschland würde der Zugang zum weltgrößten Automarkt schwer, die Produktion von Nischenmodellen deutscher Marken in eigenen Fabriken in China wird unnötig verteuert.

Die deutsche und europäische Politik hat dabei versagt, in der Elektrowelt ähnlich günstige Rahmenbedingungen zu schaffen wie in den er­folgreichen Jahren der Verbren­nerproduktion. Für deutlich steigende Stückzahlen und Skaleneffekte sind sehr schnelle Ladesäulen an den Fernstrecken, auch an den Autobahnraststätten, ebenso nötig wie schnelle und flächendeckende Stromversorgung zum Laden zu Hause und am Arbeitsplatz. Für ein Fortbestehen des deutschen Auto-Clusters auch in Zeiten des Elektroantriebs müsste auch in Deutschland ein größerer Teil der Batterielieferkette angesiedelt werden.

Es wäre legitim, wenn sich der Staat angemessen an den Risiken beteiligt, die durch Friktionen zwischen Hochlauf von Batterieproduktion und E-Auto-Markt entstehen. Zunächst würde auch ein klares Bekenntnis zur Autoindustrie in Deutschland und zu Premiumprodukten helfen. Das fällt denen schwer, die insgeheim mit immer höheren Anforderungen am liebsten ein großes Stück Autoindustrie abschaffen wollten. Da hilft es auch nicht, die Produktion von Billigautos in Deutschland zu fordern, die mit deutschen Kosten eine Illusion bliebe.

Der Rahmen entscheidet schließlich über die Möglichkeiten der Spitzenmanager der Autobranche. Die werden viel gescholten, vor allem für Versäumnisse ihrer Vorgänger. Denn die Zyklen für die Entwicklung neuer Technik und Modelle nehmen viele Jahre in Anspruch.

Nun kommt es unter ihnen auf die Weichenstellungen für die Zukunft an, den Mut zu größeren Entwicklungsschritten und zur Suche nach neuen Designikonen. Fatal wäre es, wenn sie an den Produkten sparen würden. Banale und billig anmutende Autos gibt es überall. Deutschland muss dagegen Premium bleiben.