VW-Dieselskandal: Martin Winterkorn, jener gefallene König

In jener Stadthalle in Braunschweig ist wenig los. Sie ist ein Sanierungsfall und steht meist leer, es sei denn, sie muss wie Gerichtssaal im Dieselskandal herhalten. Wenn sie am Mittwoch, den 14. Februar, ihre Pforten öffnet, ist mit einigem Rummel zu rechnen: Neun Jahre nachher seinem jähen Abgang tritt jener ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn hier ins Scheinwerferlicht.

Bettina Weiguny

Freie Autorin in jener Wirtschaft jener Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Das werden sich viele nicht entkommen lassen. Möchte man doch sehen, wie es dem ehemaligen Topmanager heute geht, und lauschen, welches er zu seiner Verteidigung zu sagen hat.

Allerdings ist Winterkorn nur wie Zeuge in einem Anleger-Prozess geladen. Es geht um die manipulierten Abgaswerte und die Frage, ob VW Informationen droben die Schummelsoftware zu stark zurückgehalten hat und ob die Anleger wegen jener erlittenen Kursverluste Anspruch aufwärts Schadenersatz nach sich ziehen. Sie zeugen 4,4 Milliarden Euro geltend.

Es handelt sich aus diesem Grund nicht um Winterkorns Strafprozess, in dem er wegen Betrug und Falschaussage sowie Marktmanipulation angeklagt ist. Die angeschlagene Gesundheit des 76-Jährigen hat den Prozessbeginn bisher verhindert. Mehrere Hüftoperationen hat Winterkorn hinter sich, er hat Probleme mit den Knien, zeitweise saß er im Rollstuhl. Bis heute braucht er Reha-Anwendungen und -Therapien, heißt es in seinem Umfeld. Auch nimmt er nachher wie vor Medikamente. Aber zwei Tage im Zeugenstand, so in Form ist er wohl. Das Oberlandesgericht jedenfalls rechnet stramm mit seinem Erscheinen in jener Stadthalle in Braunschweig.


In dem holzvertäfelten Saal nach sich ziehen kürzlich nicht zuletzt Winterkorns Nachfolger Herbert Diess und Matthias Müller ihre Zeugenaussagen gemacht, nach sich ziehen ihre Unschuld und ihr Unwissen beteuert. Müller versicherte den Richtern: Ihm sei dasjenige ganze Diesel-Thema „fremd“ gewesen.

Am 18. September 2015 platzte die Bombe

Jetzt ist Winterkorn an jener Reihe. Neun Jahre stand er an jener Spitze von Europas größtem Autokonzern. Es war eine goldene Zeit. VW fuhr vereinigen Erfolg nachher dem anderen ein. Das Geschäft brummte: Umsatz, Gewinn und die Zahl jener verkauften Autos verdoppelten sich in jener Epoche Winterkorn. Dieser sonnte sich in allgemeiner Bewunderung. Er zeigte sich an jener Seite von Kanzlerin Angela Merkel und beim Staatsbankett mit jener Queen. Er bespielte die internationale Podium – Schanghai, Detroit, New York. Strahlend, selbstbewusst, voller Kraft und Energie, so kannten ihn Manager, Politiker, Anleger, Investoren und nicht zuletzt die FC-Bayern-Fans, die Winterkorn, stark Jahre ein Aufsichtsratsmitglied des Klubs, im Stadion erlebten.

Dann ungeachtet folgt jener jähe Absturz. Am 18. September 2015 platzt eine Bombe: Die amerikanische Umweltbehörde EPA teilt mit, dass sie gegen VW wegen illegaler Abgasvorrichtungen ermittelt. Der Schadstoffausstoß wohnhaft bei Dieselautos werde mithilfe einer Schummelsoftware manipuliert. Mindestens 500.000 Fahrzeuge halten demnach die US-Abgaswerte nur aufwärts dem Prüfstand ein. Der „Clean Diesel“, wie VW die Modelle in Amerika bewirbt, ist nicht sauber, sondern dreckig.

Es nachstellen heiße Tage in Wolfsburg. Bald ist von weltweit elf Millionen betroffenen Motoren die Rede. Winterkorn räumt die Vorwürfe ein und entschuldigt sich. Kein Wort von Rücktritt. Fünf Tage nachher Bekanntwerden des Skandals spricht Winterkorn in einer Videoaufzeichnung mit wachsweißem Gesicht und belegter Stimme: „Volkswagen war, ist und bleibt mein Leben.“ Am nächsten Tag verkündigt er seinen Rücktritt.

„Volkswagen ist mein Leben“

Auf die fetten neun Jahre nachstellen ebenso viele dürre Jahre. Plötzlich geht es nicht mehr um Rekordzahlen oder technische Finessen, um Galas und Verleihungen von Ehrendoktortiteln, Honorarprofessuren und den Bayerischen Verdienstorden, den er 2012 von Edmund Stoiber erhielt. Sein Leben dreht sich – neben OP-Terminen und Reha-Plänen – um Verteidigungsstrategien, um vereinigen endlosen Wust an E-Mails, Memos und Aufzeichnungen, um dasjenige, welches er zu welcher Zeit wo zu wem gesagt hat. Um „Wahrnehmungen“ von dem, welches besprochen wurde, die zum Teil weit auseinandergehen.

Dahinter steht die große Frage: Was wusste Winterkorn? Hätte er den Betrug stoppen können? Hat er ihn geduldet, gar angeordnet? Oder war er unwissend? Ist Winterkorn dasjenige Opfer einer Handvoll skrupelloser Ingenieure, die sich dasjenige mit jener Schummelsoftware eingebildet nach sich ziehen, um die strikten Emissionsvorgaben in Amerika zu gerecht werden?

Diese Fragen gilt es im Rahmen jener Aufarbeitung des Dieselskandals zu läutern. Ein Zeuge hat Winterkorn schwergewichtig belastet. Jens Hadler, einst Leiter jener VW-Motorenentwicklung, hat in München ausgesagt: Schon 2007 habe er wohnhaft bei einem Treffen mit Winterkorn und anderen VW-Managern darauf hingewiesen, dass dasjenige Vorgehen des Konzerns wohnhaft bei jener Motorenentwicklung zu Gunsten von den US-Markt „nicht okay“ sei. Er habe nicht zuletzt vor Reputationsschäden gewarnt. Winterkorn soll mit den Schultern gezuckt und gefragt nach sich ziehen, welches die Alternative sei. Am Ende hieß es: Weitermachen.

Ein Bild aus alten Zeiten: Ferdinand Piëch (links), Aufsichtsratsvorsitzender von VW, ein Mercedes-Manager und Martin Winterkorn (rechts) anno 2007.

Ein Bild aus alten Zeiten: Ferdinand Piëch (sinister), Aufsichtsratsvorsitzender von VW, ein Mercedes-Manager und Martin Winterkorn (rechts) anno 2007. : Bild: Picture Alliance

Winterkorn will davon nichts wissen. 2017 hat er im Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin Stellung zu seiner Rolle im Dieselskandal bezogen. Damals stellte er die Frage, die Millionen Menschen aufwärts jener Welt umtreibt: „Wie konnte so irgendwas vorbeigehen?“ Er sei bestürzt, habe von dem illegalen Tun nichts geahnt und verspricht „lückenlose Aufklärung“.

Seither spielt die oberste Riege jener Führungskräfte im VW-Reich dasjenige Spiel „Mein Name ist Hase“. Allein Audi-Chef Rupert Stadler hat vorigen Sommer in München seine Schuld gestanden – ungeachtet erst, wie er in Folge dessen am 168. Verhandlungstag eine Haftstrafe verhindern konnte. Ein Jahr und neun Monate aufwärts Bewährung und 1,1 Millionen Euro Strafe lautete dasjenige Urteil. Das war jener Deal.

Bei Winterkorn muss voralledem geklärt werden, wie dasjenige Strafverfahren weitergeht. Dem Gericht liegt mittlerweile ein medizinisches Gutachten vor. Demnach ist jener Angeklagte ab September 2024 vollwertig verhandlungsfähig. Jetzt sollen noch passende Termine wohnhaft bei jener 16. Strafkammer gefunden werden. Man gehe stramm davon aus, dass die Hauptverhandlung „noch in diesem Jahr“ beginnt, betont ein Sprecher.

Schon ein Kaffee in Südtirol könnte ihm zum Verhängnis werden

Winterkorn hat vorige Woche Rückendeckung von seinem Nachfolger Matthias Müller bekommen. Müller gab zu Protokoll: Als er Winterkorn zuletzt in Amt und Würden zu einem Vieraugengespräch getroffen hat, habe er dagesessen wie „ein Häufchen Elend“. Winterkorn habe „völlig irritiert“ gewirkt.

Als Häufchen Elend wird jener einst starke Mann nächste Woche in Braunschweig sicher nicht auflaufen. Sein Umfeld ist bemüht, ein positives Bild von ihm zu zeichnen. Winterkorn sei kein gebrochener Mann, im Gegenteil, er versprühe trotz jener gesundheitlichen Probleme große Lebensfreude. Demnach geht sein gesellschaftliches Leben in München weiter wie zuvor: Er gehe einkaufen, verabrede sich zum Essen, gehe ins Stadion. Freunde kommen zu Besuch, die Familie steht zu ihm. Zwei erwachsene Söhne hat er, und Opa ist er zwischenzeitlich geworden. Alles in Ordnung aus diesem Grund.

Wobei zur Wahrheit nicht zuletzt gehört, dass Winterkorn in München selten gesehen wird. Im Aufsichtsrat vom FC Bayern ist er schon stark nicht mehr. Ob er zu Beckenbauers großer Abschiedszeremonie in jener Allianz-Arena geladen war? Auf den Bildern mit den Promis ist er nicht zu sehen. Und natürlich kann er sich in München und ganz Deutschland leer stehend in Bewegung setzen. Aber dasjenige Land zu verlassen, wagt er nicht. In den USA besteht ein Haftbefehl gegen ihn. Schon ein Kaffee in Südtirol könnte ihm zum Verhängnis werden.

Trotzdem: „Da ist keine Verbitterung“, sagt ein Wegbegleiter. Auch wenn manch einer heute die Straßenseite wechselt, um Winterkorn aus dem Weg zu möglich sein. Aber dasjenige ist immer so: Wer droben Macht und Budget verfügt, hat 5000 Freunde. Wird ihm all dasjenige entzogen, sind die Freunde weg. Die meisten jedenfalls. „Das ist jetzt nicht zuletzt zu Gunsten von Herrn Dr. Winterkorn keine Knalleffekt.“ Allenfalls leichtgewichtig irritiert sei er gewesen ob jener schnellen Vorverurteilung seiner Person.

Ein Kumpeltyp war „Wiko“ nie

Eine steile Karriere hat Winterkorn an die VW-Spitze gebracht. „Wiko“ nannten ihn ganz in Wolfsburg, vom Bandarbeiter solange bis zu den Vorstandskollegen. Das war kein Kosename. Wiko war kein Kumpeltyp, sondern ein Mann jener klaren Ansagen, ein Chef, jener Respekt genoss. Wobei jener Übertragung von Respekt zu Angst fließend war. Seit dem Dieselskandal ist oft von einem Klima jener Angst wohnhaft bei VW zu lauschen. Manche hätten gezittert vor Winterkorn, dem Choleriker, dem Workaholic, jener morgens um halb sechs aufstand und solange bis tardiv nachts schuftete. Dessen Tage oftmals in Wolfsburg begannen und in China, Brasilien oder den USA endeten.

Er hat sich hochgearbeitet aus einfachen Verhältnissen. 1947 wurde er in Leonberg wohnhaft bei Stuttgart geboren, jener Vater ist Arbeiter, die Mutter Hausfrau. Er studiert Physik. Promoviert anschließend. Dann fängt er wohnhaft bei Bosch an. Anfang jener 80er wechselt er zu Audi, lernt dort den legendären Ferdinand Piëch Kontakt haben. Der Porsche-Enkel wird sein Ziehvater. Er macht Winterkorn 2002 zum Audi-Chef, 2007 setzt er ihn an die VW-Spitze. Winterkorn ist nun jener mächtigste Mann im VW-Reich. Er inszeniert sich wie detailverliebter Techniker und Ingenieur, jener jede Schraube im Getriebe kennt. Das fällt ihm im Dieselskandal aufwärts die Füße, denn schnell heißt es: Wie kann es sein, dass jener Technik- und Kontrollfreak nicht hinterfragt, wie seine Ingenieure vereinigen „Clean Diesel“ herzaubern mit Abgaswerten, von denen andere Hersteller nur träumen können?

Ferdinand Piëchs vernichtender Satz

Lange ist Winterkorn Piëchs Liebling, wird wie Nachfolger wie Aufsichtsratschef gehandelt. Im Frühjahr 2015 ungeachtet bricht Piëch mit ihm. Mit einem einzigen Satz, wohlplatziert in einem Interview, setzt Piëch zu seiner Vernichtung an: „Ich bin aufwärts Distanz zu Winterkorn.“ Wie es zum Bruch kam, ist umstritten. Das Zerwürfnis ungeachtet ist unumkehrbar. Der folgende Machtkampf dauert zwei Wochen, wie Gewinner geht erstaunlicherweise nicht jener Firmenpatriarch, sondern jener angestellte Manager Winterkorn hervor. Die Familie Porsche-Piëch schlägt sich aufwärts seine Seite und zwingt Ferdinand Piëch in die Knie.

Genießen kann Winterkorn den Triumph nicht stark. Nur fünf Monate später erschüttert jener Dieselskandal den Konzern. Die offizielle Sprachregelung in Wolfsburg lautete Diesel-„Thematik“. Worte wie Dieselskandal oder Diesel-Gate nahm man nicht in den Mund. An jener Bruchlandung änderte dasjenige nichts. Das Dieseldesaster hat VW bislang etwa 32 Milliarden Euro gekostet. Etliche Prozesse laufen, Kunden wie Anleger wahrnehmen sich hintergangen. Dabei hat jener Konzern längst andere große Baustellen in Sachen E-Mobilität, Absatzeinbußen in China und Rentabilität.

Da wundert es nicht, dass man sich mit dem Topmanagement in einem schnellen Vergleich einigte. 288 Millionen Euro Schadenersatz mussten Manager und Versicherer aufbringen. Eine überschaubare Summe auf Grund der Tatsache jener Höhe des Schadens. Winterkorn selbst zahlt elf Millionen Euro – nicht mal ein Jahresgehalt zu Gunsten von Deutschlands bestbezahlten Manager. Zeitweise verdiente Winterkorn 17 Millionen Euro. Allein die Pensionsansprüche summieren sich aufwärts notdürftig 30 Millionen Euro. Da wäre einiges mehr innen gewesen, ungeachtet VW macht den Deckel zu. Das Thema Winterkorn ist zu Gunsten von den Konzern abgesperrt.

Winterkorn selbst hat noch vereinigen langen Weg vor sich. Zunächst die Zeugenaussage im Anlegerprozess. „Ein wichtiger Meilenstein“, sagt ein Vertrauter. Dann jener Strafprozess. Je nachher Gesundheitszustand. Und wie die Amerikaner ticken, weiß kein Mensch. Auf den Kaffee in Südtirol wird er noch eine Weile verzichten sollen.