Von Europa solange bis Lesotho: Trumps Zölle und die Reaktion jener EU

US-Präsident Donald Trump hat eine Durchführungsverordnung unterzeichnet, nach der ab dem 3. April 2025 um Mitternacht gegenseitige Zölle auf viele andere Länder verhängt werden.
US-Präsident Trump setzt auf drastische Strafabgaben für Handelspartner und gibt sich unnachgiebig. Seine Pläne begründet er mit unfairen Handelspraktiken. Muss die EU nun ebenso heftig reagieren?
Was hat Trump angekündigt?
Die USA belegen ab Samstag Einfuhren aus allen Ländern pauschal mit Zöllen von 10%. Außerdem kündigte die US-Regierung einen komplexen Mechanismus an, der für viele Länder höhere Zölle vorsieht. Dieser wird ab dem 9. April gelten. Ein Berater Trumps bezeichnete diese Länder als „schlimmste Übeltäter“. Gemeint sind solche Länder, mit denen die Vereinigten Staaten nach Auffassung der US-Regierung ein besonders großes Handelsdefizit haben.
Auswirkungen auf Deutschland und EU
Für die Europäische Union heißt das, dass Exporte ihrer Mitgliedsländer in die Vereinigten Staaten ab kommender Woche mit einem Zoll von 20% belegt werden. Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist in der Zoll-Liste des Weißen Hauses nicht einzeln aufgeführt, sondern fällt unter die Bestimmungen für die EU. Trump kritisiert die EU nicht nur für höhere Zölle, er moniert auch die in Europa erhobene Mehrwertsteuer als bedeutende Handelsbarriere für US-Produkte. Das Argument ist allerdings fragwürdig, denn die Mehrwertsteuer wird für Produkte aus der EU gleichermaßen fällig.
Raum für Gespräche schaffen
EU verschiebt Vergeltung für neue US-Zölle
Die USA haben neue Zölle in Kraft gesetzt, die auch Deutschland und die EU treffen. Die Europäische Kommission wollte eigentlich bereits Anfang April zurückschlagen. Nun aber gibt es einen Aufschub.
Die Amerikaner haben errechnet, dass die Europäische Union Zölle in Höhe von 39% auf US-Importe verhänge – dabei sollen alle Handelshemmnisse berücksichtigt sein. Wie genau die US-Regierung diesen Wert ermittelt hat, ist unklar. Die EU selbst gibt an, dass es aus technischen Gründen schwer sei, einen absoluten Wert zu ermitteln, da sich ein Durchschnitt auf sehr unterschiedliche Weise berechnen lasse. „Legt man jedoch den tatsächlichen Warenhandel zwischen der EU und den USA zugrunde, so liegt der durchschnittliche Zollsatz in der Praxis auf beiden Seiten bei etwa einem Prozent“, betont die EU-Kommission.
Die Zollunterschiede mit der Europäischen Union sehen Fachleute in den meisten Bereichen als eher klein an. Dem Ifo-Institut zufolge beträgt die Zolldifferenz zwischen den USA und der EU im Schnitt nur 0,5 Prozentpunkte – im Vergleich mit der nun angekündigten Zollerhöhung von 20%. Mit „gegenseitig“ habe das Vorgehen von Trump nichts zu tun. Die große Ausnahme ist der Agrarsektor, wo die EU-Zölle teils deutlich höher sind als in den USA – insbesondere auf Milchprodukte, Fleisch, Zucker und Geflügel. Zu beachten sind hier auch unterschiedliche Standards und Importvorgaben. Auch Textilien und Bekleidung aus den USA unterliegen in Europa meist etwas höheren Zöllen als umgekehrt – der Unterschied ist aber teils geringfügig. Andersherum sind Zölle auf Kunststoffe, Chemikalien, Kunstwerke und Antiquitäten in den USA teilweise höher als in der Europäischen Union.
Was kommt auf Verbraucher zu?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet immense wirtschaftliche Folgen. „Millionen von Menschen werden mit höheren Lebensmittelrechnungen konfrontiert sein. Medikamente werden teurer, ebenso der Transport. Die Inflation wird ansteigen. Und dies schadet vor allem den wirtschaftlich schwächsten Bürgern“, erklärte sie.
Die deutsche Pharmabranche warnt vor Folgen für die Gesundheitsversorgung. Denn die Bundesrepublik importierte 2024 Pharmazeutika im Wert von 12,2 Milliarden Euro (17%) aus den USA sowie gut 12% der Vorprodukte, etwa Grundstoffe und Chemikalien, so der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Bei einem Handelskrieg könnten sich Vorprodukte stark verteuern oder zeitweise ganz fehlen, meint VFA-Chefvolkswirt Claus Michelsen.“Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung und die Beschäftigten in der Pharmaproduktion.“
Was droht der deutschen Wirtschaft?
Deutschland ist als Exportnation von Trump Zolloffensive besonders betroffen. Die USA sind Deutschlands wichtiger Handelspartner vor China und den Niederlanden und größter Abnehmer deutscher Exporte. 2024 wurden Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehandelt. Dabei lieferten deutsche Firmen Waren im Wert von gut 161 Milliarden Euro in die USA, gut 10% aller Exporte.
Reaktion auf US-Zölle
China verhängt Gegenzölle auf US-Einfuhren
Beobachter hatten bereits befürchtet, dass sich der Zollstreit zwischen Peking und Washington weiter aufschaukeln würde. Kaum sind die neuen US-Zölle in Kraft getreten, antwortet China. Auch Baumwolle ist betroffen.
Das Ifo-Institut erwartet für die deutsche Wirtschaft „zunächst einen dauerhaften Rückgang des BIP um 0,3%“, wie Handelsexpertin Lisandra Flach schreibt – wobei einige Schlüsselbranchen wie Pharma, Auto und Maschinenbau stärker betroffen seien. Und Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer schätzt, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt über zwei Jahre insgesamt um ein 0,5% sinkt.
Wie wichtig sind die USA für deutsche Schlüsselbranchen?
Nicht nur auf die deutschen Autobauer kommen mit den bereits zuvor verkündeten Sonderzöllen von 25% hohe Belastungen zu. Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für die deutsche Autoindustrie.
Die neuen US-Zölle sind für weitere Schlüsselindustrien gefährlich. So exportierten die deutschen Maschinenbauer 2024 Maschinen und Anlagen im Wert von 27,4 Milliarden Euro in die USA – gut 13% der gesamten Branchenausfuhren. Und die Chemieindustrie lieferte 2024 Erzeugnisse im Wert von 10,2 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten, ein Anteil von fast 8%. Noch wichtiger ist der US-Markt für die deutsche Pharmabranche: 2024 gingen Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,6 Prozent) der hiesigen Pharmaexporte in die USA, so der VFA.
Für welche Länder außerhalb der EU gilt was?
Einige Länder treffen die neuen Zölle besonders hart. Teilweise werden sehr kleine Handelspartner stark abgestraft, etwa Krisenländer wie Syrien und Myanmar. Die härtesten Strafzölle von je 50% treffen den afrikanischen Kleinstaat Lesotho und ein französisches Überseegebiet, die Inselgruppe Saint-Pierre und Miquelon. Es folgen Kambodscha mit 49% und Laos mit 48% vor Madagaskar mit 47%. Vietnam muss 46% verkraften, für Myanmar und Sri Lanka sind es 44% und Syrien 41%.
Für China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, belaufen sich die neuen Zölle auf 34% – zusätzlich zu bereits geltenden happigen Strafabgaben auf Produkte aus der Volksrepublik.
Russland dagegen fehlt auf Trumps langer Liste – im Gegensatz zur Ukraine, für die Strafzölle von 10% fällig werden sollen. Zur Erklärung führte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt der US-Nachrichtenseite Axios gegenüber an, dass Russland nicht berücksichtigt wurde, weil US-Sanktionen bereits „jeden bedeutenden Handel ausschließen“. Dabei liegt Russland in der Handelsbilanz der USA bei Warenimporten aber immer noch vor der Ukraine.
Wie geht es weiter?
Präsident Trump hat einen nationalen Notstand ausgerufen. Als Grund nennt die US-Regierung wirtschaftliche und sicherheitspolitische Risiken angesichts der Handelsdefizite mit anderen Ländern.
„Das ist keine Verhandlung, das ist ein nationaler Notstand“, entgegnete ein Trump-Berater auf die Frage, ob die betroffenen Länder die Zölle noch verhindern oder mindern könnten. Er machte klar, dass andere Länder nicht einfach niedrigere Zölle auf US-Importe ankündigen könnten, um Zollerleichterungen seitens der USA zu erreichen. Als Grund nannte er die anderen Handelshemmnisse, welche die USA benachteiligen würden.
Das Weiße Haus teilt dazu mit: „Die Zölle bleiben in Kraft, bis Präsident Trump feststellt, dass die durch das Handelsdefizit und die zugrunde liegende ungleiche Behandlung verursachte Bedrohung beseitigt, gelöst oder gemindert wurde.“
Gibt es Sonderregelungen?
Die USA haben bereits vor Trumps gewaltiger Zollankündigung diverse Strafabgaben auf bestimmte Produkte verhängt, die weiter greifen. So sollen ab heute Zölle in Höhe von 25% auf alle in die USA importierten Autos gelten, für Autoteile soll diese Strafmaßnahme spätestens am 3. Mai greifen. Auch auf alle Stahl- und Aluminiumeinfuhren erheben die USA Zölle in Höhe von 25%. Für bestimmte Importe aus Kanada und Mexiko werden ebenfalls Strafabgaben fällig – es gibt aber bestimmte Ausnahmen.
An all diesen spezifischen Zöllen ändert sich nun wohl erst einmal nichts – die neuen Zollregelungen finden hier den Angaben nach keine Anwendung. Ein hochrangiger Regierungsvertreter machte auch deutlich, dass Trump bald sogar noch weitere spezifische Strafmaßnahmen für bestimmte Produktgruppen verhängen könnte – egal aus welchem Land sie kommen. Explizit nannte er dabei: Halbleiter, Arzneimittel und kritische Mineralien.
Wie reagiert die EU?
Die EU bereitet Gegenmaßnahmen vor, bleibt aber gesprächsbereit. „Wir finalisieren bereits das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern“, sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zugleich betont die deutsche Spitzenpolitikerin, es sei noch nicht zu spät für Verhandlungen und appelliert an die US-Seite, sich auf Gespräche einzulassen. Ziel müsse es sein, Handelshemmnisse abzubauen und nicht, sie zu erhöhen.
Geplante Gegenmaßnahmen
Details nannte von der Leyen zunächst nicht. Nach Angaben aus Kommissionskreisen würden sie aber unter anderem die Einführung weitreichender Gegenzölle beinhalten. Zudem werden Abgaben auf digitale Dienstleistungen von US-Unternehmen in der EU erwogen. Sie könnten die Plattform X von Trump-Unterstützer Elon Musk und Firmen wie Google, Amazon oder Netflix treffen.
Bereits angekündigt ist, dass Mitte April die derzeit ausgesetzten Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter wieder eingeführt werden. Dies ist aber die Reaktion auf die US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die bereits in Kraft getreten sind.
Welche Angebote könnte die EU in Verhandlungen machen?
Neben Zollsenkungen auf Waren wie US-Autos gelten neue Abkommen als Option. Nach Einschätzung der EU-Kommission könnten die Europäische Union und Trump etwa einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) schließen. „Wir bekommen immer noch viel LNG aus Russland, warum also nicht stattdessen amerikanisches LNG einsetzen, das günstiger für uns ist und unsere Energiepreise senkt“, sagte von der Leyen bereits im vergangenen Jahr. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den USA zu importieren.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Das ist unklar. In seiner ersten Amtszeit ließ sich Trump durch einen Deal zur Förderung der EU-Importe von US-Produkten wie Soja, Rindfleisch und Flüssiggas davon abhalten, den bereits damals bestehenden Handelskonflikt weiter zu eskalieren. Für die Verhandlungen war damals Jean-Claude Juncker zuständig, der seitdem den Ruf hat, ein „Trump-Flüsterer“ zu sein.
Der Deutschen Presse-Agentur sagte er vor wenigen Monaten in einem Gespräch: „Man sollte Trump mit Respekt begegnen und das ernst nehmen, was er sagt und mit ihm in der Substanz Verhandlungen führen.“ Trump sei „nicht der Mann, der große Verträge schließt – er hätte gerne einen Deal“. Also müsse man ihm etwas anbieten, was ihm erlaube, „innenpolitisch über die Hügel und Berge zu kommen“.