Von Coca Cola solange bis Wiener Schnitzel: Zehn Fakten droben dasjenige Originalrezept
A
wie Amerikaner
Wer hat’s erfunden? Erstaunlich oft lautet in der Küche die Antwort: die Yankees. Gut, vielleicht nicht erfunden, aber beeinflusst. Denn: Wo Soldaten, da auch eigenes Essen. Und so hinterließen die GIs im Laufe des 20. Jahrhunderts ihre kulinarischen Fußspuren auf der Welt. Los geht es 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg: Auf Kuba – oh, the irony! – schütten US-Soldaten, die den Unabhängigkeitskampf der Insel unterstützen, den lokalen Rum in ihre mitgebrachte Cola und stoßen an: ¡Por la Cuba libre! Rund 50 Jahre später schmuggeln südkoreanische Händler Spam-Dosen aus den Stützpunkten der US-Streitkräfte, deren Inhalt in einem Gericht landet, das heute den Namen Budae-jjigae – Armeebasis-Eintopf – trägt. Besonders schmerzhaft für den Nationalstolz vor Ort: Die Pasta Carbonara hat nichts mit den namensgebenden Köhlern zu tun, aber viel mit den Bacon- und Eipulver-Rationen der US-Truppen, die 1944 Rom einnahmen. Immerhin: Selten hat Weltmacht so lecker geschmeckt. Leander F. Badura
C
wie Curry
Ausgehend vom indischen Subkontinent findet sich heute nahezu überall eine Variante des Currys. Die im UK kreierte Spielart Chicken Tikka Masala gilt dort gar als Nationalgericht. Bei Ausgrabungen in Indien gefundene Senf-, Fenchel-, Kurkuma- und Kumin-Reste verweisen auf eine Art Ur-Curry (→ Uwe Timm). Weitere Zutaten sind oft Ingwer, Knoblauch und das Curryblatt. Jedoch werden so viele Soßen, Pulver und Pasten als Curry bezeichnet, dass für Laien die Kriterien kaum erkennbar sind. Einigkeit besteht international lediglich darüber, dass es sich beim gelben Kurkumapulver im hiesigen Gewürzregal nicht um Curry handelt. Etymologisch wurzelt der Begriff im tamilischen „kari“ für eine Soße oder Würzmischung zum Verzehr mit Reis. Danach wäre zumindest die Currywurst Mitglied der Curry-Familie, sofern dazu Reis gereicht wird. Daniel Schüssele
F
wie Frei Schnauze
Als ich dem Elternhaus studierend entfleucht auf die großartige Idee kam, die unübertroffenen fränkischen Knödel meiner Mutter für meine Berliner Freunde nachzukochen, rief ich sie an. „Ich schick’ dir das Rezept“, sagte sie. Es kam einige Tage später, handgeschrieben, samt Kartoffelreibe und Stäbchen zum Schwefeln der rohen Kartoffeln. Darunter hatte meine Mutter geschrieben: „Jahrelang hättest Du Zeit gehabt, mir zuzuschauen, ich kann es nur ungefähr aufschreiben, inzwischen hätte ich schon Knödel kochen können!“ Ich kochte nach, es war okay, aber längst nicht so wie bei ihr, die seit 65 Jahren die Knödel kocht, für die alle sie lieben, die sie je serviert bekommen haben. Selbstverständlich geht sie dabei frei Schnauze vor, die Erfahrung zählt. Auch meine Knödel sind seitdem besser geworden, dank ihres Originalrezepts, das eben keines ist, eher ein ruppig-zärtlicher Gruß an die Tochter, die einst Besseres zu tun zu haben glaubte, als mit ihrer Mutter am Herd zu stehen. Beate Tröger
G
wie Großmutter
Die Großmutter aller deutschen Kochshows lief von 1982 an in Süddeutschland im dritten Programm der ARD. Als Kind schaute ich sie regelmäßig mit meiner Oma, meine Eltern verstanden nicht so recht, was reizvoll daran sein sollte, einem grauhaarigen Paar beim Rühren einer Mehlschwitze zuzusehen. Aber so betulich Was die Großmutter noch wusste auch war, so modern war eigentlich die Rollenverteilung: Kathrin Rüegg – die Großmutter – kannte alle Rezepte (→ Frei Schnauze), ihr Sidekick Werner O. Feißt lieferte dazu Anekdoten und Kulturgeschichtliches, aber statt nur in der Küche rumzustehen und zu palavern, schnippelte, knetete oder rieb er ständig Zutaten. Ob Feißt, Erfinder und Autor der Serie, den Ehemann oder Hausfreund darstellen sollte, oder was für ein Verhältnis das nun war, erschloss sich mir allerdings nie. Christine Käppeler
K
wie Kalter Hund
Man lasse sich nicht täuschen von der freundlichen Oma auf der Verpackung. Auch wenn sie eine weiße Schürze trägt, sie hat die Kekstorte nicht gebacken, die bei Kaufland, Rewe oder auch online zu kaufen ist. Indes wurde selbst schon das Original von einer Firma inspiriert. Von Bahlsen kam in den 1920ern das Rezept für einen „Schokoladenkuchen aus Leibniz-Keks“. Hund? Die Kastenform, heißt es, habe an die Grubenhunte im Bergbau erinnert. Egal. Entscheidend ist, was zwischen die Kekse kommt (→ Wiener Schnitzel). Kuvertüre, wie man es heute meist macht? Ein echter Kalter Hund braucht die schmelzende Konsistenz, die durch Kokosfett entsteht (mit Kokosöl gelingt es nicht). Auf kleiner Flamme zergehen lassen, mit Kakao und Staubzucker verrühren und mindestens zwei rohe Eier hinzugeben (im treuen Glauben, dass sie ohne Salmonellen sind). Man kann den „Hund“ mit Kaffeepulver oder Rum abschmecken. Ich werde Kokosfett mal mit Kokosflocken mischen. Stelle ich mir köstlich vor. Irmtraud Gutschke
P
wie Pasta
Ein britischer Journalist hat mal halbwegs erfolgreich versucht, acht Gerichte aus der Serie The Bear nachzukochen. Das war nach Staffel 2, Carmy Berzatto, abtrünniger Nachwuchsstar der Haubenküche, hatte da schon den Sandwichshop seines verstorbenen Bruders Mikey übernommen und ihn mit den Methoden der Spitzengastronomie zu einem Restaurant nach seinen Vorstellungen hochgekocht. Jetzt läuft Staffel 3, das Restaurant will einen Stern, und was da mit Pinzetten auf den Tellern drapiert wird, ist nichts für zu Hause. Was aber immer gelingt: das Familienrezept der Berzattos für Pastasoße. (Einfach im Netz zu finden.) In der Serie gelangt es zu Ruhm, weil es zu den Tomatendosen führt, in denen das Geld steckt, das der Laden an der Steuer und dem kreditgebenden Onkel Jimmy vorbei abgeworfen hat. Ein echtes Erfolgsrezept. Christine Käppeler
T
wie Thüringen
Im Jahr 2006 ging es erinnerungspolitisch um die Wurst. Damals wurde das Deutsche Bratwurstmuseum in Thüringen eingeweiht und im Kampf um die Geburtsstunde der Fleischpreziose in Deutschland, dem Reich der Brüh- und Bratwürste, ein entscheidender Sieg errungen. Das Bundesland zankte sich damals mit Bayern darüber, wo die Wurst erfunden wurde. Die Bratwurst nämlich tauchte vor Aufzeichnungen über die Nürnberger Würstchen in einer Arnstädter Klosterrechnung auf. Die Rostbratwurst ist das Faust-Food per se und das seit mehr als 620 Jahren: Das aus zerhacktem Schweinefleisch bestehende und gut gewürzte Objekt vieler Begierden (→ Zaubertrank) wurde 1404 erstmals urkundlich erwähnt. Die beiden Freistaaten stritten noch um ein anderes Rezept: das erste Reinheitgebot fürs Bierbrauen. Diese Bezeichnung gibt es erst seit 100 Jahren, aber eine Brauordnung aus Weißensee schreibt schon Mitte des 15. Jahrhunderts vor, nur Wasser, Malz und Hopfen zu verwenden. Und ist damit etwas älter als eine Münchner Verordnung. 2:0 für Thüringen.Tobias Prüwer
U
wie Uwe Timm
Wer ahnt schon, dass die Currysoße so zustande kam. In seiner Novelle Die Entdeckung der Currywurst erzählt Uwe Timm die wahre Geschichte. Sie handelt von Lena aus einer Hamburger Großküche und vom Soldaten Hermann, den Großdeutschland noch verheizen will. Beide begegnen sich im April 1945. Wegen eines Luftalarms wird aus dem Kinobesuch eine Liebesnacht. Hermann bleibt auf Lenas „Matratzeninsel“. Der Deserteur und sein Schutzengel sind Todgeweihte. Ihrer Liebe kann das nichts anhaben. Als der Krieg vorbei ist, verschweigt Lena den Frieden, um Hermann zu halten. Der geht ohne Abschied. Statt zu heulen, kümmert sich Lena ums Überleben, kauft auf dem Schwarzmarkt Ketchup, Curry und Safran, stürzt auf der Treppe, Glas splittert. Jetzt heult Lena doch und kostet den Matsch aus Tränen, Curry und mehr. Es ist vollbracht. Lutz Herden
W
wie Wiener Schnitzel
Auch beim Breitschlagen eines Fleischfetzens kann aus Fachperspektive einiges schiefgehen, um vom Panieren zu schweigen. Dennoch ist das Wiener Schnitzel ein einfaches Gericht (→ Pasta). Und dieser Umstand hat es – neben der frühen Kanonisierung durch Bayerns ersten Kochbuch-Star Maria Anna Neudecker im Jahre 1831 – zum Synonym für Österreichs Küche schlechthin erhoben. Da kann es nicht verwundern, dass es im Zeitalter maximaler Polemik um minimale Fragen immer wieder in den Fokus gerät: Will uns der Islam doch das Schnitzel stehlen! Denkwürdig reagierte FPÖ-Bundesobmann Maximilian Krauss 2020 mit einem Schnitzel-Post auf die vermeintliche Nachricht, zwei Kitas in Leipzig (!) hätten Schweinefleisch verboten. Dass er im Eifer zum Stockfoto eines panierten Tiefkühl-Fischfilets gegriffen hatte, ist dabei geschenkt. Bezeichnend für die Heimatfrontler, denen dieser Beitrag aus dem Herzen sprach, ist schon die Idee, ein Wiener Schnitzel bestehe aus Schweine- und nicht aus Kalbfleisch. Man schlage im Zweifel bei Neudecker nach. Velten Schäfer
Z
wie Zaubertrank
Als Coca-Cola 1886 in den USA (→ Amerikaner) auf den Markt kam, wurde es als Medizinsirup verkauft. Dank der namensgebenden Extrakte aus Kokablatt und Kolanuss sollten mit dem Zaubertrank Kopfschmerzen, Impotenz und Depressionen behandelt werden. Der Sirup wurde mit Sodawasser aufgespritzt und richtete sich primär an Geschäftsmänner und Schreibtischarbeiter. Das „Originalrezept“ befindet sich seit 2011 in einem Stahltresor in der konzerneigenen World of Coca-Cola in Atlanta. Zuvor lag es 80 Jahre bei einer Bank unter Verschluss. Es ranken sich viele Mythen darum, zum Beispiel, dass nur zwei Menschen dieses Rezept kennen und diese auch nie zusammen fliegen dürfen. Andere sagen, dass es dieses Originalrezept gar nicht gibt und alles nur ein Marketing-Gag sei. Denn Marketing hat Coca-Cola ja erfunden. Ji-Hun Kim