Vom „Blexit“ solange bis zu Charlie-Kirk-Mordtheorien: Candace Owens ist jener neue MAGA-Megastar

Wer ist die Nummer 1 im US-amerikanischen Medienmarkt? Die Antwort lautet neuerdings: „Candace“. Anfang November schrieben die Analysten von Podscribe der Sendung der afroamerikanischen Podcasterin Candace Owens 3,6 Millionen Downloads und Views pro Episode zu. Demgegenüber landete Fox News zur besten Sendezeit bei 2,54 Millionen Zuschauern täglich, MSNBC bei lediglich 810.000 und CNN stürzte auf 543.000 ab.

Die Popularität der 1989 in White Plaines im US-Bundesstaat New York geborenen Candace Amber Owens nahm ihren Anfang während Donald Trumps erster Amtszeit. Eine junge schwarze Frau, die den Feminismus und die Bewegung Black Lives Matter attackierte, die unter dem Schlagwort „Blexit“ für einen Bruch der Afroamerikaner mit der Demokratischen Partei warb, hatte für die Trump-Leute einen kaum zu überbietenden Gebrauchswert.

So ließ der Präsident selbst im Mai 2018 auf Twitter wissen, Candace Owens „habe eine große Wirkung auf die Politik in unserem Land“. Sie repräsentiere „eine wachsende Gruppe sehr kluger Denker“ und es sei „wundervoll“, ihr zuzusehen: „So good for our Country!“

Früher stellte sich Candace Owens gegen Donald Trump

Owens Haltung gegenüber Trump ist allerdings reich an Wendungen. Noch 2016 lehnte Owens, die zuvor ein Studium der Journalistik abgebrochen und ein Praktikum bei der Vogue absolviert hatte, die rechtspopulistische Tea-Party-Bewegung scharf ab. Ein Blog, dessen Chefin sie damals war, beschäftigte sich zudem mit der Größe von Donald Trumps Penis. Auf wenig nachvollziehbaren investigativen Wegen kam man zum Ergebnis, das Trumpsche Gemächt sei „höchstwahrscheinlich sehr klein“. Die öffentliche Beschäftigung mit anderer Leute Genitalien wird sich durch Owens weiteres Wirken ziehen …

Dass Candace Owens wenig später und „quasi über Nacht“, wie sie selbst berichtet, zu einer „Konservativen“ wurde, ereignete sich im Gefolge eines Webseitenprojekts namens „Social Autopsy“. Die Seite sollte sich nach ihren Angaben gegen digitales Mobbing wenden, geriet aber vielfach in die Kritik, selbst ein verantwortungsloser Online-Pranger zu sein.

Zu Owens Verteidigung sprangen ihr einige junge aufstrebende Rechte bei. So etwa Mike Cernovich, der mit seiner Kampagne über einen angeblichen „Genozid“ an Weißen in Südafrika Furore gemacht hatte – oder der damals offen homosexuelle Milo Yiannopoulos, Kommentator für Breitbart News, damals unter der Leitung von Trumps Chefstrategen Steve Bannon.

Für Charlie Kirk war die Empörung über Candace Owens Webseitenprojekt kein Hindernis, sie 2017 als „Kommunikationsdirektorin“ seiner konservativen Mobilisierungsmaschine „Turning Point USA“ einzustellen. Hatte Turning Point selbst doch ein Jahr zuvor eine „Professor Watchlist“ ins Leben gerufen, um Lehrende öffentlich zu machen, „die konservative Studenten diskriminieren, anti-amerikanische Werte fördern und linke Propaganda im Klassenzimmer verbreiten“.

Die junge rechtskonservative Afroamerikanerin und der noch jüngere weiße, evangelikale Agitator absolvierten fortan gemeinsame „Campus-Tours“. In den kommenden Jahren stiegen Kirk und Owens wie ein Tandem auf.

Was Candace Owens‘ in Großbritannien über Adolf Hitler sagte

Auf einer gemeinsamen Reise mit Kirk nach Großbritannien lernte Owens ihren jetzigen Mann, Georg Farmer, kennen. Der leitete Turning Point UK und hatte zuvor in Oxford Theologie studiert. Sein Vater ist Mitglied im britischen Oberhaus. Georg Farmers Vermögen wird derzeit auf 150 Millionen Pfund geschätzt.

Diese Reise zeitigte zunächst unerfreuliche Folgen für Candace Owens. Bei einer Veranstaltung hatte sie geäußert, hätte Adolf Hitler sich darauf beschränkt, lediglich Deutschland „great again“ zu machen, wäre das ja noch irgendwie in Ordnung gewesen. Hitler aber habe seine Vorstellungen „globalisieren“ wollen. Nachdem der demokratische Kongressabgeordnete Ted Lieu im Rahmen einer Anhörung über „Weißen Nationalismus und Hasskriminalität“ einen 30-sekündigen Auszug dieses Statements abspielte, fand sich die vermeintlich „Hitler Loving Candace“ im Zentrum eines epischen Shitstorms wieder.

Auch jüdisch-amerikanische Gruppen und israelische Medien attackierten Owens – doch es kam zu einer überraschenden Wendung. Sie heuerte nämlich bei „PragerU“ an: Dessen Namensgeber, der greise Talkradio-Star Dennis Prager, gilt als „der jüdische Billy Graham“ und ist für anti-muslimische Ausfälle ebenso berüchtigt wie für die Verharmlosung des Sklavenhandels. Ein PragerU-Video über die israelische Armee mit dem Titel „Die moralischste Armee der Welt“ wurde 2021 von Benjamin Netanjahu retweetet.

„White Lives Matter“: Mit Kanye West auf Modenschau in Paris

Da ging es für Candace Owens aber bereits weiter zu The Daily Wire von Ben Shapiro, einem rechten Medienkonzern mit 100 Millionen Dollar Umsatz, 150 Mitarbeitern und mehr als einer Million bezahlter Abonnements. Die Show Candace erwies sich als Quotenbringer, denn die Moderatorin zeigte sich hochintelligent, sprachgewandt, witzig – und bewies Sinn für öffentlichkeitswirksame Provokationen. So trug Owens 2022 bei einer Modenschau in Paris gemeinsam mit dem schwarzen Rapper und Musikproduzenten Kanye West T-Shirts mit der Aufschrift „White Lives Matter“.

Kurzum: Candace Owens war Liebling der MAGA-Bewegung, Superstar der rechten, digitalen Publizistik, und tat das Ihre, die Wiederwahl Donald Trumps 2024 zu befördern.

Israel, Jeffrey Epstein, Charlie Kirk: Der große MAGA-Bruch

Dann der 5. August 2025: Candace Owens und Milo Yiannopoulos – der ein Kreuz um den Hals trägt, nicht mehr schwul sein möchte und von seiner „Heilung“ durch Gott salbadert – sitzen ganz in Schwarz gekleidet im Studio. Im Vorschaubild ist zu lesen: „MAGA Funeral“ – die MAGA-Beerdigung! Der Titel des Videos lautet: „Was weiß Israel über Donald Trump?“

Tatsächlich ging dem Aufstieg von Candace zum Podcast Nummer 1 ein multipler Bruch voraus. Zunächst kam der Rausschmiss bei The Daily Wire. Denn während Ben Shapiro zu den extremsten Verteidigern Israels in den USA gehört, geißelte Owens den „Genozid“ an den Palästinensern, übte Selbstkritik ob früherer Äußerungen gegen Muslime und lud den Historiker Norman Finkelstein, den vielleicht radikalsten jüdischen Kritiker des Zionismus, in ihre Sendung ein.

Anschließend brach Owens kompromisslos mit Donald Trump. Sie lehnte sein Eingreifen in den Zwölftagekrieg gegen den Iran ebenso ab, wie überhaupt seine Unterstützung Israels. Sie attackierte ihn wegen seiner Vertuschungstaktik rund um Jeffrey Epstein. Die Spaltung in „links gegen rechts“ hält Owens inzwischen für ein Ablenkungsmanöver der wirklichen Machthaber.

Für explodierende Zugriffszahlen sorgte nach dem Relaunch von Candace unter eigener Regie allerdings die Serie Becoming Brigitte. „Unter Einsatz meiner gesamten Glaubwürdigkeit als Journalistin“, wie sie sagte, trat Owens an, zu beweisen, dass Brigitte Macron, die Frau des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, in Wahrheit der umoperierte eigene Bruder, Jean-Michel Trogneux, ist.

Auffällig sind die Parallelen zu einer früheren Internet-Kampagne, wonach Michelle Obama ebenfalls ein umoperierter Mann und Barack Obama schwul sein soll. Da die Macrons neben französischen Proponenten der These auch Candace Owens wegen Verleumdung verklagt haben, sollte die Sache demnächst juristisch geklärt sein. Fest steht bereits das Urteil von Millionen Medienkonsumenten: Denn eben diese „Transvestigation“ hat den Podcast Candace weit nach vorn katapultiert.

Wer tötete Charlie Kirk? Die Zweifel an der Täterschaft Tyler Robinsons und die Theorien über die Hintergründe der Tat werden immer wilder

Dann kam der 10. September 2025. Seit Charlie Kirk, Owens brüderlicher Freund, auf offener Bühne erschossen wurde, gibt es für sie nur noch ein einziges Thema: die Aufklärung des Mordes.

Aber ist der Täter, der 22-jährige Tyler Robinson, nicht längst gefasst worden? Owens steht mit ihren Zweifeln an jener Version des Tathergangs, die FBI-Chef Kash Patel – selbst ein ehemaliger rechter Podcaster – in wenig kohärenter Weise präsentiert hat, nicht allein.

So soll Kirk mit einer Kugel vom Kaliber 30-06 erschossen worden sein, was im Dezimalsystem 7,62 × 63mm entspricht. Das Projektil blieb nach der offiziellen Darstellung in Kirks Genick stecken – eine Austrittswunde gab es nicht. Ein Sprecher von Turning Point machte daraus die rührende Messiasgeschichte, Kirk habe offenbar über „Knochen aus Stahl“ verfügt und „einem Wunder gleich“ noch durch seinen Opfertod verhindert, dass hinter ihm stehende Menschen zu Schaden gekommen seien. Jäger, Veteranen und Ballistikexperten halten das bei der immensen Durchschlagkraft dieses Kalibers für ausgemachten Unsinn.

Schockwellen schickte Owens durch den digitalen Äther, als sie Chatprotokolle von Kirk veröffentlichte. Diese bestätigten die Recherchen des Magazins The Grayzone von Max Blumenthal. Danach ist Kirk in seinen letzten Lebensmonaten unter enormen Druck geraten, weil er Podcastern wie Tucker Carlson und Dave Smith eine prominente Bühne für ihre radikale Kritik an der Israelunterstützung der USA gegeben hatte. In besagtem Chat kann man nun lesen, wie der zuvor stets ätzend anti-muslimische und radikal pro-israelische Kirk vom Abspringen „eines weiteren jüdischen Großspenders“ berichtet. Dann, keine 48 Stunden vor dem Attentat in Utah, schreibt Kirk: „Die lassen mir keine andere Wahl, als die israelische Sache aufzugeben.“

Israelische Handys, ägyptische Militärmaschinen – und Merchandising-Artikel, mit denen Candace Owens viel Geld verdienen kann

Die Echtheit dieses Chats haben Kirks Erben bei Turning Point inzwischen bestätigt. Die Schlussfolgerung, dass Israel hinter dem Mord an Kirk stehe, zieht bisher auch Candace Owens nicht. Sie legt das allerdings in mehr als einer Formulierung deutlich nahe. Für ihre „Breaking News“, wonach am Tatort des Attentats zwölf israelische Mobiltelefone geortet worden seien, blieb sie Beweise bisher schuldig. Stattdessen beißt sie sich an Nachforschungen über zwei ägyptische Militärmaschinen am Privatflughafen Provo fest, 15 Autominuten entfernt vom Tatort, der Utah Valley Universität.

Ob die Ermittlungen dieser „Candace Intelligence Agency“ – so ist es auf ihren Merchandiseartikeln zu lesen – demnächst Owens „gesamte journalistische Glaubwürdigkeit“ final belegen oder aber zur Implosion bringen werden, wissen wir noch nicht. Immerhin verfolgen ihre Mordermittlungen mehrmals die Woche viele Millionen Zuschauer – und machten Candace so zur Nummer 1.

Florian Kirner ist Autor, Veranstalter und Liedermacher.