Volkswagen zieht sich aus Uiguren-Region Xinjiang zurück
Nach langer Kritik von Investoren und Menschenrechtsorganisationen zieht sich der Volkswagen-Konzern aus der Uiguren-Region Xinjiang zurück. Wie VW am Mittwoch mitteilte, wird das umstrittene Werk in der Provinzhauptstadt Urumqi an ein chinesisches Unternehmen verkauft. Das gleiche Unternehmen, SMVIC aus Schanghai, übernimmt auch die Teststrecke in Xinjiang, bei deren Bau möglicherweise Zwangsarbeiter zum Einsatz kamen.
Bislang war der VW-Konzern an beiden Standorten beteiligt, zusammen mit dem Partner SAIC, mit dem die Wolfsburger seit vielen Jahren in China zusammenarbeiten. Nach Angaben von VW wird nun der Vertrag für das landesweite Gemeinschaftsunternehmen mit SAIC bis zum Jahr 2040 verlängert. Im Zuge der Gespräche um die Verlängerung sei es auch gelungen, eine Einigung über die Standorte in Xinjiang zu erzielen.
Unter dem Dach des Joint Verntures mit SAIC sei nun eine neue Produktoffensive vom Jahr 2026 an geplant. Bis Ende der Dekade sollen demnach 18 neue Modelle der Kernmarke VW und Audi auf den Markt kommen. Davon seien 15 exklusiv für den chinesischen Markt. Bis 2030 will der VW-Konzern jährlich vier Millionen Autos verkaufen und so einen Marktanteil von 15 Prozent in China erreichen. Zwischen dem Rückzug aus Xinjiang, der vor wenigen Tagen besiegelt worden sei, und der Vertragsverlängerung bestehe kein Zusammenhang, hieß es bei VW.
Standort in Xinjiang seit 2012
Um die Standorte war seit langem gerungen worden, denn in der Region unterdrückt China die Minderheit der Uiguren. Der Chemiekonzern BASF hatte schon im Februar mitgeteilt, die Anteile an zwei Gemeinschaftsunternehmen in Xinjiang zu verkaufen. Das hatte den Druck auf VW erhöht, ebenfalls über einen Rückzug zu verhandeln. Die Umstände galten als schwierig, weil zu erwarten war, dass China äußerst empfindlich darauf reagieren würde.
Man verkaufe die Standorte allein aus “wirtschaftlichen Gründen“, heißt es jetzt von VW, eine Formulierung, die ganz offensichtlich als gesichtswahrende Lösung für die Volksrepublik gedacht ist. Der Standort in Urumqi hat schon länger keine Autos mehr produziert. Vielmehr nahmen die zuletzt rund 170 Beschäftigten des Werks lediglich Fahrzeuge in Betrieb, die aus anderen Fabriken angeliefert wurden. Die Weiterbeschäftigung aller Mitarbeiter, darunter 40 Angehörige von Minderheiten wie den Uiguren, sei auch unter dem Dach des neuen Eigners gesichert, wird betont.
VW ist seit den 1980er Jahren in China aktiv und verkauft dort vier von zehn seiner Autos. Im Jahr 2012, als der Konzern mit seinen chinesischen Partnern mehrere neue Werke eröffnen wollte, hatte die damalige Führung um Ex-Chef Martin Winterkorn auch eingewilligt, einen Standort in Xinjiang aufzumachen, tief im schwach entwickelten Westen Chinas an der Grenze zu Ländern wie Indien, Kasachstan und der Mongolei. Kurz darauf begann die Kommunistische Partei, eine immer härtere Gangart gegen die Uiguren einzuschlagen, eine muslimische Minderheit. Seither sind schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die VW in Erklärungsnot gebracht haben. Schließlich ist der Wolfsburger Konzern der einzige globale Hersteller mit einer eigenen Fabrik in Xinjiang, auch wenn diese nur klein ist.
Ende vergangenen Jahres hatte der Konzern dann ein Audit durch die Prüfgesellschaft Human Rights & Responsible Business angestoßen, ein Unternehmen, hinter dem der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung steht, Markus Löning (FDP). VW hatte damit vor allem den Kapitalmarkt im Blick, der verstärkt auf die Kriterien Umwelt, Soziales und Governance (ESG) achtet. So hofften die Wolfsburger, dass MSCI einen Warnhinweis entfernt, mit dem der US-Finanzdienstleister seit einem Jahr sein ESG-Rating von VW wegen Verbindungen nach Xinjiang versah. Seither konnten etliche Fonds keine Wertpapiere von VW mehr kaufen.
Der Bericht bescheinigte VW tatsächlich, dass es keine Anzeichen für Menschenrechtsverletzungen im Werk gibt. MSCI milderte sein „Red Flag“ auf die nächsttiefere Stufe ab, einen gelben Warnhinweis, entfernte ihn aber nicht ganz. Kurz darauf wurde dann bekannt, dass beim Bau der Teststrecke in der Region möglicherweise Zwangsarbeiter zum Einsatz kamen. Stück für Stück verbreitete sich außerdem die Auffassung, dass der Prüfbericht zum Werk in Urumqi möglicherweise Mängel aufweist, zumindest aber unter fragwürdigen Bedingungen zustandekam. Im Februar dieses Jahres hatte VW erstmals durchblicken lassen, einen kompletten Rückzug aus der Region zu prüfen.