Versicherte in Sorge: Bayerischer Versorgungskammer drohen empfindliche Verluste

Noch immer ist nicht absehbar, wie hoch die Verluste der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) mit Immobilienanlagen in den Vereinigten Staaten ausfallen werden. Fest steht allerdings, dass die im Geschäftsjahr 2024 vorgenommenen Wertberichtigungen in Höhe von 163 Millionen Euro nicht ausreichen werden. Ein Sprecher der BVK antwortete auf Anfrage der F.A.Z.: „Weitere Wertberichtigungen auf Ebene des Zielfonds können zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.“
Die BVK ist mit Kapitalanlagen von 117 Milliarden Euro und 2,7 Millionen Versicherten eine der größten öffentlichen Pensionskassen in Deutschland. Sie wird als sogenannte Oberbehörde vom bayerischen Innenministerium beaufsichtigt. Das Ministerium überwacht die Versorgungskammer allerdings nur hinsichtlich der Einhaltung des geltenden Rechts und der aufsichtsrechtlichen Vorgaben. In der Kapitalanlage kann die BVK unabhängig von staatlichen Weisungen agieren.
Bayerischer Landtag beschäftigt sich mit den Geschäften
Trotzdem sind die Verluste mit US-Immobilien längst im Bayerischen Landtag angekommen und Gegenstand von geheimen Sitzungen. Denn der BVK können Verluste von bis zu 700 Millionen Euro drohen, wie die in dieser Causa gut informierte „Abendzeitung“ jüngst berichtete. Die kritischen Immobilienanlagen sollen sich der Münchner Boulevardzeitung zufolge auf 1,6 Milliarden Euro belaufen. Sie sind deshalb kritisch, weil sie in Immobilien geflossen sind, die mit dem amerikanischen Entwickler Michael Shvo verbunden sind. Der gilt als umstritten – spätestens seit er im Jahr 2018 wegen Steuerbetrugs verurteilt worden war. Die BVK hat über die Münchner Investmentgesellschaft Deutsche Finance in Immobilien in attraktiven Lagen an Standorten wie Miami oder New York investiert.
Einen direkten Kontakt mit Shvo schließt sie aus: „Die Bayerische Versorgungskammer steht in keiner direkten vertraglichen Beziehung zu Herrn Shvo“, sagte ihr Sprecher. Die Investitionen der BVK in die betreffenden Immobilien erfolgten indirekt und unter Beachtung der geltenden aufsichtsrechtlichen und investmentrechtlichen Bestimmungen. Trotzdem hat es bei der BVK schon personelle Konsequenzen wegen Compliance-Verstößen gegeben, die BVK-Chef Axel Uttenreuther in einem Interview mit der „Welt“ auf ein „nicht angemessenes Näheverhältnis“ zurückführte. Das „Näheverhältnis“ bezieht sich wohl auf Kontakte zu Shvo. Ihren Hut mussten zwei Führungskräfte aus dem Bereich Immobilienanlagen nehmen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Personelle Konsequenzen
Die Compliance-Verstöße sind nach Angaben der BVK in einer internen Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei festgestellt worden. Dem BVK-Sprecher zufolge wurden in einem Fall personelle Konsequenzen gezogen, und es wurde proaktiv die Staatsanwaltschaft München zur weiteren Prüfung einer strafrechtlichen Relevanz eingeschaltet. Soweit in der Thematik einzelner US-Immobilieninvestments Verstöße festgestellt würden, reagiere die BVK wie auch in anderen Fällen ebenso umgehend und entschieden.
Das dürfte auch deshalb notwendig sein, weil in den Vereinigten Staaten Rechtsrisiken aus der Verbindung zu Shvo drohen. Käufer und Mieter berufen sich in ihrer Klage vom 11. November auf den sogenannten „Rico-Act“, ein Bundesgesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Neben Shvo und seinen verschiedenen Vehikeln wurden auch die BVK sowie die Deutsche Finance angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, Shvo bei seinem Betrug geholfen zu haben.
Der BVK-Sprecher hält sich bedeckt: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die BVK aus Gründen der Vertraulichkeit und der Persönlichkeitsrechte darüber hinaus keine weiteren Angaben zu rechtlichen Fragen machen kann.“ Im Anschluss versichert er: „Gehen Sie aber davon aus, dass wir die relevanten Sachverhalte auch weiterhin gewissenhaft aufarbeiten. Unser bisheriges Vorgehen zeigt deutlich, dass der Vorstand sich für eine umfassende Aufarbeitung einsetzt.“
Mangelhafte Kommunikation
Die bisherige Kommunikation der Immobilienanlagen und Verluste spricht allerdings dagegen: Vor zwölf Monaten lag das Volumen noch bei 600 Millionen Euro, zwischenzeitlich wurde es auf 800 Millionen Euro nach oben korrigiert. Nun stehen nach der jüngsten Sitzung im Landtag 1,6 Milliarden Euro im Raum, die von der BVK bislang nicht dementiert wurden. Mit Kapitalanlagen von 117 Milliarden Euro kann die BVK durchaus Verluste von 700 Millionen Euro verkraften. Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte sie Nettoerträge aus Kapitalanlagen von 3,6 Milliarden Euro, entsprechend einer durchschnittlichen Nettoverzinsung von 3,4 Prozent. Ob das die bayerischen Ärzte, Apotheker, Architekten, Rechtsanwälte und Steuerberater, Ingenieure, Psychotherapeuten oder Kaminkehrer nach den jüngsten Berichten beruhigt, ist zu bezweifeln. Die Anlagen für die Pensionen dieser Berufe verantwortet die BVK.
Einer der bei der Kammer Zwangsversicherten ist der Münchner Rechtsanwalt Peter Mattil, Fachmann für Bank- und Kapitalmarktrecht. „Die Hinhaltetaktik und Ausweichmanöver sind unerträglich“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. Er zahlt als Anwalt seit 30 Jahren dort ein. Ihn ärgert das Verhalten: „Die benehmen sich, als würde mich das nichts angehen und als wären die paar Hundert Millionen Peanuts.“ Mattil befürchtet, dass die BVK Regressansprüche verjähren lässt, zumindest antwortet sie nach seinen Angaben auf entsprechende Anfragen nicht. Er kündigt an, als Nächstes auf Auskunft und Offenlegung zu klagen, gegebenenfalls auch auf Schadenersatz.
Vorwurf der Salamitaktik
„Was bei der BVK passiert ist, hat mit einer diversifizierten Anlagestrategie nichts mehr zu tun“, antwortet Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag. „Geschäfte mit einem Partner zu betreiben, der in den USA wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, ist unverantwortlich.“ Seit über einem Jahr fordert Pargent von der Bayerischen Staatsregierung vollständige Informationen zu den Verlusten und den Geschäften in den USA. „Parlament und Versorgungsberechtigte bekommen alle Informationen nur häppchenweise. Diese Salamitaktik ist inakzeptabel“, kritisiert Pargent. Für ihn bleibt der Eindruck, dass das Innenministerium als Aufsichtsbehörde weggesehen oder nicht genau hingeschaut hat. „Gerade bei sensiblen Finanzfragen erwarte ich gute Kontrolle und transparente Kommunikation statt Stückwerk.“
Unterdessen bemüht sich die BVK, die Versicherten zu beruhigen: „Die Altersvorsorge unserer Versicherten war und ist sicher“, betont der Sprecher. Denn Verluste in einzelnen Immobilienfonds hätten in einem breit diversifizierten Kapitalanlageportfolio wie dem der Bayerischen Versorgungskammer keine Auswirkung auf die Versorgungszusagen für ihre Mitglieder, Versicherten und Leistungsempfänger.