„Verlust“ von Andreas Reckwitz: Was fehlt uns denn?

Sie ist wieder zurück, die nüchterne alte Tante Soziologie, auf deren intellektuelle Zukunft in der deutschen Öffentlichkeit noch vor zwanzig Jahren niemand gewettet hätte. Wer die Gegenwart nach 1989 oder nach 9/11 verstehen wollte, fragte damals lieber gründliche Historiker oder besorgte Philosophen. Selbst flinke Literaturwissenschaftler erschienen manchem plötzlich origineller, wenn es um die Gesellschaft ging. Folgerichtig entdeckte man in ihr jetzt ständig und überall große Erzählungen oder Narrative, offenbar jahrhundertelang übersehen und meist irgendwie verdächtig. Und über allem schwebten stolz die Lifesciences als neue Leitwissenschaften, schließlich hatten die ja gerade das menschliche Genom sequenziert.