Verkehrsminister Schnieder: „Das stimmt leider – zum Besten von neue Straßenprojekte fehlt dasjenige Geld“
Ja, das basiert auf wissenschaftlichen Berechnungen, die ich für seriös halte.
Heißt das, Sie verbreitern noch mehr Autobahnen und bauen neue?
Wir müssen in der Tat nicht nur in den Erhalt investieren, sondern auch weiter neu und ausbauen. An der Notwendigkeit der Projekte, die im Bundesverkehrswegeplan als vordringlich stehen und die wir in Ausbaugesetzen beschlossen haben, hat sich nichts geändert. Wir halten daran fest.
Verkehrswissenschaftler sagen, wer neue Straßen sät, wird noch mehr Verkehr ernten. Bestreiten Sie das?
Wir wollen den Verkehr flüssiger machen und Engpässe auflösen. Durch Ortsumgehungen und neue Autobahnen holen wir den Verkehr aus den Ortschaften heraus. Die Menschen dort warten seit Jahren darauf, von Lärm und Abgasen durch den Durchgangsverkehr entlastet zu werden.
Wollen Sie etwa den Güterverkehr verbieten? Wenn die Wirtschaft wächst, dann wächst auch der Verkehr, auf der Schiene, aber eben auch auf der Straße. Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen Sie die Wirtschaft herunterfahren. Aber das ist nicht mein Ansatz.
Das ist kein Naturgesetz. Man könnte Anreize für andere Logistikketten schaffen.
Im Personenverkehr versuchen wir ja, Verkehr zu entzerren, etwa durch Förderung von Radwegen und des Fußverkehrs.
Wenn Sie am Neu- und Ausbau von Straßen festhalten, brauchen Sie viel Geld. Das fehlt aber. Neue Projekte können Sie so gar nicht mehr beginnen.
Das stimmt leider. Für neue Straßenprojekte fehlt das Geld. Uns fehlen für die Bundesfernstraßen im Zeitraum 2026 bis 2029 rund 15 Milliarden Euro. Da gibt es noch Nachholbedarf in den laufenden Etatberatungen. Ich würde es begrüßen, wenn wir mehr Mittel für Neu- und Ausbau bekämen.
Richtet sich das an Finanzminister Klingbeil?
Wir haben verkehrliche Erfordernisse, die aus guten Gründen so festgelegt wurden. Wenn wir die so umsetzen wollen, dann müssen wir auch schauen, dass wir dafür ausreichend Geld bekommen.
Bei einem 500-Milliarden-Schuldentopf sollte das doch möglich sein.
Das Sondervermögen ist nur für den Erhalt der Straßen und Schienen und den Brückenneubau vorgesehen. Die Finanzierung dafür ist weitestgehend angemessen. Aber das ist nicht für Aus- und Neubau gedacht. Der wird aus dem normalen Verkehrshaushalt bezahlt.
Und der schrumpft deutlich. Ihre eigene CDU-Fraktion spricht von Verschiebebahnhof und rebelliert schon, dass trotz Sondervermögens der Zustand der Infrastruktur in vier Jahren nicht besser als heute sein wird. Das ist der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln.
Ja, das ist schwer zu vermitteln. Es wurden sogar Gelder für den Erhalt vom Verkehrshaushalt in das Sondervermögen verlagert. Und es ist auch nicht zu erklären, dass baureife Projekte, die wir jahrelang geplant haben, jetzt nicht gebaut werden können.

War das Verschieben in das Sondervermögen ein Fehler?
Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Wir haben entschieden, dass Erhalt von Straßen und Schienen vor Neubau geht und der über das Sondervermögen bezahlt werden soll. Diese Priorisierung ist ja auch dringend notwendig, schauen Sie sich den Zustand zum Beispiel der Brücken an, und deren Sanierung ist richtig teuer.
Für mehr Geld könnte auch eine Pkw-Maut sorgen. Wäre es nicht einen neuen Versuch wert? Gerade sind die Deutschen wieder aus dem Urlaub zurückgekommen und haben überall für die Autobahnen bezahlen müssen.
Wir planen nicht, darüber neu nachzudenken. Es wäre der Öffentlichkeit nicht zu erklären, die Autofahrer zusätzlich zu belasten, wenn wir über das Sondervermögen so viel Geld für die Infrastruktur bereitstellen.
Falls Sie doch noch Geld für den Ausbau bekommen, können die Autofahrer irgendwann mal von staufreien Autobahnen träumen? Hessen hatte mal das Projekt „staufreies Hessen“.
Durch Ausbau und Verkehrsleitsysteme können Sie schon viele Staus vermeiden, das passiert ja auch jetzt schon. Ganz vermeiden lässt sich das aber nicht, denken Sie nur an Unfälle oder Baustellen.
Manche Baustellen brauchen ewig, bis sie mal fertig werden. Oft sieht man kaum Bauarbeiter. Fehlt da das Geld oder das Personal?
Das täuscht auch manchmal. Manchmal muss zum Beispiel nach dem Betonieren einfach ein bisschen gewartet werden, bis das Material ausgehärtet ist. Da sieht man dann natürlich weniger Bauarbeiter. Manchmal geht auch mal was schief oder verzögern sich Ausschreibungen für die nächsten Bauschritte, weil etwa die Angebote der Baufirmen nicht akzeptabel sind. Und wenn es schnell gehen soll, verlangen die Firmen natürlich auch oft mehr Geld. Da muss man sich dann gut überlegen, ob man sich das leisten will.
Der Personalmangel ist doch auch ein großes Problem.
Ich glaube, dass wir mit dem Sondervermögen den Baufirmen einen Anreiz gegeben haben, Kapazitäten aufzubauen. Es garantiert eine Finanzierbarkeit für die nächsten zwölf Jahre. Wir werden daher genug Baukapazitäten haben, um das Geld zu verbauen.
Wann ist das Brückenproblem gelöst?
Wir haben uns vorgenommen, die wichtigsten 4000 Autobahnbrücken bis 2032 zu sanieren. Danach geht es natürlich weiter, aber die bösen Überraschungen wie zuletzt sollten 2032 vorbei sein. Etwa ein Drittel haben wir schon geschafft.
Ein Autoprojekt der Koalition ist auch die Förderung der Elektromobilität. Doch Sie haben die Stromsteuer nicht gesenkt und damit Strom nicht weiter verbilligt. Und die Kfz-Steuerbefreiung für private Elektroautokäufer kommt auch nicht.
Wir hoffen, dass sie 2027 realisiert wird. Außerdem wird Strom durch die Senkung der Netzentgelte günstiger. Wir haben zudem die Sonderabschreibung für Unternehmen beschlossen, die ein Elektroauto anschaffen. Wir konzentrieren uns außerdem auf die Schaffung neuer Ladepunkte, vor allem zur Schnellladung. Wir haben derzeit 170.000 Ladepunkte, da sind wir in Europa ganz weit vorne dabei, und dennoch wollen wir das weiter ausbauen. Das Gleiche gilt für schwere Nutzfahrzeuge. Bis 2030 erwarten wir, dass 70 Prozent der neu zugelassenen schweren Lkw elektrisch betrieben werden.
Reicht das, um mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen?
Natürlich wäre es gut, wenn der Strom noch billiger würde. Ich bin zuversichtlich, dass wir gute Rahmenbedingungen schaffen und vorankommen. Ich habe auf der Automobilmesse IAA beobachten können, dass die Autohersteller einen großen Schritt getan haben zu einem attraktiven Angebot an Elektroautos.
Wollen Sie am Verbrennerverbot festhalten?
Die Autohersteller stehen vor großen Herausforderungen. Wir wollen technologieoffen bleiben. Mehr Flexibilität täte uns bei der Erreichung der Klimaziele gut.
Wie könnte die aussehen?
Das muss man dann verhandeln. Aber es wäre schon wichtig, dass man sich das zunächst einmal eingesteht und dann auf europäischer Ebene nach Wegen sucht, wie man das hinkriegt.
Sollte man E-Fuels weiter fördern?
Das gehört zum Portfolio dazu. Wir wissen ja nicht, was da technologisch noch passiert. Die Wege muss man sich offenhalten. E-Fuels sind ja auch für andere Verkehrsmittel interessant, etwa den Flugverkehr.
Themenwechsel: Am Montag wollen Sie Ihre Reformvorschläge für die Bahn präsentieren. Haben Sie denn schon einen neuen Bahn-Chef gefunden?
Wir haben einen Kandidaten, aber es kann sein, dass wir ihn oder sie aus rechtlichen Gründen noch nicht präsentieren dürfen.
Es wird vermutet, dass es ein externer Kandidat sein wird und Sie auch den Vorstand verkleinern werden.
Dazu kann ich erst am Montag etwas sagen.
Sie werden sicher Maßnahmen für mehr Pünktlichkeit präsentieren. Ein Weg wäre, weniger Züge auf überlasteten Strecken fahren zu lassen, die dann aber dafür pünktlicher sind. Das hätte natürlich finanzielle Einbußen für die Bahn zur Folge. Würden Sie die Idee unterstützen?
Das hat die Bahn ja schon vorgeschlagen. Die Kunst wird sein, die Verkehre, die man braucht, auch fahren zu lassen und das trotzdem pünktlich. Das hat ja früher auch mal funktioniert.
Und vielleicht steigen auch noch die Fahrpreise im nächsten Jahr, weil die Trassenmaut steigt, die die Bahnunternehmen für die Nutzung der Schienen zahlen müssen. Werden Sie kurzfristig noch versuchen, höhere Trassenpreise zu verhindern?
Wir haben dazu gerade Maßnahmen beschlossen, die den Anstieg dämpfen, aber wir werden ihn nicht ganz verhindern. Es ist klar, dass wir eine Reform der Trassenpreisberechnung brauchen, und die soll möglichst schnell realisiert sein.
Teurer wird auch Stuttgart 21, der neue Stuttgarter Bahnknoten. Ein Gericht hat entschieden, dass die Bahn die milliardenschweren Mehrkosten allein tragen muss. Wird der Bund mit einer Sonderzahlung helfen?
Wir haben ganz klare vertragliche Regelungen, und danach ist der Beitrag des Bundes erbracht.
Sie schießen also kein Geld nach. Dann muss die Bahn das intern umschichten zulasten von anderen Baumaßnahmen. Das können Sie ja nicht wollen.
Wir schließen aber auch keine Verträge ab, die wir dann nachher nicht einhalten, indem wir mehr als vereinbart bezahlen. Und vor allem nicht für Projekte, die nicht unsere sind.
Sie haben gerade mit den Ländern einen Fortbestand des Deutschlandtickets bis 2030 vereinbart. Es hat bisher nur ganz wenige Autofahrer zum Umsteigen bewegt, aber Milliarden an Zuschüssen gekostet. Warum schaffen Sie das Ticket nicht ab oder streichen zumindest die Zuschüsse?
Wir haben uns jetzt gerade erst nach langem Ringen auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Fortführung des Deutschlandtickets geeinigt. Der Bund gibt dafür 1,5 Milliarden jährlich, und ich finde, das ist bei rund 14 Millionen Nutzern eine gute Investition. Zumal wir damit auch einen Beitrag zur Modernisierung des öffentlichen Personennahverkehrs leisten.
Wir haben jetzt viel über Auto und Bahn gesprochen. Was fahren Sie privat lieber?
Ich wohne in Arzfeld, einem kleinen Ort in der Eifel. Da stellt sich die Frage gar nicht: Da brauche ich ein Auto. Aber ich fahre auch gerne mit der Bahn.