Verkauf nachdem China: Leoni-Chef Rinnerberger verteidigt Übernehmen durch Luxshare

Der Nürnberger Bordnetz-Hersteller Leoni gewinnt mit dem Verkauf an die chinesische Luxshare nach Ansicht von Vorstandschef Klaus Rinnerberger mehr als einen neuen Geldgeber. „Ich bin überzeugt, dass die Partnerschaft mit Luxshare das Beste ist, was Leoni passieren kann“, sagte Rinnerberger der Nachrichtenagentur Reuters in Kitzingen in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Denn damit werde der Autozulieferer zu einem echten Systemanbieter für Kabelbäume. „Bisher mussten wir Stecker und sonstige Elektronikkomponenten immer zukaufen – doch dort liegen die höchsten Margen, und im Zukauf somit die höchsten Kosten“, sagte er. Die Bordnetz-Kunden hätten zu seiner Überraschung „ausnahmslos positiv auf Luxshare reagiert“.

Luxshare stellt Computer-Kabel her und produziert auch Teile für Apple, ist aber inzwischen auch als großer Lieferant für die Verkabelung von Autos aktiv. Mit dem neuen Partner wolle Leoni auch mit chinesischen Autobauern ins Geschäft kommen. In Europa sind die Franken die Nummer eins. „Aber der europäische Automarkt wird in den nächsten Jahren das geringste Wachstum aufweisen, das Wachstum wird sich vor allem in Asien abspielen“, glaubt der Vorstandschef.

Rinnerberger gilt als enger Vertrauter des österreichischen Unternehmers Stefan Pierer, der Leoni über ein StaRUG-Verfahren vor eineinhalb Jahren für 150 Millionen Euro komplett übernahm und vor der Insolvenz rettete. Das Unternehmen hatte sich mit einem aggressiven Wachstumskurs übernommen und ächzte unter einer Schuldenlast von 1,5 Milliarden Euro, die die Banken nach dem geplatzten Verkauf der Kabelsparte fällig stellten. Im September erklärte Leoni, Pierer wolle 50,1 Prozent an Luxshare verkaufen. Die profitable Kabelsparte mit rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz soll zu 100 Prozent an die Luxshare-Tochter Time Interconnect gehen.

„Kein Ausstieg von Stefan Pierer“

Der Leoni-Chef nahm den Investor gegen Vorwürfe in Schutz, er habe damit schnelles Geld gemacht. „Der Anteilsverkauf ist kein Ausstieg von Stefan Pierer“, betonte Rinnerberger. Die 320 Millionen Euro für die Kabelsparte flössen komplett an Leoni und dienten zum Schuldenabbau. „Und von den 205 Millionen Euro, die Luxshare für 50,1 Prozent an der AG zahlt, geht der Großteil an die Banken. Bei Pierer landet davon sehr wenig“, erläuterte er. Zudem übernimmt Time Interconnect 100 Millionen Euro Schulden. Die Banken hatten sich für den Verzicht auf die Hälfte der Kredite 45 Prozent aller Erlöse zusichern lassen, die aus Leoni herausfließen – ob als Dividende oder bei einem Anteilsverkauf.

Pierer wolle länger investiert bleiben, sagte Rinnerberger: „Das ist auf eine zukunftsgerichtete Partnerschaft von Pierer und Luxshare angelegt“, sagte der Leoni-Chef. Er selbst habe seinen zunächst nur auf ein Jahr angelegten Vertrag bis 2027 verlängert: „Ich habe immense Freude daran, dieses Unternehmen wieder auf Spur zu bringen.“

Erstes Ziel: Schwarze Null

Noch verdient Leoni aber kein Geld, weil die Autokonjunktur schwach ist. Rinnerberger sagt: „Deshalb haben wir unser laufendes Sanierungsprogramm erweitert. Wir nehmen in Kauf, dass uns die Rückstellungen dafür 2024 nochmal in die roten Zahlen drücken könnten.“ Der Umsatz werde um bis zu zehn Prozent auf rund fünf Milliarden Euro schrumpfen, operativ werde wohl eine schwarze Null zu Buche stehen. „2025 wollen wir auf jeden Fall besser abschneiden“, sagte Rinnerberger. Der Umbau geht an der 95.000 Mitarbeiter starken Belegschaft freilich nicht spurlos vorbei: „Wir haben Werke geschlossen oder verlagert und Mitarbeiter abgebaut.“ Außerhalb der Produktion fielen rund 4500 Stellen weltweit weg, davon 400 in Deutschland und anderen Hochlohn-Ländern. „Damit haben wir im vergangenen Jahr begonnen, ein Gutteil ist bereits geschafft.“

Bei der Produktion der aus zahllosen Kabeln, Steckern und Clips bestehenden Bordnetze ist immer noch viel Handarbeit. Der Kostendruck der Autobauer führt dazu, dass Leoni die Fertigung zum Teil von Osteuropa Richtung Marokko oder Tunesien verlagert. In Kitzingen forschen die Techniker derweil daran, wie sich die Bordnetze künftig zumindest zum Teil von Robotern statt von Menschen bestücken und umwickeln lassen.