Varta: Schuldschein-Gläubiger stimmen Restrukturierung zu

In den Worten von Varta-Chef Michael Ostermann ist die Erleichterung kaum zu überhören. „Ich bin sehr froh, dass wir das geschafft haben. Die einzelnen Gläubiger immer wieder an den Tisch zu bitten, um die Gespräche zu diesem Ende zu bringen, hat Energie gekostet“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Batterieherstellers im Gespräch mit der F.A.Z. Ostermann ist in den vergangenen Wochen der Moderator in vielen Verhandlungsrunden gewesen, um auch die nachrangigen Gläubiger der Varta AG in Gesprächen mit Banken und Kreditfonds dazu zu bewegen, dass sie der Mitte August gefundenen Lösung für das ins Trudeln geratene Unternehmen aus Ellwangen auf der Ostalb zustimmen. Nun haben die Schuldschein-Gläubiger ihr Okay gegeben, wie Varta am Mittwochabend mitteilte.

Ziel ist es, das den angeschlagenen Batteriehersteller Varta mithilfe des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) zu stabilisieren. Das Unternehmen hatte sich durch Investitionen in neue Fabriken und die Ausweitung der Produktion auf Batteriezellen für die Automobilindustrie übernommen. Ohne einen Schuldenschnitt und frisches Geld in Höhe von 120 Millionen Euro wäre eine Insolvenz aller Voraussicht nach nicht zu vermeiden.

Aktien verlieren ihren Wert

Vor diesem Hintergrund haben sich vor gut vier Wochen der Mehrheitseigentümer Michael Tojner und der Sportwagenhersteller Porsche mit Gläubigern, die vorrangige Darlehen halten, auf ein Restrukturierungmodell im Rahmen des StaRUG-Verfahrens geeinigt. Dabei verlieren alle bisherigen Aktionäre einschließlich Mehrheitseiger Michael Tojner ihre alten Kapitalanteile, was zum Erlöschen der Börsennotierung der Varta-Aktien führt.

Neue Gesellschafter sollen eine von Tojner kontrollierte Gesellschaft sowie die Porsche AG werden: Während Porsche 30 Millionen Euro an Barmitteln einbringt, steuert Tojner zehn Millionen Euro in bar und 20 Millionen an Immobilien bei. Dazu kommt ein neuer Vorrangkredit in Höhe von 60 Millionen Euro, der von bestehenden Gläubigern gewährt wird. Diese partizipieren künftig zudem über eine virtuelle Beteiligung zu 36 Prozent am wirtschaftlichen Eigenkapital der Varta, die übrigen 64 Prozent teilen sich mit jeweils 32 Prozent die Tojner-Gesellschaft und Porsche.

Bessere Quote für Schuldschein-Inhaber

Die Schuldschein-Gläubiger, die in der ursprünglichen Vereinbarung auf fast 60 Prozent ihrer Investitionen hätten verzichten müssen, erhalten nun eine leicht verbesserte Quote. Zudem wird ein Teil ihrer Darlehen im Rang höher gesetzt, was ihre anfangs sehr ablehnende Haltung geändert hat. Die Gruppe hätte das Verfahren und die gefundene Lösung wohl nicht kippen, aber verzögern können. Denn wenn die Schuldschein-Gläubiger nicht zugestimmt hätten, hätten sie ihre Darlehen fällig stellen und dadurch eine Insolvenz der Varta AG auslösen können. Das für das StaRUG-Verfahren zuständige Gericht wäre zwar wohl aller Voraussicht nach zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei den Darlehen, die fällig gestellt worden wären, um genau die Darlehen handelt, die im StaRUG-Verfahren restrukturiert werden sollen – und hätte das Verfahren weiterlaufen lassen. Trotzdem wäre neue Unruhe die Folge gewesen. Möglicherweise hätte Zulieferer und Lieferanten der Varta AG in so einer Situation auf Vorkasse bestanden, was die Produktion der Varta AG gefährdet hätte.

Diese Gefahr ist aber nun vom Tisch. Die aktuelle Einigung bringt das Unternehmen im StaRUG-Verfahren weiter und der Stabilisierung näher. „Der Schritt ist eine weitere Voraussetzung für frisches Geld, und dann können wir bald auch wieder an der Zukunft arbeiten“, sagt Varta-Chef Ostermann. „Ich bin sehr erleichtert – für das Unternehmen Varta und vor allem für die Mitarbeiter von Varta.“

Porsche beteiligt sich an der Stabilisierung von Varta, weil der Batteriehersteller in der Zelle V4Drive einen Speicher entwickelt hat, der nach Einschätzung von Porsche in dieser Qualität zurzeit auf dem Weltmarkt ohne Konkurrenz ist. Die Batterie ist eine Booster-Zelle, die sehr schnell Energie aufnehmen und abgeben kann. Der Sportwagenhersteller baut die Zelle in den Turbohybrid-Antrieb im Porsche 911 GTS ein und beseitigt so das Turboloch beim Beschleunigen seines wichtigsten Modells.

Perspektivisch ist geplant, die Produktion der Zelle in die V4Drive Battery GmbH auszugliedern, an der Porsche dann die Mehrheit übernimmt. „Varta und Porsche arbeiten beim Thema Hochleistungs-Batteriezellen eng zusammen. Mit der geplanten Mehrheitsübernahme von V4Drive wollen wir das Unternehmen voranbringen und damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Schlüsseltechnologien am Standort Deutschland leisten“, sagte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke im August.

Superzelle für die Autoindustrie

Die Hochleistungszelle hat Varta mit der Förderung im Rahmen der Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Project of Common European Interest – IPCEI) für Anwendungen im Automobilbereich entwickelt. In einem ersten Teilprojekt hat Varta 76 Millionen Euro der zugesagten Fördersumme in Höhe von 300 Millionen Euro genutzt, um Lithium-Ionen-Zellen mit höherer Leistung zu entwickeln und die Produktionsweise dieser Batterien zu optimieren. Ausgangspunkt waren die Knopfzellen des Unternehmens. In einem zweiten Teilprojekt hat Varta weitere 60 Millionen Euro der Fördersumme genutzt, um den neu entwickelten Aufbau der Zellen auf das Zellformat der V4Drive zu übertragen. Die Pilotanlage steht in Ellwangen. Nun wollen Varta und Porsche die Produktion der Zelle am Standort Nördlingen hochfahren. Im kommenden Jahr soll die Anlage in Betrieb gehen. Porsche will sie als Sacheinlage in die V4Drive Battery GmbH einbringen. Es ist geplant, dass V4Drive perspektivisch auch weitere Kunden abseits von Porsche adressiert.

Doch dafür ist die aktuelle Einigung die zwingende Voraussetzung, denn die Lage in Ellwangen auf der Ostalb ist seit Herbst 2022 schwierig bis dramatisch: Der Batteriekonzern, der den Umsatz zwischen 2019 und 2021 bei Umsatzrenditen (Ebitda) bis zu 31 Prozent von 363 auf 903 Millionen Euro gesteigert hat, ist in einer existenziellen Krise. Wegen zurückgehender Bestellungen von Kunden brachen die Erlöse 2022 ein, hinzu kamen steigende Rohstoff- und Energiekosten. Im Zuge eines Sanierungsprogramms kündigte Varta im Frühjahr 2023 den Abbau von global 800 Vollzeitstellen an, allein in Deutschland sollten 390 Arbeitsplätze wegfallen.

Noch kein Jahresabschluss für 2023

Im Februar erschwerte ein Hacker-Angriff die Situation zusätzlich. Wegen der Attacke standen mehrere Produktionen von Varta tagelang still, über Wochen konnten die Mitarbeiter in der Zentrale nicht vollständig auf die Unternehmensdaten zugreifen. Die Folge: Varta hat den Jahresabschluss für das Jahr 2023 noch immer nicht vorgelegt, weswegen das Unternehmen aus dem S-Dax geflogen ist. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem dritten Quartal 2023: Der Umsatz sank im Vorjahresvergleich um 3 Prozent auf 554 Millionen Euro, der Nettoverlust vergrößerte sich dagegen um mehr als das Fünffache auf rund 116 Millionen Euro. Die langfristigen Schulden belaufen sich auf rund 500 Millionen Euro.

Kernproblem sind nach wie vor die viel zu hohen Kapazitäten im sogenannten Coin-Power-Bereich. Das sind wiederaufladbare Knopfzellen, die der Batteriehersteller lange Zeit exklusiv an den Technologiekonzern Apple geliefert hatte, die der für seine kabellosen Ohrhörer Airpods verwendet hatte. Varta hatte dafür die Produktionskapazitäten am Standort Nördlingen massiv ausgeweitet, die nun nicht gebraucht werden, weil die Nachfrage sank und Apple seine Lieferkette auf mehrere Zulieferer umstellte, um sie abzusichern. „Die aktuelle Gesamtjahresauslastung für Coin-Power-Zellen liegt weiterhin deutlich unter 50 Prozent“, erläutert ein Sprecher das Ausmaß der Misere. Hinzukommt der Einbruch im Markt für Energiespeicher, die Varta in erster Linie auf hohe Lagerbestände im Großhandel zurückführt.

Das weitere Verfahren beschreibt Ostermann so: Nachdem eine grundsätzliche Einigung erzielt und ein sogenanntes Term-Sheet aufgesetzt sei, werde das nun alles in Verträgen festgehalten, die das Unternehmen dem Gericht vorlegen wird. Danach müssen die verschiedenen Gläubiger-Gruppen – unter anderem Kleinaktionäre, Schuldschein-Gläubiger, Gläubiger mit vorrangigen Darlehen, die Porsche AG, die Mehrheitseigentümer sowie die Immobiliengesellschaft, der die Produktionshallen gehören – einzeln über die Einigung abstimmen. In der Folge schaut sich das Gericht an, ob die überwiegende Zahl der Gruppen zugestimmt hat. Nach der Einigung mit den Schuldschein.Gläubigern werden die Gruppe wohl mit Ausnahme der Kleinaktionärezustimmen. Ostermann hofft, dass das StaRUG-Verfahren bis Ende des Jahres abgeschlossen ist.