USA: Aus Minnesota wollte Sänger Prince nie weg – WELT

Minnesota gehört zu den von Reisenden eher unentdeckten Ecken der Vereinigten Staaten. Dabei hat der Bundesstaat eine Menge zu bieten: Werke weltbekannter Künstler, Ureinwohner-Küche, eine große Musikszene – und Zutritt zum Wohnhaus eines globalen Superstars.

Wie bitte? Bei diesem Haus soll es sich um das Privatanwesen von Prince handeln, dem 2016 verstorbenen Weltstar? Die Touristen, die gerade unweit der Stadtgrenze von Minneapolis aus einem Kleinbus gestiegen sind, schauen sich ungläubig an. Das Gebäude ist mit großen weißen Kacheln an der Fassade gepflastert, hat kaum Fenster, keine Verzierungen und den Charme einer Lampenfabrik.

Zudem liegt es an einem Highway, nicht in einer „Gated Community“. Von Glamour keine Spur. „Aber so liebte es Prince eben“, erklärt eine junge Frau, die als Guide durch den „Paisley Park“ getauften Komplex und damit die Arbeits- und Wohnräume des Musikers führt – „unauffällig und privat, ohne sich abzuschotten“.

Seine Heimat im Mittleren Westen zu verlassen, wäre Prince Rogers Nelson, so sein vollständiger Name, nie eingefallen. So wild und wuchtig seine Musik mitunter daherkam, so vergleichsweise bescheiden lebte er in Chanhassen, einer Kleinstadt vor den Toren von Minneapolis.

Das Prince-Anwesen ist mit seiner Unscheinbarkeit typisch für Minnesota – selbst Amerikaner wissen wenig über den Bundesstaat im Norden an der Grenze zu Kanada. Was schade ist, denn Minnesota bietet viele Highlights. Ein Überblick.

Architektur

Der Großteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens spielt sich in der Hauptstadt St. Paul sowie in der gleich daneben gelegenen Metropole Minneapolis ab, den sogenannten Twin Cities. Sie trennen rund 17 Kilometer und 13 Gründungsjahre; St. Paul entstand zuerst, 1854, und wirkt mit seinen 300.000 Einwohnern und der spätviktorianischen Architektur beschaulicher.

In Minneapolis leben knapp 425.000 Menschen. Die größte Stadt des Bundesstaats gilt als „erste des amerikanischen Westens“. Noch heute lässt sich zwischen Hochhäusern der Moderne und denen vergangener Tage, etwa dem 1929 im Art-déco-Stil erbauten Foshay Tower, schlendern. Auch das Guthrieb-Theater, vor fast 20 Jahren nach den Entwürfen des französischen Architekten Jean Nouvel fertiggestellt, reiht sich – dunkelblau und futuristisch anmutend – in die Vielzahl imponierender Gebäude ein.

Breite Boulevards prägen die Stadt am Mississippi. Und extreme Temperaturunterschiede: Während das Thermometer im Hochsommer auf 25 bis 30 Grad klettert, fällt es im Winter schnell auf minus zehn Grad und darunter. Deshalb lassen sich etliche Gebäude über Skyways erreichen, kilometerlange Korridore, die mehrere Meter über dem Straßenlevel wie überdachte Brücken von Hotels in Parkhäuser und weiter zu Banken, Behörden, Boutiquen führen.

Kunst

Das Minneapolis Institute of Art zeigt 80.000 Objekte aus 5000 Jahren. Es ist eines der bedeutendsten Kunstmuseen der USA mit sehenswerter historisierender Säulenfassade von 1915. Das zweite populäre Kunstmuseum ist das auf die Moderne spezialisierte Walker Art Center, berühmt für Werke etwa von Pablo Picasso, Henry Moore und Keith Haring; auch die im Skulpturengarten gegenüber präsentierten Werke stammen von weltbekannten Künstlern.

Am bekanntesten: „Spoonbridge and Cherry“, eine 15 Meter lange Skulptur eines Löffels, auf dem eine neun Meter hohe Kirsche liegt. Die Pop-Art-Skulptur erdachte der schwedisch-amerikanische Bildhauer Claes Oldenburg (1929–2022), der mit Vorliebe Alltagsgegenstände wie Sägen, Federbälle und Taschenmesser in XXL-Objekte verwandelte.

Seit 1988 steht die Löffelkirsche im Skulpturengarten, viele Besucher machen Fotos von der Installation mit Blick auf die Skyline von Minneapolis. „Fallen Schneeflocken, sieht es aus, als ziere eine Sahnehaube das Obst“, sagt eine Spaziergängerin im Vorübergehen, „das sieht auch hübsch aus.“

Weitere Sahnehäubchen stellen die Figuren von Charles M. Schulz dar, die über die Twin Cities verteilt sind. Der 1922 in Minneapolis geborene und 2000 gestorbene Cartoonist erfand und zeichnete die Peanuts. Heute hocken Charlie Brown, Linus van Welt, Snoopy & Co. in Bronze gegossen auf Parkmauern, zum Beispiel im Zentrum von St. Paul.

Musik

Charles M. Schulz zog zwar später nach Kalifornien, ebenso wie die auch in Minnesota geborene Judy Garland. Prince aber blieb seiner Heimat sein Leben lang treu. In seinem bereits erwähnten Anwesen lassen sich seine Wohnräume besichtigen, die wirken, als habe der „Purple Rain“-Maestro sie erst vor fünf Minuten verlassen. Ein Füllfederhalter liegt auf seinem früheren Schreibtisch; in der Küche ließ sich Prince von seinem Privatkoch zubereitete Pancakes schmecken.

Seine Tonstudios mit Holzvertäfelung beherbergen nicht nur sämtliche für die Aufnahme von Songs nötigen Geräte. Auch ein komplett in Violett gehaltener Flügel – eine Sonderanfertigung von Yamaha – und etliche Gitarren stehen bis heute in den Räumlichkeiten, die nur minimal für Besuchszwecke umgestaltet wurden.

Wer möchte, kann dort sogar eine Runde Tischtennis spielen; eines der Hobbys von Prince. Sein Lieblingsraum, der „Space Room“, sieht derweil aus wie ein Jugendzimmer aus den 90ern: rosa gestrichene Wände mit von Hand aufgemalten Planeten, Sternen und – wer genau hinsieht – dem für ihn entworfenen „Love“-Logo.

Prince lud nicht nur zu Konzerten in den „Paisley Park“ ein, wo auch heute noch gelegentlich Bands spielen. Er tauchte auch im nach wie vor existierenden Club „First Avenue“ auf; im „Armory“ drehte er sogar das Video zum Song „1999“. Auf keinen Fall verpassen sollten Fans den legendären „Dakota Jazz Club“, in dem schon James Carter, Charles Brown und Ray Brown sowie Ahmad Jamal auftraten. Neben Live-Musik bekommen Gäste hier Mehr-Gänge-Menüs serviert.

Kulinarik

Neben dem für die USA typischen Fastfood wird in Minneapolis auch Ungewöhnliches aufgetischt: Unweit des Mississippis lädt etwa das „Owamni“ zu authentischer Kost der Ureinwohner ein. Wer möchte, probiert Bison an Bohnen oder Elch mit Süßkartoffel und Salbei. Eine wahre Geschmacksexplosion bieten die Austern mit einer Brombeer-Mignonette.

„Owamni“-Chef Sean Sherman erhielt mit dem James-Beard-Award die höchste Auszeichnung seines Berufsstandes im ganzen Land. Das 50 Jahre alte Mitglied des Stamms der Oglala-Lakota-Sioux verzichtet in seinem Lokal bewusst auf sämtliche Zutaten, die auch seinen Vorfahren nicht zur Verfügung standen, also auf Rind- und Schweinefleisch, Huhn, Milchprodukte sowie Rohrzucker und Weizenmehl.

Wer es lieber herzhaft mag, gönnt sich den Burger „Jucy Lucy“. Goldglänzend trieft geschmolzener Käse aus dem Fleisch-Patty; besonders gut schmeckt diese regionale Spezialität im „The Nook“ in St. Paul, einem schlauchlangen Lokal. Und abends lohnt sich das „Spoon and Stable“, ein schickes Restaurant in Downtown Minneapolis, wo es in Sehen-und-Gesehen-Atmosphäre ein wunderbares Büffel-Carpaccio gibt.

Spannend ist auch das Mühlenviertel – Minneapolis galt im 19. Jahrhundert als Mehlmetropole der Welt. Davon zeugen die vielen Backsteingebäude, die heutzutage allerdings keine Mühlen mehr beherbergen, sondern hochpreisige Apartments mit Blick auf den Fluss.

Einen guten Einblick in die Mehl-Geschichte bietet das Mill City Museum. Inzwischen ein National Historic Landmark, befindet es sich in der ehemaligen Getreidemühle von Washburn A. Mill. Eine Mehlstaub-Explosion zerstörte den Gebäudekomplex 1874, was sich bis heute an der Fassade erkennen lässt. In dem Museum lernen Besucher die Historie vom Weizenkorn bis zur Backmischung kennen – und zwar in einem XXL-Aufzug samt Sitzplätzen, der von Stockwerk zu Stockwerk und damit von Kapitel zu Kapitel der Geschichte der Mehlfabrikation Minnesotas fährt. Auf Wunsch lassen sich anschließend frisch gebackene Kekse probieren.

Entspannung

In Minneapolis finden Entspannungssuchende viele Parks, die oft an einem See oder Fluss liegen. Besonders schön ist der Lake Hiawatha Park mit Wander- und Radwegen, Angelsteg und Golfplatz. In der Nähe lockt der Minnehaha Park, dessen Herzstück die Minnehaha Falls sind, natürliche Wasserfälle an der Mündung des Minnehaha Creeks in den Mississippi – eines der beliebtesten Fotomotive in der Stadt.

Ein Highlight von Minnesota liegt rund 250 Kilometer entfernt: die Kleinstadt Duluth am Lake Superior (Oberer See), dem größten der fünf Großen Seen Nordamerikas, flächenmäßig der größte Süßwassersee der Welt. In Duluth mit seinen 86.000 Einwohnern geht es entspannt zu. Aufregung herrscht nur, wenn die Aerial Lift Bridge, eine grandiose Hubbrücke von 1905, ihre Fahrbahn in 55 Sekunden in 40 Meter Höhe hievt, damit Schiffe untendurch fahren können. Das passiert bis zu 30 Mal pro Tag und ist ein sehenswertes Schauspiel.

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Am Kai lassen Kinder Steinchen ins Wasser schnippen, auch ein paar Angler versuchen ihr Glück. „Time Passes Slowly“, ließe sich hier singen, ein Song des berühmtesten Sohns der Stadt: Bob Dylan stammt aus Duluth. Sein Geburtshaus steht noch, kann allerdings nicht besichtigt werden, denn es befindet sich in Privatbesitz. Aber dafür lädt Prince posthum zu sich nach Hause ein.

Tipps und Informationen:

Anreise: Lufthansa zum Beispiel fliegt von Frankfurt/Main aus nonstop in gut neun Stunden nach Minneapolis/St. Paul. Mit KLM von verschiedenen deutschen Flughäfen über Amsterdam. Ausflug nach Duluth mit Mietwagen oder mit dem Greyhound-Bus, drei Abfahrten täglich, Fahrtzeit knapp zweieinhalb Stunden (greyhound.com).

Unterkunft: In Minneapolis empfiehlt sich das „Moxy“ in Downtown, nur wenige Gehminuten vom Mississippi und dem „Mill Museum“ entfernt (ab 150 Dollar pro Nacht, moxy-hotels.marriott.com).

Mit direktem Zugang zur „Mall of America“ (mit mehr als 520 Geschäften, Indoor-Freizeitpark sowie Aquarium das größte Einkaufszentrum der USA): das „JW Marriott Minneapolis Mall of America“ (ab 199 Dollar pro Nacht, marriott.com). In Duluth am Ufer des Lake Superior liegt die „The Lift Bridge Lodge“ (ab 200 Dollar; liftbridgelodge.com).

Tipp: Wer besondere Souvenirs sucht, findet im North Loop in Minneapolis Boutiquen wie etwa „MartinPatrick3“. In dem Viertel zieren auch Street-Art-Porträts von Prince und Bob Dylan die Hauswände.

Auskunft: exploreminnesota.com; visittheusa.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Brand USA und Lufthansa. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

Source: welt.de