US-Wahlen: Es täuscht sich, wer Donald Trump zu Händen geschlagen hält
Man kann sich leicht verkalkulieren: Trotz der Kamala-Harris-Euphorie bleibt Donald Trump ein ernstzunehmender Kandidat. Der 78-Jährige aus Mar-a-Lago wäre gewiss lieber gegen Joe Biden angetreten. So schön es für die Demokraten ist, dass sie dank Harris nun Hoffnung haben: Gelaufen ist noch gar nichts. Trump wahlkämpft, wie er eben wahlkämpft. Er überhäuft seine Rivalin mit Lügen, spricht von ihrer Schuld an einer nicht existenten Welle der Kriminalität, warnt vor einer Wirtschaftskatastrophe und dem „nuklearen Dritten Weltkrieg“, sollte Harris gewinnen. Deren Kandidatur sei nicht legitim. Er sehe besser aus. Sei intelligenter. Und so weiter.
Das mag bizarr klingen und ist sicher streckenweise genau das. Doch war dies bei Trumps Wahlsieg gegen Hillary Clinton 2016 nicht anders. Im Sog republikanischer Tiraden ist schon mancher Demokrat untergegangen. Die Medienwelt ist dem nicht gewachsen. Sie hat Trump normalisiert und Bidens Geisteszustand seziert. Entgleist Trump, ist er halt Trump. An Geld für ihn fehlt es nicht. Die Fans spenden, und mancher Gönner aus der Wirtschaft, der nach dem Kapitol-Sturm Anfang 2021 auf Distanz ging, fand zurück. Trump erhielt vor vier Jahren 74 Millionen Stimmen. Diese Leute sind heute noch da. Bei Trump-Meetings scheint die Stimmung gut zu sein, auch wenn der Kandidat so lange redet, dass nicht alle bis zum Schluss bleiben.
Die Unterstützung für Donald Trump ist immer noch groß
Geradezu fröhlich wirken derzeit manche linkslastige Talkshows. Mögliche Schwächen von Harris, die schließlich als Bewerberin bei den Vorwahlen 2019 total versagt hat, werden ausgeklammert. Trump sei in einer Abwärtsspirale, heißt es, und außer sich vor Wut, dass Harris so viel Zulauf habe. Die Demokraten hätten endlich Trumps Achillesferse entdeckt. Man müsse sich über ihn nur lustig machen, wie es die Obamas beim Parteikonvent vorgeführt hätten. Nur wird Trump das den Demokraten nicht schenken, wenn er an Harris’ Vorwahldesaster von 2019 erinnert. Es ist wieder die Zeit zum Kaffeesatzlesen. Harris liegt nur ein paar Punkte vorn. Wird die Fehlerquote berücksichtigt, ist der Unterschied noch geringer. Vor Tagen erst hat der parteilose Kandidat Robert Kennedy – ein Impfgegner, der vor einem „Tiefen Staat“ warnt und sich von Medien diskriminiert fühlt – seine Bewerbung suspendiert. Dass er sich daraufhin für Trump ausgesprochen hat, könnte trotz Kennedys bei einstelligen Prozentzahlen liegenden Quoten einen kleinen Unterschied machen.
Außerdem darf Donald Trump auf den bedeutendsten Wählerblock in den USA setzen. Geschätzte 40 Prozent seiner Anhänger sind weiße evangelikale Christen. Die Republikanische Partei ist die Partei der Weißen, und das nun gegen eine Schwarze Anwärterin, was Trump mehr unter den Nichtwählern fischen lässt. Immerhin blieb ein Drittel der Wahlberechtigten 2020 zu Hause. Menschen, die kein Vertrauen haben in die Regierung und – sofern sie weiß sind – gar nicht schlecht zu Trump passen, falls sie es fertigbringen, sich rechtzeitig als Wähler registrieren zu lassen.
Trump treibt eine besondere Motivation: Gewinnt er, werden de facto alle gegen ihn laufenden Prozesse eingestellt. Schon jetzt ist seine Warnung zu hören, bei den Wahlen gehe es nicht mit rechten Dingen zu. Er legt den Grundstein für das Nicht-Anerkennen des Ergebnisses. Aus den vielen Rückschlägen bei der vorherigen Wahl dürfte er gelernt haben, wie man den Sieg des Rivalen im Nachhinein torpediert.