US-Wahl: Z. Hd. China liegt zwischen Trump und Harris kein riesiger Unterschied
Die chinesische Regierung blickt auf die Richtungswahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump und fragt sich: Wie stehen die beiden zu Taiwan? Und wer wird den heftigeren Handelskrieg vom Zaun brechen?
In Europa wird die Wahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump oft als dramatische Richtungsentscheidung gesehen. In Peking tut man sich hingegen schwer damit, Unterschiede in der China-Politik der beiden zu erkennen. „Harris wird Bidens Politik gegenüber China fortsetzen“, prognostiziert Wang Yiwei, Professor für internationale Studien an der Renmin-Universität in Peking. Und worin besteht Bidens Politik für Wang? „Er ist ein Trumpist ohne Trump.“
In ihrer Rede auf dem Parteitag der Demokraten im August hat Kamala Harris China nur ein einziges Mal erwähnt: Sie versprach, dass „Amerika, nicht China, das 21. Jahrhundert anführen“ werde. Tatsächlich ist eine aggressive Haltung gegenüber China eines der wenigen Themen in der US-Politik geworden, bei dem Demokraten und Republikaner übereinstimmen.
Wang Jisi, Hu Ran und Zhao Jianwei, drei der führenden außenpolitischen Kommentatoren Chinas, schrieben kürzlich, dass „chinesische Strategen sich kaum Illusionen darüber machen, dass die US-Politik gegenüber China in den nächsten zehn Jahren einen anderen Kurs einschlagen könnte.“ Die Autoren sagen voraus, dass Harris’ Politik zwar wahrscheinlich „vorhersehbarer“ sein wird als die von Trump, dass aber beide „strategisch konsistent“ sein werden.
Auf Taiwan kommt’s an
Jude Blanchette, China-Experte am Centre for Strategic and International Studies, geht davon aus, dass ein Wahlsieg Donald Trumps „wahrscheinlich deutlich mehr wirtschaftliche Reibungen mit sich bringen würde, da ein Handelskrieg fast sicher ist“.
Die Nominierung von Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota, als Harris’ Vizepräsidentschaftskandidat ist für China eine Herausforderung. Walz hat 1989 und 1990 in China gelebt und gearbeitet und ist in den Jahren danach immer wieder dorthin gereist; er hat wohl mehr China-Erfahrung als jeder andere Kandidat seit George Bush senior. Walz hat sich in Bezug auf China klar auf der Seite der Menschenrechte positioniert, aber es ist unklar, wie das die China-Politik des Weißen Hauses beeinflussen würde, falls Harris im November gewinnt.
Ganz oben auf Chinas eigener Agenda steht Taiwan, das im Januar den in Peking verhassten Lai Ching-te zum Präsidenten gewählt hat. Lai ist Mitglied der souveränistischen Demokratischen Fortschrittspartei. Für Peking ist die Unterstützung „separatistischer Kräfte“ durch Washington eine rote Linie in den Beziehungen zu den USA; es sieht Lai als einen Vertreter dieser Kräfte. Für Peking ist seine Version des „Ein-China-Prinzips“ – der Vorstellung, dass Taiwan Teil Chinas ist – Dreh- und Angelpunkt der Außenpolitik.
Regelbasierte Außenpolitik? Interessiert Trump nicht
Manche Mitglieder des chinesischen außenpolitischen Establishments sehen eine zweite Amtszeit Trumps positiv, weil sie davon ausgehen, dass er für die Sache der taiwanesischen Souveränität wenig oder gar keine US-Ressourcen oder moralische Unterstützung mobilisieren würde. Wang, Professor an der Renmin-Universität, diagnostiziert, dass für Trump ein regelbasiertes globales System weniger wichtig ist als für Biden, was China zugutekomme.
Zu Beginn seiner Amtszeit war Trump in Taiwan wegen seiner harten Haltung gegenüber China beliebt. Das hat abgenommen, seitdem er sagte, Taiwan solle die USA für deren militärischen Schutz bezahlen. In der Lokalpresse verglich man ihn darauf mit einem Mafioso, der Schutzgelder eintreibt.
Viele Analysten meinen aber, dass sich Trump und Harris zwar in der Rhetorik stark unterscheiden, in ihrer Politik aber nicht weit auseinanderlägen. „Die Charaktere unterscheiden sich, aber die nationalen Interessen der USA nicht“, sagt Drew Thompson, ein Senior Fellow an der Lee Kuan Yew School of Public Policy der National University of Singapore. Taiwan ist für die USA ein wichtiger Hightech-Handelspartner; was die Sicherheitspolitik angeht, so ist diese in Gesetzen wie dem Taiwan Relations Act fest verankert und kann von einem Präsidenten nicht nach Lust und Laune geändert werden.
Was Trump angeht, so scheint eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China nicht weit oben auf seiner Agenda zu stehen, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass er politisches Kapital dafür investieren würde.
Thompson sagt: „Ich gehe davon aus, dass die Priorität der USA, wenn Trump tatsächlich versuchen würde, auf Xi Jinping zuzugehen, auf der US-Wirtschaft liegen würde und nicht auf der Vermittlung eines Friedens zwischen Peking und Taipeh.“