US-Konjunktur läuft: Dax-Prognose 20.000 Punkte

„Wir bekommen es einfach nicht hin, die amerikanische Konjunktur richtig einzuschätzen“, sagt Michael Klawitter, Fachmann für Geldpolitik und Kapitalmärkte der Frankfurter Deka Bank, gleich zu Beginn der Kapitalmarktprognosekonferenz des Bundesverbands Öffentliche Banken (VÖB) am Mittwoch. Mit „wir“ meint Klawitter aber nicht nur sein Haus, sondern zeigt Charts, die Fehleinschätzungen der vergangenen Monate der Kapitalmärkte deutlich machen. Die Wachstumserwartung für die US-Volkswirtschaft in diesem Jahr hat sich an den Märkten seit November von 1 Prozent auf nun 2,5 Prozent erhöht. Klawitter geht davon aus, dass es am Ende 2,6 Prozent werden.

Die US-Konjunktur hat Implikationen für alle relevanten Kennziffern an den Finanzmärkten. Der Ölpreis steigt – auch wegen der höheren US-Nachfrage. Die Zinssenkungsphantasien verpuffen zusehends – weil die amerikanische Nachfrage so hoch ist, dass sich die Inflation nicht weiter zurückdrängen lässt. DZ-Bank-Chefaktienstratege Sven Streibel hatte schon vergangenes Jahr die Skepsis diesbezüglich nicht geteilt. Die US-Rezession kam vergangenes Jahr nicht, und sie kommt auch dieses Jahr nicht. Streibel hat seine Aktienprognose für den Dax unlängst auf 20.000 Punkte mit Blick auf die nächsten zwölf Monate erhöht. Schon zuletzt lag er mit seinem Optimismus stets richtig. Und so sieht er auch aktuell überhaupt keinen Nachteil darin, dass die vom Aktienmarkt meist begrüßten Zinssenkungen nun deutlich später kommen oder gar ausfallen: „Die hartnäckige Inflation ist nachfrageinduziert und die Ölpreise größtenteils auch, das ist ein gutes Signal für Aktien.“

Die Fachleute auf der Pressekonferenz am Mittwoch referierten, wie sehr die Zinssenkungsphantasien aus den Märkten verschwunden seien. „Falls die Inflation so hartnäckig bleibt in Amerika, wird es dieses Jahr womöglich gar keine Zinssenkung der Fed mehr geben“, sagt Klawitter. An den Märkten war zwischenzeitlich von sechs Zinsschritten der amerikanischen Notenbank im Jahresverlauf ausgegangen worden. Nun könnte es zu der Situation kommen, dass die Europäische Zentralbank im Juni zuerst die Zinsen senkt und die europäische Konjunktur auch weitere Zinsschritte sinnvoll erscheinen lassen würde.

Thomas Meißner von der Landesbank Baden-Württemberg zeigt die konjunkturell unterschiedlichen Welten der Dynamik in den USA und der Stagnation in Europa auf. Im weltweiten Ranking, wie einfach Unternehmensgründungen in einem Land sind, liege unter den Industrieländern Kanada an der Spitze, Frankreich auch in der Spitzengruppe, Deutschland komme im globalen Vergleich aber erst auf Rang 125, Italien auf Rang 98. Während die amerikanische Produktivität binnen 17 Jahren um 25 Prozent stieg, waren es in Deutschland nicht einmal 10 Prozent, und im realen Wachstum liegt Deutschland seit dem Jahr 2000 mit knapp 30 Prozent zu knapp 60 Prozent in den USA zurück.

Ulf Krauss von der gastgebenden Helaba sieht in der Diskrepanz eine Gelegenheit für die EZB, zu zeigen, „dass man nicht am Rockzipfel der Fed hängt“. Drei Zinssenkungen erwartet er von der EZB in diesem Jahr. Christian Lips, Chefvolkswirt der Nord LB, weist jedoch auf die Wechselwirkungen unterschiedlicher Zinssenkungspfade auf Wechselkurse und damit auch die Inflation hin. So könnte ein durch EZB-Zinssenkungen schwächerer Euro die Importe verteuern und so die hiesige Wirtschaftskraft weiter schwächen. „Solche Wachstumsauswirkungen könnten die EZB vorsichtig werden lassen.“ DZ-Bank-Anleiheanalystin Birgit Henseler äußerte die Einschätzung, die Marktteilnehmer sollten generell nicht mehr mit so tiefen Zinsniveaus rechnen, wie es sie zwischenzeitlich gab. Längerfristig gingen die Renditen eher wieder hoch.

Source: faz.net