Unternehmen verbünden sich gegen Online-Wettanbieter
Seit Jahren streitet sich die Glücksspielindustrie mit Wettkunden über die Erstattung von Verlusten. Schätzungen gehen von bis zu 20 Milliarden Euro Einbußen durch vermeintlich illegale Sportwetten in Deutschland seit 2014 aus. Bundesweit sind daher tausende Klagen gegen diverse Onlineanbieter anhängig. Für Inkassodienstleister und Verbraucheranwälte ist das Geschäftsfeld „Glücksspiel“ einer der großen Wachstumstreiber.
Auf der Klägerseite haben sich nun zwei bekannte Akteure zusammengeschlossen, um ihre Marktanteile zu vergrößern. Die Rightmart Group , eine der größten deutschen Verbraucherrechtskanzleien, und das Legaltech-Unternehmen Gamesright kooperieren, um gemeinsam gegen Onlinewettanbieter vorzugehen.
Gamesright aus Hamburg nimmt in der Klärung der Frage, ob Kunden von Online-Sportwetten schon vor dem Jahr 2020 Verluste zurückfordern können, eine zentrale Rolle ein. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen mit Sitz in Hamburg schon mehr als 50 Millionen Euro an Verlusten von Wettkunden gegen Anbieter von Sportwetten geltend gemacht.
EuGH soll den Weg weisen
Ein Fall, in dem Gamesright vollständig die Forderungen eines Wettkunden eingekauft hatte und diese gegen den Sportwettenanbieter Tipico geltend macht, landete im Sommer vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dieser hatte zwar Sympathien in einem Beschluss von Ende Juli für die Klage geäußert. Die Bundesrichter setzten die Revision jedoch aus und legten den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, nachdem klar war, dass andere Gerichte ähnliche Angelegenheiten auch zur Klärung nach Luxemburg geben wollen – und ein Urteil von dort den BGH binden würde.
Aus Sicht von Hannes Beuck, Jurist und Mitgründer von Gamesright, bestätigt der Beschluss, dass sich die Anbieter von verbotenen Onlinesportwetten ihrer finanziellen Verantwortung nicht entziehen können. „Kein Anbieter hatte vor Oktober 2020 die erforderliche Erlaubnis“, betont Beuck.
Aggressive Stimmung gegen Wettanbieter
In ihrer Kommunikation gehen Gamesright und andere Unternehmen, die sich mit dem Thema befassen, indes aggressiv gegen den Sportwettenmarkt vor. Eine Zwischenüberschrift aus der Mitteilung zur Zusammenarbeit mit Rightmart lautet: „Alle Sportwetten vor 2020 waren illegal“. Eingeschränkt wird dies im Fließtext durch den Zusatz „Online-“, die erste Behauptung greift allerdings etwas weit – das Wetten in einem Wettbüro ist schon länger erlaubt. Auch legen die Gerichte die Legalität von Onlinesportwetten vor 2020 nicht immer im Sinne von Gamesright aus.
Die Legaltech-Dienstleister und Sportwettenanbieter befinden sich in einem Zermürbungskampf, bei dem es darauf ankommt, wer bis zu einer Entscheidung aus Luxemburg – die frühestens im Jahr 2025 zu erwarten ist – noch Geld übrighat.
Solange die Legaltechs sich Forderungen von Wettkunden einkaufen, Gerichte aber nicht in ihrem Sinne entscheiden, müssen sie ihre Kosten durch Investorengelder ausgleichen. Rechtsschutzversicherer würden nur in dem Fall einspringen, wenn der Wettkunde selbst klagen würde. Sportwettenanbieter, die von Gerichten zur Zahlung verurteilt werden, müssen hingegen versuchen, ihre Kosten aus den laufenden Geschäften zu begleichen. Vor allem kleinere Anbieter könnten die Entscheidungen in unteren Instanzen, die im Sinne der Wettkunden ausfallen, auch in die Insolvenz treiben, sagte ein Branchenvertreter höheren Rangs der F.A.Z. im Hintergrund.