Union droht Habeck in Debatte um Atomreaktor-Dokumente mit Konsequenzen
Die Union fordert von Wirtschaftsminister Robert Habeck sofortige Aufklärung über die Umstände der Entscheidung des Atomausstiegs 2023. „Der alte Verdacht erhärtet sich: Beim Kernkraft-Aus wurden Parlament und Bevölkerung belogen“, schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, am Donnerstag auf der Plattform X. „Habeck sollte unverzüglich sämtliche Akten zum Aus der AKW auf den Tisch legen. Ansonsten droht ein Nachspiel.“
Für Freitag wurde eine Sondersitzung des Energie-Ausschusses einberufen, das Wirtschaftsministerium soll dort Aufklärung leisten, ob es eine politische Einflussnahme entgegen des Rats von Fachbeamten gegeben habe. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) selbst will sich den Vorwürfen stellen wie seine Kollegin Steffin Lemke (Grüne) vom Umweltministerium. Beide wiesen das bereits als verkürzt und ohne Kontext zurück, die gezogenen Schlüsse seien so unzutreffend.
Wie sicher war der Weiterbetrieb?
Auslöser ist, dass das Magazin „Cicero“ die Herausgabe von Akten zum Atomausstieg aus den Jahren 2022 und 2023 erklagt hatte. Die Akten sollen den Eindruck vermitteln, als ob Bewertungen der Fachebene innerhalb des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums so geändert wurden, dass ein längerer Weiterbetrieb der Reaktoren als unmöglich erschien – obwohl Experten ihn als sicherheitstechnisch für möglich erklärt hätten. So habe Habeck laut „Cicero“ die ursprüngliche Version des Experten-Vermerks nicht auf den Tisch bekommen.
2022 hatte die Ampel-Regierung angesichts der Energiekrise nach langer Debatte entschieden, die letzten drei Atomkraftwerke Mitte April 2023 abzuschalten. Damit wurde der Betrieb um einige Monate gegenüber dem früher festgelegten Abschaltdatum Ende 2022 gestreckt. Vorausgegangen war ein Streit zwischen Grünen und FDP, den Kanzler Olaf Scholz damit entschärfte, dass er zwar die die Abschaltung unterstützte – aber mit dieser Übergangsfrist.
Strompreise sind gesunken
Die oppositionelle Union hatte die Entscheidung kritisiert und angekündigt, dass sie sich im Falle einer Regierungsbeteiligung die Option von AKWs offenhalten wolle. CSU-Generalsekretär Martin Huber bezeichnete Habeck als Wirtschaftsminister als nicht mehr tragbar. „Entweder hat er gelogen oder sein eigenes Ideologie-Ministerium nicht im Griff“, sagte er „Focus online“.
Das Wirtschaftsministerium betonte dagegen, Habeck selbst habe im Sommer 2022 zunächst eine Einsatzreserve der AKW vorgeschlagen, letztlich sei dann nach Abwägung der Argumente der Streckbetrieb bis April 2023 gewählt worden. Die Energieversorgung sei gesichert und die Strompreise seien nach der Abschaltung gesunken.
Wagenknecht will Untersuchungsausschuss
Die Parteigründerin des Bündnisses Sarah Wagenknecht (BSW) bringt sogar einen Untersuchungsausschuss ins Spiel. „So lange die Vorwürfe, dass der Sicherheit der Energieversorgung aktiv geschadet wurde, nicht ausgeräumt sind, darf auch ein Untersuchungsausschuss kein Tabu sein“, sagte Sahra Wagenknecht im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Das BSW setzt sich wie die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) dafür ein, wieder russisches Gas zu importieren. Damit würde mindestens indirekt der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine finanziert werden.
Das Umweltministerium, das für Reaktorsicherheit zuständig ist, wies daraufhin, dass Union und FDP den Atomausstieg bis Ende 2022 beschlossen hätten. Die beiden von Grünen geführten Ministerien für Wirtschaft und Umwelt hätten jedoch eine längere Laufzeit geprüft: „Im Rahmen einer eindeutigen Rechtslage erfolgte diese Prüfung sorgfältig und ausschließlich sachorientiert – dabei musste maßgeblichen Sicherheitsfragen seitens der Atomaufsicht natürlich Rechnung getragen werden“, erklärte das Umweltministerium auch mit Blick auf die Gespräche mit den AKW-Betreibern. „Diesen Sicherheitsfragen maßen die Betreiber im März 2022 nachweislich ähnliche Bedeutung zu wie das Umweltministerium.“