Uni und KI: Schnelleres und einfacheres Studium? Der Chat-GPT-Irrtum dieser Studenten – WELT

Künstliche Intelligenz kann auch im Studium durchaus sinnvoll sein. Doch nur, wenn sie richtig eingesetzt wird. An vielen Universitäten gibt es bei der Technologie noch zwei große strukturelle Probleme – und eine folgenreiche Fehleinschätzung vieler Studenten.

Im optimalen Fall ist ein Studium schnell beendet. Denn nur wer früh seinen Abschluss macht, kann schnell Geld verdienen – und bestenfalls gleich so viel, dass etwas zum Sparen und Investieren übrig bleibt. Doch in der Realität zieht sich das Studium meist länger hin als geplant.

Im Mittel brauchen Bachelor-Studenten unter allen Studiengängen 8,2 Semester für den ersten Abschluss. Und damit etwas mehr als vier Jahre, bis für sie überhaupt ein Job infrage kommt. Wer noch den Master machen will, muss im Regelfall mit weiteren vier Semestern rechnen.

Einige Hochschulen wollen daran nun etwas ändern und setzen dafür auf technische Hilfe. Das Versprechen: Künstliche Intelligenz (KI) kann das Studieren angenehmer machen – und schneller.

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Die IU Internationale Hochschule, die in erster Linie Fernstudiengänge anbietet, wirbt zum Beispiel mit einem eigenen digitalen Assistenten, der Studenten laut eigener Analysen 27 Prozent schneller zum Abschluss führen soll. Die IU gibt an, dass sie bei einem dreijährigen Bachelorstudienfang „fast zehn Monate Studienzeit“ sparen könnten.

Und auch staatliche Hochschulen sind vom Nutzen der Technik überzeugt. Auch, wenn man sich hier nicht auf einen genauen Zeitvorteil festlegt.

An der Universität Hamburg (UHH) etwa gibt es seit diesem Jahr einen eigenen Chatbot auf Basis von ChatGPT, der mit den Uni-Aufgaben helfen soll. „Typische Anwendungsfälle könnten die Ideenfindung, die Optimierung von Text oder die Unterstützung bei der Erstellung von Software-Quelltext sein“, schreibt die UHH auf ihrer Website.

Die KI-Schwächen der Universitäten

Doch was ist dran an den Versprechen vom Blitz-Studium dank KI? Vorab: Sie dürften eigentlich keine große Überraschung sein. Denn fast sämtliche Bereiche in der Wirtschaft setzen mittlerweile in der einen oder anderen Form auf sogenannte Large Language Models wie ChatGPT oder YouChat, um die allgemein in Deutschland stagnierende Produktivität wieder zu erhöhen.

Laut Umfragen des Digitalverbands Bitkom stimmten rund 73 Prozent der Unternehmen der Aussage zu, dass KI die „wichtigste Zukunftstechnologie“ ist und der Anteil der Unternehmen, die die Software einsetzen oder einsetzen wollen, steigt kontinuierlich.

Dass sich das auch auf die Universitäten übertragen lässt, sollte selbstverständlich sein. Allerdings gibt es hier, anders als in vielen Bereichen der Wirtschaft, zwei strukturelle Probleme. Erstens sind die Hochschulen oft technisch veraltet, das sagen zumindest Studenten. Bitkom-Umfragen unter 500 Hochschülern unterschiedlicher Fächer ergeben, dass fast drei Viertel von ihnen überzeugt sind, dass die deutschen Unis im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung „stark hinterherhinken“. 64 Prozent geben an, die Unis hätten die „Digitalisierung verschlafen“.

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Kritisiert werden dabei allerdings auch Defizite bei der technischen Ausstattung der Hochschulen. Nicht nur das könnte den Einsatz neuer Technik erschweren und die Produktivität im Verhältnis zu anderen Bereichen der Wirtschaft stagnieren lassen. Auch Datenschutz- und Gleichstellungsansprüche der Unis und mögliche Kosten für die Nutzung könnten im Weg stehen, wie das Hochschulforum Digitalisierung online schreibt.

Zweitens genügt die künstliche Intelligenz qualitativ oft nicht den Ansprüchen der Hochschule. Das sagt Guido Neidhöfer vom Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

„Der Zugang zu diesen Tools ist heutzutage sehr einfach, das Wissen darüber, wie man sie richtig benutzen sollte, um die eigenen Kapazitäten zu verbessern, deutlich geringer“, so Neidhöfer. Das liegt an der Funktionsweise der Programme. Sie „lernen“ nur mithilfe der im Internet verfügbaren Informationen und ihre Antworten können deshalb ungenau sein.

„Die Gefahr besteht, dass sie fälschlicherweise als Wissensmodelle akzeptiert werden, was sie nicht sind“, so KI-Experte Neidhöfer. „Sie sind für die Vermittlung von Inhalten nur bedingt nützlich und unzuverlässig.“

KI als Produktivitäts-Förderer an der Uni

Nur, wer sich schon vorher Wissen über bestimmte Fachthemen angeeignet habe, könne die Fehler jedoch sicher erkennen. So sind laut einer weiteren Bitkom-Studie hier selbst Lehrer skeptisch. Sie trauten sich in einer Umfrage in mehr als der Hälfte der Fälle nicht zu, Hausaufgaben zu erkennen, die mithilfe von KI gemacht wurden.

Doch es gibt auch Szenarien, in denen KI-Programme wirklich zum Produktivitäts-Förderer werden kann. Entscheidend dafür ist, wie die Software verwendet wird. Wie die neue Technologie am besten eingesetzt werden kann, haben Wissenschaftler am National Bureau of Economic Research (NBER) im US-Bundesstaat Massachusetts untersucht. Das Ergebnis: Am besten funktioniert die KI dann, wenn sie eigene Schwächen ausgleichen soll.

Die IU nutzt ihr Programm zum Beispiel bei der Organisation des Lern-Ablaufs. Das Programm stellt dann Fragen zur Vorlesung und hilft dabei, bereits mehrere Wochen vor Prüfungen mit dem Lernen anzufangen. Die Wirtschaftler vom NBER schreiben es so: „KI hilft weniger Fähigen dabei, zu ihren Experten-Kollegen aufzuschließen.“

Hier offenbart sich nun eine entscheidende Fehleinschätzung vieler Studenten. Die Mehrheit von ihnen sieht den Vorteil noch immer in der inhaltlichen Arbeit. 68 Prozent von ihnen sagten Bitkom, sie nutzten ChatGPT und Co. für Recherchen, 26 Prozent ließen sich sogar Teile von Hausarbeiten vorschreiben.

44 Prozent wollen die Nutzung für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten verbieten. 74 Prozent finden, an Hochschulen sollte der Umgang mit dem Programm besser trainiert werden.

Von wem? „Für den Bildungserfolg sind zwei Aspekte wichtig“, sagt Neidhöfer, der KI-Experte vom ZEW. „Sowohl eine moderne Infrastruktur als auch klassischere Bildung im Sinne von guten Lehrern, Dozenten und Professoren.“

Felix Seifert ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Finanzen. Er schreibt unter anderem über die Themen Karriere, Mittelstand und Immobilien.

Source: welt.de