Unbezahlbares Gesundheitssystem: Der Pflegegrad 1 gehört abgespeckt

Früher hieß es: Große Chirurgen, große Schnitte. Diese alte OP-Weisheit mag überholt sein, sie empfiehlt sich aber weiterhin für die Reform des Gesundheitswesens. Für kleinteiliges Herumdoktern sind die Fakten viel zu erdrückend. Die Beitragssätze zur Krankenversicherung (GKV) sind innerhalb von zehn Jahren von 15,4 auf mehr als 17 Prozent gestiegen. In der Pflege sind es jetzt 3,6 statt 2,4 Prozent. Trotz anschwellender Abgaben wachsen die Kosten viel stärker als die Einnahmen. 2014 hatte die GKV bei Ausgaben von 203 Milliarden noch einen kleinen Überschuss erzielt. 2024 indes fiel bei 327 Milliarden ein Defizit von sechs Milliarden Euro an.

Noch dramatischer sieht es in der Pflege aus. 2014 hielten sich die Einnahmen und Ausgaben bei 26 Milliarden Euro die Waage, zehn Jahre später betrug die Unterdeckung bei Ausgaben von 68 Milliarden mehr als 1,5 Milliarden. Dennoch war die Selbstbeteiligung noch nie so hoch wie jetzt. Zwischen 2015 und 2025 haben sich die Eigenanteile in den Heimen von 1400 auf mehr als 3100 Euro im Monat mehr als verdoppelt.

Besser versorgt werden die Patienten nicht, die Lebenserwartung liegt unterhalb des EU-Schnitts. Es muss etwas passieren, und zwar schnell. Schwarz-Rot verspricht im Koalitionsvertrag stabile Beiträge, rechnet aber selbst damit, dass in beiden Versicherungen 2026 rund sechs Milliarden Euro fehlen. Nachdem sie schon bei der Stromsteuersenkung nicht Wort gehalten hat, kann sich die ­Regierung eine weitere Düpierung nicht erlauben – schon gar nicht im „Herbst der Reformen“.

Was ist zu tun? Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hofft darauf, dass der Finanzminister doch noch mehr Steuern lockermacht. Das kann passieren, weist jedoch in die falsche Richtung: Es ist nicht zu wenig Geld da, sondern es wird falsch ausgegeben. Mit Leistungskürzungen, Bonus- und Maluszahlungen, Zusatzversicherungen, Karenzzeiten, mit mehr Kapitaldeckung und Patientensteuerung ließe sich viel sparen. Und ja, auch der Pflegegrad 1 gehört abgespeckt. Es ist nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft, Gärtner zu bezahlen. Damit der Patient überlebt, muss der Einschnitt tief gehen.