Umbruch in Versicherungslandschaft: Melonis langer Arm reicht solange bis zum Versicherer Generali

Der Deal war gefeiert worden, lange bevor er zum Abschluss kam: Der Generali -Vorstandsvorsitzende Philippe Donnet erklärte im vergangenen Januar, „enorm stolz“ auf die geleistete Arbeit und die „fundamentale Etappe“ zu sein. Sein Amtskollege der französischen Bank BPCE , Nicolas Namias, zeigte sich „begeistert“ über die Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen. Generali und die BPCE-Tochtergesellschaft Natixis wollten vor knapp einem Jahr ihre jeweiligen Vermögensverwaltungen zusammenlegen und so Europas größten Branchenanbieter mit Einnahmen von 4,1 Milliarden Euro und einem Vermögensbestand von 1900 Milliarden Euro schaffen. Doch die wichtigsten Aktionäre von Generali haben mit dem Segen der italienischen Regierung das geplante Gemeinschaftsunternehmen gekippt. Den Abbruch der Verhandlungen gaben die beiden Unternehmen in der vergangenen Woche bekannt. In ihrer gemeinsamen Erklärung wiesen sie noch mal auf „die Vorzüge und den Wert einer Partnerschaft“ hin, verzichteten jedoch auf jegliche Begründung der Trennung.

Druck auf den Generali-Chef

Am heutigen Freitag befasst sich der Generali-Verwaltungsrat erstmals mit der neuen Lage. Die Stellungnahme über die Absage des Gemeinschaftsunternehmens, die viele Fragen offenließ, zeigt das ganze Dilemma des italienischen Versicherers, der hinter der Allianz und der französischen Axa die Nummer drei in Europa ist. Seitdem dort die beiden Großaktionäre Francesco Caltagirone und die Holding Delfin das Sagen haben, steht der Generali-Vorstandsvorsitzende Donnet unter Druck. Der Bau- und Medienunternehmer Caltagirone und die Familienholding Delfin des verstorbenen Brillenunternehmers und Luxottica-Gründers Leonardo Del Vecchio haben sich erst die Kontrolle über die Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) verschafft und dann die Investmentbank Mediobanca übernommen. Diese war lange Zeit mit ihrem Anteil von 13 Prozent der bestimmende Generali-Aktionär. Weil Delfin zusätzlich zehn Prozent und Caltagirone sechs Prozent an eigenen Aktien einbringen, kommt heute niemand mehr an ihnen vorbei.

Der Bau- und Medienunternehmer Caltagirone und der Delfin-Chefverwalter und heutige Essilor-Luxottica-Vorstandsvorsitzende Francesco Milleri waren von Anfang an gegen den Zusammenschluss mit Natixis. Caltagirone ließ als Eigentümer der römischen Tageszeitung „Il Messaggero“ und anderer Blätter gezielt gegen das Projekt anschreiben. Das gefiel besonders der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Auch sie hatte sich gegen das Gemeinschaftsunternehmen gewandt, denn sie befürchtete, dass die Ersparnisse der Italiener unter französische Kontrolle kämen. Ohne es auszusprechen, schwang zusätzlich das Szenario mit, dass Generali künftig weniger italienische Staatsanleihen kaufen könnte. Die entsprechende Stützung durch den Versicherer ist zusammen mit jener der italienischen Banken ein unverzichtbarer Pfeiler der öffentlichen Ausgabenfinanzierung Italiens.

Sensibles Thema des Kaufs von Staatsanleihen

Alle Versicherungen von Generali und Natixis, dass man Brandmauern gegen den Einfluss des jeweiligen Partners auf solch sensible Entscheidungen eingezogen habe, nützten nichts. Caltagirone und Delfin bekämpfen ohnehin seit geraumer Zeit fast jeden Deal von Donnet und seinem Vorstand. Mit dieser grundsätzlichen Opposition wollen sie nach Ansicht etlicher Marktbeobachter die Macht des Generali-Topmanagers aushöhlen. Der seit neun Jahren amtierende Donnet ist treffenderweise auch noch Franzose und hat erst vor einiger Zeit zusätzlich die italienische Staatsbürgerschaft erworben.

Ministerpräsidentin Meloni und ihr Finanzminister Giancarlo Giorgetti sehen mit Wohlgefallen, dass der ihnen nahestehende Caltagirone und die Delfin-Holding nun Teile des italienischen Finanzsystems beherrschen. Die Verbindung hatte begonnen, als die Regierung im November 2024 Anteile an der zuvor verstaatlichten MPS gezielt an Caltagirone und Delfin verkaufte. Nun ist die Absage des Natixis-Deal ist der bisher konkreteste Niederschlag des neuen indirekten Staatseinflusses im italienischen Finanzwesen.

Ausländische Aktionäre fürchten politische Einmischung

An den Finanzmärkten sieht man das mit Skepsis. „Die Interessen der italienischen Politik und die wirtschaftlichen Machtverhältnisse stimmen möglicherweise nicht vollständig mit der Definition der Wertschöpfung überein”, formulierten die Analysten der Investmentbank KBW höflich. Getrübt wird der neue Staatseinfluss allenfalls durch eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft Mailand gegen Caltagirone und Delfin wegen unerlaubter Absprachen. Das letzte Wort ist dort jedoch noch lange nicht gesprochen.

Mit der Beendigung des italienisch-französischen Projektes beraubt sich Generali erheblicher Wachstumschancen. Denn das Unternehmen hätte Zugriff auf die deutlich größere Vermögensverwaltung von Natixis bekommen. Das französische Unternehmen hat 1200 Milliarden Euro unter Verwaltung, Generali nur rund 700 Milliarden Euro. Das Gemeinschaftsunternehmen sollte zu jeweils 50 Prozent von den Partnern gehalten werden. Mit Einnahmen von 4,1 Milliarden Euro wäre Generali-Natixis in Europa noch vor dem Wettbewerber BNP-Axa gelegen; beim verwalteten Vermögen wäre man die europäische Nummer zwei hinter Amundi und global die Nummer neun geworden.

Axa trennte sich von Vermögensverwaltung

Nicht alle führenden Versicherer Europas setzen auf den Ausbau der Vermögensverwaltung. Axa hat Mitte des Jahres den Verkauf seines Vermögensverwaltungs-Geschäfts an BNP Paribas abgeschlossen. Die Allianz arbeitet mit ihrer amerikanischen Tochtergesellschaft Pimco , die seit Jahren zum Konzern gehört.

Wie geht es nun weiter bei Generali? Die Aktionäre sind überwiegend gelassen geblieben. Der Aktienkurs liegt trotz eines turbulenten Jahres mit viel Auf und Ab seit Anfang Januar mit 27 Prozent im Plus. Generali ist der kleinste der drei großen Versicherer Europas, er zeigt seit Jahren jedoch ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum. So ist der Börsenwert des italienischen Unternehmens in den vergangenen fünf Jahren um 144 Prozent auf rund 55 Milliarden Euro gewachsen. Die Allianz legte in diesem Zeitraum um 93 Prozent auf 147 Milliarden Euro zu und die Axa um 106 Prozent auf 87 Milliarden Euro. „Wir glauben, dass die Bedenken hinsichtlich der Unternehmensführung bei Generali nach den ersten neun turbulenten Monaten des Jahres allmählich schwinden“, schreiben die Analysten der Bank of America. KBW sieht jedoch weiter eine „überdurchschnittliche Unsicherheit in Bezug auf die Unternehmensführung”.

Der 65-jährige Generali-Chef Donnet arbeitet unterdessen an einer Nachfolgelösung. Vor einigen Wochen hat er den von der Allianz weggelockten Giulio Terzariol zum Generaldirektor und damit zu seinem Kronprinzen ernannt. Ob dieser auch Vorstandsvorsitzender wird, hängt allerdings von den neuen Machthabern bei Generali ab.