Umbau dieser Grundsicherung: Schneller Abschied vom Bürgergeld

Vor knapp drei Jahren hat die rot-grün-gelbe Ampelkoalition das Bürgergeld eingeführt und damit die vormalige Grundsicherung namens Hartz IV „abgeschafft“. Das Bürgergeld sei „die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“, verkündete Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der Bundestagssitzung vom 10. November 2022. Jetzt aber ist es damit schon wieder vorbei. Das Bürgergeld wird es in Kürze nicht mehr geben.
„Es wird eine wirklich gute neue Grundsicherung geben, und das Thema Bürgergeld wird damit der Vergangenheit angehören“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag im Beisein von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Und fasste damit die in der Nacht erzielten Vereinbarungen des schwarz-roten Koalitionsausschusses zusammen. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder assistierte: „Das Bürgergeld ist Geschichte.“
Nicht nur Floskeln und Überschriften
Bas ordnete die neue Reform insoweit ein. Sie selbst, so erinnerte sie, habe den Begriff „Bürgergeld“ in öffentlicher Rede schon lange nicht mehr benutzt. Und die amtliche Bezeichnung nach Paragraph 1 des Zweiten Sozialgesetzbuchs lautet ohnehin – unverändert seit den Hartz-Reformen vor 20 Jahren – „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Entscheidend seien die Inhalte des Gesetzes, betonte Bas, die auch SPD-Vorsitzende ist.
Auch die Inhalte sollen aber in wichtigen Punkten wieder strenger werden, im Sinne des „Förderns und Forderns“, das einst mit Hartz IV verbunden war. Und die Koalition hat sich mit ihrem aktuellen Beschluss nicht etwa nur auf Floskeln und Überschriften einer Reform geeinigt; die hatten auch schon im Koalitionsvertrag gestanden. Sie hat auch technische Details geklärt. Der vom Arbeitsministerium über den Sommer vorbereitete Gesetzentwurf soll nun auf dieser Basis schon in Kürze fertiggestellt und zügig vom Kabinett beschlossen werden.
Wer dem Jobcenter drei Mal fernbleibt, erhält keine Leistungen mehr
Der für die breitere Öffentlichkeit und ihr Gerechtigkeitsempfinden wohl spannendste Punkt: Wer sich als Bürgergeldbezieher gegenüber Jobcenter und Sozialstaat unkooperativ verhält, dem werden künftig schnell und spürbar Leistungen gekürzt. Wer einen Termin im Jobcenter versäumt, erhält nur noch eine Chance, wird „unverzüglich zu einem zweiten Termin geladen“, wie es im Beschluss der Koalitionsspitzen heißt. Wer dann aber weiterhin nichts von sich hören lässt, dem werden erst mal 30 Prozent der Leistungen gestrichen (statt bisher zehn). Und wer einen dritten Termin in Folge versäumt, bekommt gar kein Geld mehr überwiesen.
Auch das ist aber noch nicht die letzte Stufe: Wer fürs Jobcenter für mehr als einen Monat nicht erreichbar ist, wird zukünftig im Grundsatz schlicht als nicht bedürftig eingestuft – dann „werden alle Leistungen einschließlich Kosten der Unterkunft komplett eingestellt“. Hilfebezieher, die wegen psychischer Beeinträchtigungen oder anderer Krankheiten nicht auf Post vom Jobcenter reagierten, sollen aber ausdrücklich ausgenommen bleiben. Klarere Grenzen soll das Sozialrecht allerdings auch jenen aufzeigen, die zwar erreichbar sind, aber eine Arbeitsaufnahme verweigern.
Kooperationspläne sollen Weg in die Arbeit ebnen
Die Ampelkoalition hatte Kürzungen für unkooperative Hilfebezieher erst durch ein „Sanktionsmoratorium“ im Jahr 2022 befristet außer Kraft gesetzt und sie dann in abgemilderter Form 2023 wieder eingeführt. Kurz vor ihrem Bruch und unter dem Druck wachsender Kritik an dieser von Grünen und SPD-Linken durchgesetzten Sozialpolitik fügte die Ampel dann noch eine verschärfte Hundert-Prozent-Kürzung für sogenannte Totalverweigerer ein. Sie blieb aber weitgehend wirkungslos, da ihre Anwendung für die Jobcenter an hohe bürokratische Hürden gekoppelt ist, wie auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) kritisch angemerkt hat.
Bas zeigte sich nun zuversichtlich, dass auch Partei und Fraktion der SPD die neue Reform mittragen. Sie berichtete von harten, aber konstruktiven Verhandlungen mit der Union und Kanzler Merz, in denen sie ein zentrales Element der Bürgergeldreform habe bewahren können: Bevor der Sozialstaat seine strenge Seite zeigt, müssten die Jobcenter „auf Augenhöhe“ mit den Hilfebeziehern einen Kooperationsplan vereinbaren. Dieser hält fest, in welchen Schritten und mit welchen Förderinstrumenten der Weg in Arbeit gelingen soll. Wer aber gegen die Vereinbarung verstoße, solle dann zu Recht auch Konsequenzen spüren. Und wer schon beim Kooperationsplan nicht kooperiert, dem diktiert das Jobcenter die weiteren Schritte per Verwaltungsakt.
Kleinerer Kreis an Berechtigten
Außerdem will Schwarz-Rot den Kreis der Bürgergeldberechtigten enger ziehen. Das betrifft unter anderem das sogenannte Schonvermögen, die Höhe der Vermögenswerte, die ein Haushalt haben darf, ohne deshalb als nicht bedürftig eingestuft zu werden. Hier soll eine Karenzregelung entfallen. Derzeit kann beispielsweise eine vierköpfige Familie im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs noch 85.000 Euro auf der hohen Kante haben, erst danach gilt für sie eine Grenze von 60.000 Euro. Auch Letztere soll aber nun geändert werden, und zwar durch eine Regelung, die das Lebensalter und die Zahl der zuvor geleisteten Erwerbsjahre berücksichtigt.
Zugleich will die Koalition den Kreis der Berechtigten in einer zweiten Hinsicht stärker begrenzen: Sie will die Definition von Erwerbsfähigkeit enger ziehen. Bisher sind die Jobcenter auch für gesundheitlich stark eingeschränkte Menschen zuständig, die nur drei Stunden am Tag arbeiten können. Diese Regelung solle „realitätsnäher“ werden, „damit Menschen, die auf Dauer nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, die für sie richtige Hilfe erhalten können“, so der Beschluss. Dies hatte auch BA-Chefin Andrea Nahles angeregt (F.A.Z. vom 27. September).
Über weitere Reformansätze diskutiert indes neben dem aktuellen Gesetzesprojekt die von der Regierung berufene Sozialstaatskommission. Dort verhandeln Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen unter anderem darüber, ob sich die Sozialleistungen Wohngeld und Kinderzuschlag straffen und zusammenfassen lassen; oder ob sie sogar ganz im Bürgergeld aufgehen sollen, wie dies der Landkreistag vorschlägt. Offen bleibt vorerst zudem die Frage, wie sich Arbeit für Sozialleistungsbezieher finanziell lohnender gestalten lässt. Bisher zieht der Sozialstaat zuweilen mehr als 100 Euro von der Sozialleistung ab, wenn sie ihren Verdienst durch eigene Arbeit um 100 Euro erhöhen.
In einer Hinsicht dämpfte Sozialministerin Bas die Erwartungen an die geplante Reform allerdings sehr klar: Ihr Gesetzentwurf zur Abkehr vom Bürgergeld werde keine Einsparungen in Milliardenhöhe für den Bundeshaushalt ausweisen. Zwar seien solche Größenordnungen durchaus möglich, wenn die Wirtschaft in Schwung komme und mehr Arbeitslose in Arbeit kämen. Aber in dem Gesetzentwurf habe sie eine Schätzung abzugeben, die solche Effekte nicht einbeziehen könne. Und die unmittelbaren Minderausgaben durch härtere Leistungskürzungen bewegten sich in einem viel niedrigeren Millionenbereich.