Ukraine-Krieg: Wolodymyr Selenskyj entlässt den Chef seiner Leibgarde

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Serhij Rud, den Chef seiner Leibgarde, entlassen. Das geht aus einem Erlass hervor, den das Präsidentenbüro am späten Donnerstagabend veröffentlicht hat. Gründe für die Entlassung sind in dem Erlass nicht genannt. Hintergrund dürfte allerdings die Verhaftung von zwei hochrangigen Offizieren des von Rud geleiteten Sicherheitsdiensts sein. Der Inlandsgeheimdienst SBU hatte ihnen am Dienstag vorgeworfen, an einem von Russland gesteuerten Attentatsplan gegen Selenskyj mitgewirkt zu haben, den der SBU aufgedeckt haben will.

Den Angaben des SBU zufolge sollen die beiden Offiziere im Oberstrang im Auftrag des russischen Geheimdiensts FSB nach Personen im Wachschutz des Präsidenten gesucht haben, die zu einem Attentat auf Selenskyj bereit wären. Demnach sollte Selenskyj entführt und getötet werden. Der Plan habe sich auch gegen weitere Personen aus der „obersten militärpolitischen Führung“ gerichtet. Als weitere Ziele nannte die Behörde Kyrylo Budanow, den Chef des ukrainischen Militärgeheimdiensts HUR, sowie den SBU-Chef Wassyl Maljuk selbst. Beide gelten als Schlüsselfiguren bei ukrainischen Spezialoperationen wie etwa Drohnenangriffe auf russisches Staatsgebiet.

Verhaftete Offiziere sollen Waffen für Attentate beschafft haben

Der SBU-Mitteilung vom Dienstag zufolge wurde einer der beiden verhafteten Offiziere bereits zu Kriegsbeginn oder sogar davor von Russland angeworben. Im März 2022 soll er damit beauftragt worden sein, unter Wachleuten des Präsidentenbüros die Stimmung zu „sondieren“. Das angeblich geplante Attentat auf Selenskyj sei demnach für den Beginn dieses Monats angestrebt gewesen. Auch Budanow sollte den Angaben nach bis zum vergangenen Wochenende getötet worden sein. 

Wie aus einem vom SBU veröffentlichten Mitschnitt eines angeblichen Telefonats zwischen einem der Auftragnehmer und einem mutmaßlich russischen Auftraggeber hervorgeht, soll einer der verhafteten Offiziere Waffen für die Attentate beschafft haben, darunter Panzerabwehrgeschosse, Drohnen und Minen. In dem Mitschnitt ist auch von einer Belohnung von mindestens 50.000 Dollar die Rede. Demnach sollte der Verhaftete eine Zielperson, mutmaßlich Budanow, bespitzeln und seinen Aufenthaltsort zu einem nicht genannten Zeitpunkt weitergeben. Dieser Ort sollte anschließend mit Drohnen und Raketen angegriffen werden.

Ukrainischen Angaben zufolge gab es gegen Budanow bereits mehrere Attentatsversuche. Nach Raketenangriffen in der Nähe seines Büros im vergangenen Jahr erklärten russische Propagandaaccounts in sozialen Medien Budanow für tot oder schwer verletzt. Auch die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete darüber. Später tauchte Budanow wieder in der Öffentlichkeit auf, Belege für eine Verletzung gibt es nicht. Allerdings wurde im vergangenen November seine Frau mutmaßlich vergiftet; sie überlebte.

Selenskyj soll mehreren Attentatsversuchen entkommen sein

Auch auf Selenskyj gab es seit Kriegsbeginn mehrere Attentatsversuche, vor allem in den ersten Wochen der russischen Invasion Anfang 2022. Laut ukrainischen und internationalen Medienberichten sollen russische Sonderkommandos und Söldnertrupps in den ersten Kriegstagen in Kiew daran gescheitert sein, Selenskyj festzusetzen und zu töten. Die ukrainische Regierung spricht von mehreren Attentatsversuchen allein in den ersten Tagen des Krieges und mehr als zehn insgesamt. In Polen war zuletzt ein Mann festgenommen worden, der nach Angaben polnischer Behörden an der Vorbereitung eines Attentats auf den ukrainischen Präsidenten beteiligt gewesen sein soll.

Selenskyj bewegt sich seitdem unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Reisen innerhalb der Ukraine und Staatsbesuche werden in der Regel nicht vorab angekündigt, über Treffen wird meist erst informiert, wenn sie bereits stattgefunden haben.

Die beiden verhafteten Offiziere befinden sich nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Ihnen werde Hochverrat und die Beteiligung an der Vorbereitung eines terroristischen Akts vorgeworfen. Unabhängige Belege für die Angaben des SBU und der Staatsanwaltschaft gibt es nicht, allerdings berichteten ukrainische Medien unter Verweis auf Quellen in Sicherheitskreisen über den Namen eines der Verhafteten. Vom SBU veröffentlichte Aufnahmen zeigen die Gesichter der beiden Offiziere nur verpixelt.

Der SBU veröffentlichte zudem die Namen von drei Mitarbeitern des russischen Geheimdiensts FSB, die an dem Attentatsplan beteiligt gewesen seien. Einer von ihnen sei bereits im Januar 2022 der Führungsoffizier von russischen Agenten in der Ukraine gewesen. Der SBU rechnet die drei FSB-Mitarbeiter dem sogenannten fünften Dienst der russischen Behörde zu. Der FSB ist eigentlich ein Inlandsgeheimdienst, der fünfte Dienst ist aber für Operationen im Ausland zuständig.

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