Übrig Klimakampf, Kollaps und, ja, Zukunftsliebe
Lichtblick in Zeiten von Klimakrise und gesellschaftlicher Verrohung: In seinem Buch schildert Tadzio Müller, warum er trotz Kollaps der Klimapolitik Hoffnung gefunden, und wie die Kraft der sozialen Bewegung ihm Zukunftsliebe beschert hat
Es ist unmöglich geworden, sie vom eigenen Leben komplett fernzuhalten, egal, wie sehr man es auch versucht: die zunehmende Dunkelheit der Welt und die Angst, die daraus folgt.
Genauer oder gar genau hinzuschauen, birgt die Gefahr, darin wahnsinnig oder zumindest depressiv zu werden, denn es ist ja nicht nur eine kurzfristige und vergängliche Dunkelheit, sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit für die nahe Zukunft weiter zunehmen.
Daher die Verrohung und Verdummung gesellschaftlicher Debatten, die derzeit überall auf der Welt, vor allem aber in relativ reichen und privilegierten Gesellschaften beobachtet werden kann: Sie entsteht aus der Verdrängung der allzu dunklen Realität, und wer verdrängt, wird darin und dadurch immer dümmer und brutaler.
In immer mehr gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen wir vor dieser unappetitlichen Alternative, ob angesichts der faschistischen Bedrohung oder von Kriegen, ob wegen Biodiversitäts- oder gesellschaftlichem Kollaps. Um genau diese falsche Alternative aufzulösen, habe ich neulich ein Buch geschrieben: Zwischen friedlicher Sabotage und Kollaps. Wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben.
Natürlich geht es da um Klimabewegung und Klimaverdrängung, um „Klimaschutz isch over!“ und die Faschisierung der Gesellschaft, die ich mit dem Begriff „Arschlochisierung“ zu fassen versuche. Es geht auch um Gesellschaftstheorie (ich bin ja von Haus aus Politikwissenschaftler), denn irgendwie muss es ja theoretisch erklärbar sein, dass wir zwar seit etwa 35 Jahren vom Klimaschutz reden – es damit aber überhaupt nicht voran-, sondern vor allem rückwärtsgeht.
Es erzählt von 15 Jahren Klimakampf und der tiefen Depression, in die ich stürzte, als ich verstand, dass wir gescheitert sind. Nicht wir Klima-Aktivist*innen sind am Klimaschutz gescheitert – wir sind an der Gesellschaft gescheitert, die nicht in der Lage ist, ihre hehren Versprechen (wie das Pariser Klimaabkommen) einzuhalten. Dieser Einblick in das klimapolitische Scheitern der Gesellschaft führte mich dazu, zu verstehen, dass wir uns auf eine Zukunft des mal schleichenden, mal galoppierenden gesellschaftlichen Zusammenbruchs zubewegen.
Ich erzähle auch davon, wie ich Hoffnung, gar Utopie, im Kollaps wiederfand: etwa als ich zusammen mit vielen anderen den kleinen Weiler Lützerath im Rheinland verteidigte und dabei trotz der materiellen Niederlage eine Kraft verspürte, die mich aus der Depression befreite. Diese Kraft kam aus der Zusammenarbeit grundverschiedener Menschen für das gemeinsame Ziel der Weltverbesserung, oder auch: aus einer sozialen Bewegung.
Ich verstand auch, oder begann zu verstehen, dass „die Katastrophe“ uns als der kommende Normal- und bald Dauerzustand begleiten wird. Und gleichzeitig kapierte ich, wie viel im schleichenden Kollaps für eine engagierte Klimagerechtigkeitsbewegung noch zu tun ist.
Es ist ein Buch geworden vom Scheitern und von der emotionalen Arbeit, die es braucht, um damit umzugehen. Aber auch den Gefahren, die lauern, wenn wir diese Arbeit nicht leisten.
Es ist in dem Sinne auch ein queeres Buch, denn ohne meine Beziehungen mit an mir scheiternden Männern hätte ich diese Gedanken nicht denken können. Ich würde mich also freuen, wenn ihr es lest.
Denn vor allem erzähle ich davon, wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben. Muss ja.
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Super Safe Space
Tadzio Müller ist Queeraktivist. Im Newsletter friedlichesabotage.net schreibt er gegen den „Normalwahnsinn“ an. Für den Freitag schreibt er abwechselnd mit Elsa Koester und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.