Türkei-Stichwahl: Recep Tayyip Erdoğan lässt sich in Ankara von Hunderttausenden feiern
- Recep Tayyip Erdoğan bleibt Präsident der Türkei. Das hat die Wahlbehörde bestätigt.
- Erdoğan hat in Istanbul bereits eine Dankesrede gehalten, in Kürze wird er in Ankara erwartet.
- Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu spricht von einer ungerechten Wahl.
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- Für unser Liveblog verwenden wir neben eigenen Eindrücken unserer Korrespondenten in der Türkei Material der Nachrichtenagenturen AFP, AP, dpa und Reuters.
Wichtige Beiträge
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Erdoğan bleibt Präsident, Kılıçdaroğlu kritisiert ungerechte Wahl
Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan hat die Präsidentschaftswahl in der Türkei im zweiten Wahlgang gewonnen. Das hat die Wahlbehörde bestätigt. Nach Auszählung von 99,4 Prozent aller Stimmen kam Erdoğan demnach auf rund 52 Prozent. Auf seinen Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu entfielen etwa 47 Prozent der Stimmen.International wurde Erdoğan zu seiner Wiederwahl beglückwünscht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, es sei „von strategischer Wichtigkeit“ für die EU und die Türkei, an den gemeinsamen Beziehungen zu arbeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von „frischem Elan“, gemeinsame Themen voranzutreiben. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warb für einen Ausbau der Zusammenarbeit beider Länder.
Der Oppositionskandidat Kılıçdaroğlu galt vielen Beobachterinnen und Beobachtern als Hoffnungsträger für eine weniger autoritär regierte Türkei. Er sprach am Wahlabend von der „ungerechtesten Wahl“, die jemals in der Türkei stattgefunden habe. Auf das Land warteten nun „noch viel größere Krisen“.
Damit schließen wir unser Liveblog.
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Hunderttausende Menschen feiern Wahlsieg von Erdoğan
Vor Hunderttausenden Menschen hat sich Recep Tayyip Erdoğan als Wahlsieger in Ankara feiern lassen. Nach seiner Darstellung waren mehr als 300.000 Menschen zum Präsidentenpalast gekommen.Die Wahl sei ohne irgendwelche Probleme verlaufen, sagte Erdoğan. Das Volk habe sich dazu entschieden, ihm den Präsidentenposten zu geben. „Nicht ich habe gewonnen, sondern die Türkei“, sagte Erdoğan in seiner Rede.
Dabei sprach er auch über Glückwünsche aus dem Ausland. In den vergangenen Jahren hätten viele versucht, ihm und seinen Anhängern zu schaden – so etwa die deutsche, französische und britische Presse.
In den Fokus seiner zukünftigen Bestrebungen wolle er den Wiederaufbau der durch das Erdbeben zerstörten Städte stellen. „Und das ab sofort“, sagte Erdoğan. Auch die Inflation in dem Land werde ein wichtiger Punkt.
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Mehr als 20 Jahre an der Spitze der Türkei
Präsident Erdoğan hält sich in der Türkei seit 2003 an der Macht – zuerst als Ministerpräsident und seit 2014 als Staatsoberhaupt. Anfangs durchaus als Reformer aufgetreten, fuhr er in den vergangenen Jahren einen deutlich autokratischen Kurs: Viele Regierungsgegner sitzen im Gefängnis und ein Großteil der Medien steht unter Erdoğans Kontrolle.- Sean Gallup/Getty ImagesErdoğan auf Staatsbesuch in Deutschland beim damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder im September 2003
Den Friedensprozess mit der PKK beendete Erdoğan 2015, die prokurdische Partei HDP kriminalisiert er seither. Vor fünf Jahren hat er per Volksentscheid ein Präsidialsystem eingeführt, das ihm weitreichende Befugnisse sichert.- Gerry Penny/AFP/Getty ImagesErdoğan mit dem damaligen britischen Premierminister Tony Blair im November 2002
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„Für LGBTI-Organisationen wird es jetzt richtig hart“
In Istanbul wertet der Büroleiter der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, Dawid Bartelt, den Ausgang der Stichwahl als klare Niederlage für die Opposition – dennoch sei diese nicht „verheerend“ ausgefallen. Erdoğan habe nun schwarz auf weiß, dass ihn quasi die Hälfte der Bevölkerung in zwei Wahlgängen nicht wollte, sagt Bartelt im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Das müsse der Präsident berücksichtigen.In oppositionellen Kreisen nimmt Bartelt schon jetzt eine defensivere Stimmung wahr. Es gehe um Abwehr, Vorsicht und darum, der Regierung keine Handhabe zu geben, gegen einen vorzugehen. Für einige Gruppen, beispielsweise LGBTI-Organisationen, werde es jetzt „richtig hart“.
Erdoğan hat wiederholt gegen die queere Community gehetzt. Er sprach von „perversen Tendenzen“, die „unsere Familienstruktur bedrohen“. Menschenrechtler und Aktivistinnen sehen in der Türkei seit Jahren ein zunehmend feindliches Klima, vermehrte Hassrede gegen und Unterdrückung von queeren Menschen.
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Putin gratuliert seinem „lieben Freund“ Erdoğan
Der russische Präsident Wladimir Putin hat Recep Tayyip Erdoğan in einem ersten Schreiben nach der Wahl für den Aufbau der guten bilateralen Beziehungen gedankt. „Der Wahlsieg war gesetzmäßiges Resultat Ihrer selbstlosen Arbeit auf dem Posten des Staatschefs der türkischen Republik“, hieß es in einem veröffentlichten Glückwunschtelegramm. Darin wird Erdoğan von Putin als „lieber Freund“ bezeichnet.Der Wahlsieg demonstriere zudem die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs „nationaler Souveränität und unabhängiger Außenpolitik“, teilte das russische Präsidialamt mit. Russland sei bereit zur Fortsetzung der Zusammenarbeit sowohl in bilateralen als auch in internationalen Fragen.
Das Nato-Mitglied Türkei hält sowohl zur Ukraine als auch zu Russland gute Beziehungen. Im Ukraine-Krieg nimmt das Land eine wichtige Position ein und half etwa bei der Vermittlung des sogenannten Getreideabkommens, das die russische Blockade ukrainischer Häfen beendete.
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Stimmen werden noch gezählt, das Land feiert schon
Aus dem ganzen Land gibt es Berichte von Siegesfeiern der Erdoğan-Anhänger. Auch in seiner Heimatstadt Rize am Schwarzen Meer wird kräftig gefeiert. Das ist auf Videos zu sehen, die ein Bewohner an ZEIT ONLINE geschickt hat.Aus dem Wahrzeichen der Stadt, einem Teeglas, steigt Feuerwerk auf. Das Monument ist nicht öffentlich und muss daher nicht neutral behandelt werden. Die türkische Tee-Hauptstadt Rize ist eine Hochburg Erdoğans.
- Hasan Önder / ZEIT ONLINEFeuerwerk auch in Rize, Erdoğans Heimatstadt.
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Wähler in Deutschland mehrheitlich für Erdoğan
Bei den Wahlberechtigten in Deutschland zeichnet sich eine deutliche Mehrheit für Recep Tayyip Erdoğan ab. Beim Stand von rund 78,5 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam der Amtsinhaber bei dieser Gruppe auf 67,6 Prozent der Stimmen, wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hervorging.Offizielle Zahlen der Wahlbehörde liegen noch nicht vor. Erdoğan schneidet bei den Wählerinnen und Wählern in Deutschland somit wohl deutlich besser ab als insgesamt.
In Deutschland sind rund 1,5 Millionen Deutschtürken wahlberechtigt. Sie stimmten bei der Stichwahl – wie beim ersten Wahlgang – bereits einige Tage vorher ab.
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Kılıçdaroğlu spricht von „ungerechtester Wahl“ in der türkischen Geschichte
Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu hat bei seiner ersten Rede nach der Stichwahl den Wahlausgang kritisiert. „Es ist die ungerechteste Wahl, die jemals in der Türkei stattgefunden hat“, sagte Kılıçdaroğlu in seiner knappen Rede. „Es macht mich traurig. Auf die Türkei warten nun noch viel größere Krisen.„- Yves Herman/ReutersKılıçdaroğlu hält nur eine knappe Rede
„Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen“, sagte Kılıçdaroğlu. Alle Staatsmittel seien für eine politische Partei mobilisiert und einem Mann zu Füßen gelegt worden.Bei seiner Rede versammelte er auch Vertreter aller Oppositionsparteien, die sich zu einem Bündnis gegen Recep Tayyip Erdoğan zusammengeschlossen hatten. „Ich wollte nicht der Ungerechtigkeiten gegenüber schweigen, und das habe ich auch nicht getan“, sagte Kılıçdaroğlu.
Er habe für alle Menschen in der Türkei die Interessen vertreten. „Ich wollte nicht erlauben, dass man uns gegeneinander aufhetzt.“ Er bedankte sich auch bei allen Wahlhelfern, die immer noch mit der Auszählung beschäftigt seien.