Tücken beim Sondervermögen: Geld ist jetzt da, doch dasjenige Personal fehlt

Über das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität sollen in den nächsten zwölf Jahren 30 Milliarden Euro jährlich für Bauaufträge zur Verfügung stehen. Verplanen kann es aber aktuell niemand. Das Geld ist zwar da, aber in der Baubranche mangelt es schon seit Jahren an Bauplanern. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bräuchte es für das Sondervermögen etwa 10.000 zusätzliche Bauplaner. Etwa 80 Prozent der Stellen bleiben unbesetzt. Mit dem Sondervermögen sollen beispielsweise Brücken saniert oder Straßen repariert werden – ohne Bauplaner werden sich diese Projekte verzögern.

Denn ohne Planer reicht laut Martin Wittjen vom Bund Deutscher Baumeister (BDB) jedes Sondervermögen nicht aus. „Ich kann nicht anfangen, etwas zu bauen, ohne dass ich einen Plan habe“, sagt Wittjen. Die in anderen Branchen geübte Praxis, Leistungen aus dem Ausland einzukaufen, sei in der Bauplanung nicht so leicht. „Man kann nicht beliebig von draußen einkaufen“, beschreibt Wittjen das Problem. Zum einen sei die Ausbildung in jedem Land unterschiedlich, auch die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen weichen innerhalb der EU stark voneinander ab. Zusätzlich ist laut Wittjen auch das Berufsbild unattraktiv. „Da spielt unter anderem die Bezahlung eine Rolle“, sagt Wittjen. Vor allem in der Infrastruktur sei dieser Mangel schon lange absehbar gewesen. Im Vergleich zu Industrie und öffentlicher Hand könnten private Ingenieurbüros selten konkurrenzfähige Gehälter bieten.

Honorarordnung ist nicht mehr zeitgemäß

Das liegt laut Wittjen unter anderem an der aktuellen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Diese gibt die Vergütungen für Planungsleistungen vor. Die Preise sind zwar seit 2021 nicht mehr verbindlich, bieten aber in der Praxis weiterhin eine preisliche Orientierung. Allerdings wurde die HOAI seit 2013 nicht mehr angepasst. Anforderungen an digitale Planung oder Öko-Bilanzierungen waren wenig oder gar nicht in der HOAI enthalten. Ein im März veröffentlichtes Gutachten des Wirtschaftsministeriums hat gezeigt, dass die Honorare für Planer in fast allen Bereichen im Durchschnitt rund 26 Prozent zu niedrig lägen, verglichen mit dem, was bei der Konkurrenz um Personal nötig sei.

Eine Novellierung der ­HOAI war von der Ampelregierung vorgesehen, ist aber durch den Bruch der Koalition nicht zustande gekommen. Nach Angaben der aktuellen Regierung soll die Novellierung im kommenden Jahr wieder neu angegangen werden, allerdings werde sie nicht vor Ende 2026 in Kraft treten. Bis sie tatsächlich einen Einfluss auf die Branche hat, wird es voraussichtlich noch länger dauern.

Dabei könnte die Neufassung der ­HOAI aus Sicht von Wittjen Architekten und Bauingenieure wieder in die Ingenieurbüros zurücklocken. Aktuell beobachtet er in der Branche stattdessen einstimmige Begründung der Bewerber: „In den Ingenieurbüros verdiene ich nicht dasselbe wie in der Industrie oder der öffentlichen Hand.“ Doch ohne die Novelle sehe Wittjen „keinen Gamechanger am Horizont“.

Stattdessen erwarten die Ingenieurbüros zusätzliche Schwierigkeiten: Besonders hinter öffentlichen Projekten, die europaweit ausgeschrieben werden, stecke ein enormer Arbeitsaufwand für die Bewerbung, sagt Wittjen. Wird der Auftrag nicht erteilt, erhält das Büro auch kein Geld. Nach einer eigenen Befragung des BDB sieht fast die Hälfte der befragten Ingenieure in der Akquisition die größte berufliche Herausforderung. Laut Wittjen weigern sich daher viele Büros, öffentliche Aufträge in Betracht zu ziehen – oder verzögern diese.

Beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer gehört diese Bewerbung zum gewöhnlichen Risiko einer Akquise. Laut Infrastrukturfachmann Frank Bornmann sei das kein Problem. „Bei Ausschreibungen gibt es immer Gewinner und Verlierer des Systems“, sagt Bornmann. Es bestehe immer das Risiko, trotz hohem Aufwand den Auftrag letztlich nicht zu erhalten. In der privaten Wirtschaft ist dieser Prozess schlanker und flexibler, Aufträge vom Bund sind aber sicher: Während sich Unternehmen in einer Krise zurückhalten, muss der Bund weiter investieren.

Es scheitert nicht am Geld

An einer der letzten großen Investitionen war Drees & Sommer auch beteiligt. Bei der Sanierung der Riedbahn wurde die Bahnstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt für fünf Monate komplett gesperrt und erneuert. Alle beteiligten Ministerien, Behörden und Unternehmen haben gemeinsam daran gearbeitet, die Sanierung schnellstmöglich fertigzustellen, sagt Bornmann.

Doch bei den meisten Projekten sei das übergeordnete Ziel oft zu kleinteilig und nicht immer klar erkennbar. Es brauche laut Bornmann „mit allen Beteiligten eine Verpflichtung auf das gemeinsame Ziel. Nur mehr Geld reinkippen führt nicht dazu, dass wir mehr bauen.“ Das sei auch vor dem Sondervermögen schon bekannt gewesen. „Geld war nie das einzige Problem. Selbst wenn Geld für Infrastrukturinvestitionen da war, passen die Strukturen nicht“, sagt Bornmann. Wenn man nach der erfolgreichen Sanierung der Riedbahn verstanden habe, dass man an gemeinsamen Zielen arbeite, könne das Sondervermögen auch seine Wirkung für die Infrastruktur erzielen. Doch dafür müsse auch in den nächsten zwei bis drei Jahren die Grundlage geschaffen werden.

Dann kann auch das Berufsbild Bauplaner wieder attraktiver werden. Aktuell sinkt laut IW-Studie die Zahl der Anfänger in den relevanten Studiengängen. Dabei gibt es an den meisten Hochschulen keinen geforderten Durchschnitt der Abiturnote. Besonders betroffen ist laut BDB der Studiengang Bauingenieurwesen: Beispielsweise wurden an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen alle Studienbewerber in den beiden vergangenen Semestern angenommen, trotzdem sind jeweils etwa 20 Plätze frei geblieben.

Auch bei Drees & Sommer bleiben viele Stellen unbesetzt. Aktuell sind rund 400 Positionen offen. Die 80 Prozent des IW könne man damit aber nicht bestätigen, teilt Personalchefin Diana Wiedmann mit. In diesem Jahr habe man 850 neue Mitarbeiter eingestellt. Bei den übrigen Stellen müsse man sich im Unternehmen auch mit der Frage beschäftigen, welche Aufgaben von einer KI übernommen werden können.

Eine allgemeingültige Lösung wird es für Bauplaner nicht geben. Ob die verschiedenen Einzelmaßnahmen reichen, um das Sondervermögen vollumfänglich für Investitionen in die Infrastruktur zu nutzen, wird sich schon in den nächsten Jahren zeigen.