Trumps Wahlsieg zeigt: Inflation ist politisches Gift
Die Politik entdeckt die Bedeutung hoher Preise für Wahlentscheidungen wieder. Der Sieg Donald Trumps erklärt sich nicht allein mit dem Ärger vieler Wähler vor hohen Preisen, aber dieser Ärger hat zum Wahlergebnis beigetragen. Die aktuelle Generation von Politikern erfährt eine Lektion wie zuletzt ihre Vorgänger vor einem halben Jahrhundert: Die Inflation wirkt wie ein politisches Gift.
In der von 1990 bis 2020 währenden Ära sehr niedriger Inflationsraten ging diese Erkenntnis verloren. Für viele Politiker und Ökonomen waren Wirtschaftswachstum und Beschäftigung vordringlich; in den Zehnerjahren herrschte sogar die Sorge, eine zu niedrige Inflationsrate könnte die Wirtschaft daran hindern, ihr Potential zu nutzen. Für das Ziel einer kräftig wachsenden, stetig Arbeitsplätze schaffenden „Hochdruckwirtschaft“ (Arthur Okun) waren vor allem in den Vereinigten Staaten Ökonomen bereit, vorübergehend eine höhere Inflationsrate zu akzeptieren.
Mit einer Pandemie und steigenden Energiepreisen kehrte, wuchtiger als erwartet, die Inflation zurück. In den Vereinigten Staaten wurde sie zudem befeuert durch eine gerade in Deutschland von linken Politikern und Ökonomen beneidete sehr expansive, durch kräftig steigende Staatsverschuldung finanzierte Finanzpolitik. Joe Bidens „Inflation Reduction Act“ wurde zum Vorbild erklärt, an dem sich die starrsinnigen deutschen Ordoliberalen mit ihrem Beharren auf finanzpolitischer Solidität ein Vorbild nehmen sollten.
Folgen der Inflation unterschätzt
An der Wahlurne hat das vermeintliche Modell eine Mehrheit der Wähler nicht überzeugt. Für sie verband sich Bidens Politik eher mit hohen Preisen als mit einer florierenden Wirtschaft. Die langfristigen Folgen des Inflationsschubs für die Wahrnehmung der Menschen wurden unterschätzt. Mochte die Wirtschaft auch wachsen, so bedeuteten die vorübergehend sehr hohen Inflationsraten für viele Menschen besonders mit niedrigen und mittleren Einkommen eine schmerzhafte reale Einkommenseinbuße.
Die Rückkehr der Inflationsrate auf Werte von rund zwei Prozent, die den offiziellen Inflationszielen vieler Zentralbanken entsprechen, bieten diesen Menschen wenig Trost. Denn eine Inflationsrate von zwei Prozent steht für weiter steigende Preise; das viel niedrigere Preisniveau vor der Pandemie wird nicht mehr erreicht. Für ihre Leiden machen viele Wähler nicht die formal zuständigen unabhängigen Zentralbanken verantwortlich, sondern die Regierungen. Auch in Europa, Frankreich kann als Beispiel dienen, hat die Unzufriedenheit über hohe Preise Einfluss auf den Ausgang von Wahlen genommen.
Die beeindruckendste politische Machtfülle reicht nicht aus, um wirtschaftliche Zusammenhänge außer Kraft zu setzen. Daher ist die Vorstellung, Donald Trump könne tun und lassen, was er wolle, fragwürdig, solange Trumps Interesse einer gesunden Wirtschaft gilt. Wichtige Elemente seines Programms wie Deregulierungen und mutmaßlich durch Staatsschulden finanzierte Steuersenkungen könnten die USA zu einer „Hochdruckökonomie“ machen.
Aus amerikanischen Erfahrungen lernen
Mit Trumps Programm verbinden sich jedoch erhebliche Inflationsgefahren. Zwar erleichtern Deregulierungen Preissenkungen in den betroffenen Wirtschaftszweigen, dafür wirkt eine Belebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch kreditfinanzierte Steuersenkungen und Erhöhungen von Zöllen inflationär – vor allem, wenn es durch Druck auf die Notenbank gelingen sollte, den Dollar am Devisenmarkt zu schwächen. Daher ist es keine schlechte Idee, nicht auf jede Äußerung aus Trumps Team mit hilfloser Aufregung zu reagieren, sondern in Ruhe abzuwarten, was der nächste Mann im Weißen Haus ins Werk setzen wird. Auch der Wirtschaftspolitiker Trump unterliegt Beschränkungen.
Aus den amerikanischen Erfahrungen lässt sich lernen. Die Idee, mit mehr Inflation die Wirtschaft anzutreiben, ist für viele Menschen keine akzeptable Politik. Die abwegigste Idee wäre, auf steigende Preise mit staatlichen Preiskontrollen zu reagieren. Gefragt ist eine Politik der Deregulierung, die eine freie Preisbildung gestattet und die Marktkräfte stärkt. Stabiles Geld bei freier Preisbildung gehört zum Kern des Ordoliberalismus und der Sozialen Marktwirtschaft. Diese Prinzipien wurden lange verlacht von Ökonomen, die eine Zukunft in mehr Staatsverschuldung und Staatslenkung auch unter Inkaufnahme von mehr Inflation sahen. Diese vermeintlich blühende Zukunft scheitert gerade an den Wahlurnen. Das frühe 21. Jahrhundert muss wieder lernen, was das 20. Jahrhundert schmerzhaft erfuhr: Inflation ist ein politisches Gift.