Trump vs. Harris – die erstaunliche Bedeutung des Fast Foods im US-Wahlkampf – WELT
Kamala Harris’ Nebenjob bei McDonald’s, den sie vor mehr als 40 Jahren als Studentin hatte, soll sie ins Weiße Haus bringen. Deshalb versucht jetzt auch Donald Trump, das Rennen an der Fritteuse zu entscheiden. Die Strategie hat eine große Chance auf Erfolg.
In Alameda, einer Stadt in Kalifornien, steht Kamala Harris im Alter von 19 Jahren hinter der Fritteuse. Vor ihr backen Pommes in blubberndem Fett. Neben ihr stapeln sich rote Pappboxen mit auffällig aufgedrucktem „M“. Harris arbeitet in einer Filiale von Fast-Food-Gigant McDonald’s, den „Golden Arches“, also goldenen Bögen, wie die Amerikaner sagen würden.
Es ist eine Geschichte, die sich so im Sommer 1983 zugetragen haben soll. Und eine, die die heute 60-jährige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten jetzt in Weiße Haus bringen soll.
Denn das Rennen um die US-Präsidentschaft wird auch an der Fritteuse entschieden. Mit ihrem früheren Aushilfsjob bei McDonald’s will Harris den Amerikanern beweisen, Teil der viel beschworenen Mittelschicht zu sein. Und auch ihr Herausforderer, Donald Trump, will mit seiner Leidenschaft für fettiges Essen volksnah wirken.
Während seiner Amtszeit lud er gern zu Burger und Pommes ein, drapierte Pappkartons mit aufgedrucktem goldenen „M“ auf Tischen im Weißen Haus. Jetzt ist zwischen den beiden Kandidaten ein regelrechter Streit um die Deutungshoheit beim Fast Food entbrannt. Denn bei den Wählern scheint der Burger als Bürgernähe anzukommen. Doch der Trend, mit vermeintlich einfachen Tätigkeiten für sich zu werben, ist längst nicht mehr auf die Politik beschränkt.
Als Studentin habe sie mit ihrem Job bei McDonald’s in den 1980ern das Taschengeld aufgebessert, erzählt Harris häufig auf Wahlkampfveranstaltungen. „Einige der Leute, mit denen ich gearbeitet habe, zogen mit diesem Gehalt eine Familie auf. Sie hatten einen zweiten oder sogar dritten Job, um Miete und Lebensmittel zu bezahlen“, sagt sie und gibt sogleich eine politische Botschaft mit. Das werde nur noch schwieriger, wenn die Lebenshaltungskosten steigen.
Das Unternehmen McDonald’s behauptet, dass einer von acht Amerikanern in seinem Leben schon einmal beim Fast-Food-Giganten gearbeitet hat. Aus Sicht von Emily Contois hat Harris mit ihrem früheren Aushilfsjob ein gutes Mittel gefunden, um sich von ihrem Kontrahenten abzugrenzen. Die bekannte Buchautorin ist Professorin für Medienwissenschaften an der Universität von Tulsa, beschäftigt sich in ihrer Forschung vor allem mit dem Zusammenhang von Essen und Identität.
„Der Job macht sie zu einer Person mit Wurzeln in der Mittelschicht und unterstreicht die Erzählung vom amerikanischen Traum, der von harter Arbeit und dem Streben nach Aufstieg geprägt ist“, erklärt Contois. Die Botschaft von Harris an ihre Wähler sei klar: „Ich bin eine von euch, ich bin wie ihr“, sagt die Medienwissenschaftlerin. Ganz anders Trump, der Sohn einer Milliardärsfamilie aus New York, so das Bild. Der mit dem goldenen Löffel im Mund.
Trump und die McFlurry-Maschine
Dabei ist auch die 60-jährige Harris im vornehmen Berkeley in Kalifornien aufgewachsen, ist Tochter einer Brustkrebsforscherin und eines Wirtschaftswissenschaftlers. Dennoch nutzen die Demokraten Harris’ studentischen Kurzeinsatz für politische Angriffe auf den Republikaner.
„Könnt ihr euch vorstellen, dass Donald Trump bei McDonald’s arbeitet und versucht, einen McFlurry oder so was zu machen?“, fragte der demokratische Vizekandidat Tim Walz bei einer Wahlkampfveranstaltung das Publikum. „Er könnte diese verdammte McFlurry-Maschine nicht mal bedienen, wenn es ihn etwas kosten würde.“
Für Trump sind Sätze wie diese pure Provokation. Der 78-Jährige ist schließlich stolzer Stammkunde von McDonald’s. Seine Lieblingsbestellung: zwei Big Macs, zwei Filet-O-Fish-Burger und ein Schoko-Milchshake. So haben es zuletzt zwei seiner ehemaligen Wahlkampfhelfer in einem Buch offenbart.
Neben dem knapp 2500 Kilokalorien schweren Menü soll Trump außerdem ein Riesenfan des Frühstücks beim Fast-Food-Giganten sein. Und vor mehr als zwei Jahrzehnten machte der New Yorker Immobilienmagnat sogar Werbung für das Unternehmen. In einem TV-Spot trat er neben dem ikonischen Maskottchen „Grimace“ auf und pries das Geschäftsmodell der Ein-Dollar-Angebote von McDonald’s an.
Und so will auch der Ex-Präsident jetzt seine Fähigkeiten in der Großküche unter Beweis stellen. Am Sonntag schob Trump eine Schicht bei McDonald’s. In einer Filiale in Philadelphia, im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania, bediente er die Fritteuse.
„Wenn ich das auch nur eine halbe Stunde mache, werde ich länger und härter bei McDonald’s gearbeitet haben als sie“, behauptete Trump zuletzt bei einer Wahlkampfveranstaltung mit Verweis auf Harris. Dass die amtierende Vizepräsidentin früher tatsächlich beim Fast-Food-Giganten gearbeitet hat, will der 78-Jährige nicht glauben. Schließlich habe Harris nie Beweise vorgelegt. „Sie hat nie bei McDonald’s gearbeitet“, behauptete er. „Das ist eine Lüge.“
Dass Politiker mit bescheidenen Aushilfsjobs prahlen, folgt Vorbildern aus der Wirtschaft. Die einfache Tätigkeit am Grill oder an der Supermarktkasse fördert längst Karrieren in Unternehmen, erklären Berufsberater. Das gelte insbesondere für Führungspositionen, meint Henna Pryor, die als Karrierecoach schon viele US-Vorstände beraten hat.
„Wenn sich jemand für eine höhere Funktion bewirbt, haben diejenigen in niedrigeren Positionen oft die Befürchtung, dass diese Führungstypen keinen Bezug zu ihnen haben“, sagt Pryor. „Eine Teilzeitbeschäftigung in einem Schnellimbiss zeigt, dass ein Bewerber keine Angst hat, auch mal die Ärmel hochzukrempeln.“
Die Chefs prahlen gern mit ihren bescheidenen Anfängen
Genau deshalb berichten auch namhafte Geschäftsführer in den USA zunehmend gern über ihre Studentenjobs mit mickriger Bezahlung. Zu ihnen zählt etwa Mike Papacoda, heute hochrangiger Manager beim größten US-Kabelfernsehbetreiber Cox. Als junger Mann arbeitete er als Kellner bei der US-Restaurantkette Red Lobster.
„Ich habe jede Arbeitsstation in der Küche kennengelernt. Ich habe sogar die Arbeit an der Warenausgabe gemeistert und alle Gerichte koordiniert“, schreibt Papacoda in einem Beitrag auf LinkedIn. Einige dieser Aufgaben seien hart gewesen, aber er könne zu hundert Prozent sagen, dass sie ihn zu einem besseren Kellner gemacht hätten.
Geschichten wie diese hätten auf Personaler inzwischen eine anziehende Wirkung, sagt Karrierecoach Pryor. „Vor allem in der Fastfood-Branche lernen Mitarbeiter praktische Fähigkeiten wie Zeitmanagement, Kundenservice und die Fähigkeit, unter Druck zu arbeiten.“ Das sind alles Qualitäten, die für eine Führungsposition sehr wertvoll seien.
In der Politik ist Harris auch nicht die Erste, die mit bürgernahen Jobs die Wähler umgarnen will. Ex-Präsident Lyndon B. Johnson soll als Jugendlicher den Gästen des einzigen Friseurladens seines Heimatortes im texanischen Johnson City die Schuhe geputzt haben. Außerdem hütete er Ziegen für Rancher in Texas. Richard Nixon soll leidenschaftlich gern Hühnchen gerupft und zubereitet haben.
Und Bill Clinton will als Jugendlicher die Regale im Supermarkt gegenüber seinem Elternhaus eingeräumt haben, wie der Demokrat immer wieder betonte. Mit ihrem Job bei McDonald’s scheint es Harris aber besonders gut getroffen zu haben, erklärt Medienwissenschaftlerin Contois. „Die Marke ist für die Harris-Kampagne ziemlich vorteilhaft, weil sie weitreichende amerikanische Identität vermittelt.“ McDonald’s kenne die gesamte Nation, sagt Contois. Und fast jeder Amerikaner habe schon einmal die einfachen und erschwinglichen Burger der Fast-Food-Kette gegessen.
McDonald’s ließ den früheren Studentenjob von Harris auf Nachfrage unkommentiert. Andere wollten jedoch längst klargestellt wissen, was sich im Sommer 1983 in der Filiale in Alameda abgespielt hat. Stephanie Ruhle, Moderatorin beim TV-Sender MSNBC, hat ihr jüngstes Interview mit Harris für einen knallharten Faktencheck genutzt, um hier Klarheit zu bekommen.
„Haben Sie irgendwann in Ihrem Leben zwei Rindfleisch-Patties, Spezialsoße, Salat, Käse, Gurken und Zwiebeln auf einem Sesambrötchen serviert? Ja oder nein?“, fragte sie Harris. „Ich habe die Pommes gemacht“, antwortete die Präsidentschaftskandidatin. Und das, so betont sie, sei keineswegs eine kleine Aufgabe gewesen.
Laurin Meyer ist Wirtschaftskorrespondent der WELT in New York. Er berichtet vor allem über die amerikanische Wirtschaftspolitik, deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten und Big Tech. Er ist außerdem Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.
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Source: welt.de