Trump und Aktien: Banken verwichsen Pharma

An den Finanzmärkten ist die sich in den USA abzeichnende Schließung von Bundesbehörden (Shutdown) wegen ausgeschöpfter Haushaltsmittel am Dienstag ein größeres Thema als ein möglicherweise erfolgreicher Friedensplan für Gaza, auf den US-Präsident Trump den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verpflichtet hat. Da selbst US-Vizepräsident J. D. Vance damit rechnete, dass sich Republikaner und Demokraten im Kongress auf keine Übergangsfinanzierung einigen können, verloren offenkundig weitere Anleger Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der USA. Gold, traditionell größter Krisenprofiteur, wertete weiter auf. Für eine Feinunze Gold (31 Gramm) zahlten Anleger am Dienstag erstmals mehr als 3850 Dollar. Erst am Montag hatte Gold erstmals die Marke von 3800 Dollar überboten.
An den Aktienmärkten führte die Tagespolitik – Shutdown hier, Gaza-Plan da – zu wenig Bewegung. Der Dax und M-Dax gaben in Frankfurt bis zum Dienstagnachmittag leicht nach, die US-Aktienindizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq hatten dagegen am Montag leicht höher geschlossen. Keiner der Indizes bewegte sich stärker als einen halben Prozentpunkt in die eine oder andere Richtung.
Allerdings gibt es auch an den Aktienmärkten offenkundig größere Trends, die sich nicht zuletzt durch die US-Handelspolitik etablieren. Geradezu symbolhaft lässt sich das in diesen Tagen am britischen Aktienmarkt beobachten. Just als Trump am Ende voriger Woche neue Zölle auf Pharmazeutika ankündigte, verlor dort Astra-Zeneca seine Stellung als wertvollstes Unternehmen im Londoner FTSE-100-Aktienindex. Dort liegt nun die Bank HSBC mit einer Marktkapitalisierung von 180 Milliarden Pfund vorn, Astra-Zeneca kommt nur noch auf 170 Milliarden Pfund (195 Milliarden Euro).
Banken profitieren in diesen Tagen von einem anziehenden Beratungsgeschäft mit Unternehmenskäufen und Übernahmen, wozu nicht zuletzt die Investmentgesellschaft von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner beiträgt. Affinity Partners gehört zu einem Konsortium von Finanzinvestoren, das für 55 Milliarden Dollar den Videospielehersteller Eletronic Arts kauft. Diese Rekordtransaktion wurde am Montag angekündigt, die US-Banken Goldman Sachs und J.P. Morgan sind nach Berichten von US-Medien als Berater und Finanziers tätig. Aber auch europäische Investmentbanken wie die britische Barclays und die Deutsche Bank erhoffen sich Mehreinnahmen.
Dagegen spürt die Pharmabranche Gegenwind. Der große britische Pharmawert Astra-Zeneca ist mit seinen Medikamenten gegen Krebs (Tagrisso, Imfinzi) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie dem Cholesterinsenker Crestor und dem Gerinnungshemmer Brilique ein Konkurrent des Leverkusener Konzerns Bayer. Dessen Marktkapitalisierung liegt derzeit mit 27 Milliarden Euro immerhin wieder bei deutlich mehr als einem Zehntel des britischen Konkurrenten. Dies liegt an der zuletzt guten Wertentwicklung Bayers.
In Leverkusen scheint man sich von dem Monsanto-Desaster zu erholen, die Bayer-Aktie liegt mit einem Kursgewinn von 43 Prozent hinter dem finnischen Pharmaunternehmen Orion auf Rang zwei unter den 44 europäischen Aktien im Branchenindex Stoxx Health Care. Auf Jahressicht hat dieser Branchenindex aber sieben Prozent verloren, was mit der schwachen Wertentwicklung einzelner Werte – allen voran der deutschen Gerresheimer – zusammenhängt. Aber eben auch mit der Handelspolitik von Trump, die der Gesundheitsbranche womöglich dauerhaft zusetzt. Dabei ist Deutschland schon längst nicht mehr „die Apotheke der Welt“.
Doch in Britannien zählte bis zuletzt neben Astra-Zeneca auch GSK (vormals Glaxo Smith Kline) zu den Schwergewichten am Londoner Aktienmarkt. Die Gewichte verschieben sich aber auch auf der Insel immer mehr zu den Banken, die seit dem Brexit auch von einer in Teilen lockeren Regulierung profitieren. So hofft man in der Labour-Regierung auch darauf, dass die Neobank Revolut womöglich eines Tages in London einen Börsengang machen könnte. Derzeit arbeitet die stark wachsende Revolut in der EU mit einer litauischen Banklizenz.
Source: faz.net