True-Crime-Podcast: Wie die Polizei den 16-jährigen Mouhamed Dramé erschoss

„Sechzehnjähriger von fünf Schüssen aus Polizei-Maschinenpistole getroffen.“ So klingen die ersten Meldungen, als am 8. August 2022 ein junger Mann aus Senegal in Dortmund von der Polizei erschossen wird. Nachrichten wie diese geraten schnell in Vergessenheit. Weil die Mehrheitsgesellschaft glaubt, es sich leisten zu können – und weil sie sich zu wiederholen scheinen. Allein 2022 wurden in Deutschland elf Menschen von der Polizei erschossen.

Der junge Mann, der 2022 von der Polizei erschossen wurde, hieß Mouhamed Dramé. Nun widmet sich ein Podcast der WDR-Lokalzeit dem Fall. In sieben Folgen befasst sich Journalistin Catherine Jaspard intensiv mit dem Leben des jungen Mannes, aber eben auch mit der großen Frage, die seine Tötung aufwirft: Was bedeutet es, wenn die Polizei für bestimmte Menschen zur Gefahr wird?

Im Zentrum steht die Rekonstruktion der Ereignisse vom 8. August 2022: In einer Dortmunder Jugendeinrichtung droht der aus Senegal geflüchtete Mouhamed Dramé, sich mit einem Messer umzubringen. Die Polizei wird gerufen; statt ihm die Waffe abzunehmen und ihn vor sich selbst zu schützen, erschießt ein Polizist den jungen Mann, der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. Später sagen die Beamt:innen, Dramé sei drohend auf sie zugekommen – mindestens ein Augenzeuge widerspricht. Der Staatsanwalt entscheidet, fünf der am Einsatz beteiligten Polizist:innen anzuklagen. Er spricht von einem unverhältnismäßigen Einsatz.

Rassistische Polizeigewalt?

Wie kann so etwas passieren? Diese Frage steht hinter der so behutsamen wie gründlichen Annäherung von Podcast-Host Catherine Jaspard. Dafür gibt sie Mouhamed Dramé und seinem Leben viel Raum. Sie besucht seine Hinterbliebenen in Senegal, sie spricht mit Sozialarbeitern in Deutschland. Die Wärme, mit der die Menschen über diesen oft so lebensfrohen Jugendlichen sprechen, macht die Ereignisse umso schmerzhafter. Auf diese Weise wird der „getötete 16-Jährige“ zu einem Menschen mit Träumen und Ängsten, der auf seiner Flucht traumatisierende Dinge erlebt haben muss.

Die Wut vieler People of Colour, mit denen Jaspard spricht, wird allzu verständlich. Sie klagen strukturellen Rassismus in Deutschland und der Polizei ebenso an wie die Tatsache, dass sie sich von ihr eher bedroht als geschützt fühlen. Es ist ein Vorwurf, der nicht einfach lapidar gekontert werden kann mit einem „Das ist so nicht“. Dass es genau diese Reaktionsmuster gibt, auch das legt der Podcast nüchtern offen.

Jaspard begleitet die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt – und spricht mit der Polizei, obwohl sich Behörden in einem Fall wie diesem eher in Schweigen hüllen. Den Vorwurf des Rassismus weisen sie zurück, gleichzeitig erlebt Jaspard, wie eine Polizistin eine Bezeichnung für Schwarze Menschen verwendet, die als rassistisch anerkannt ist. Sie konfrontiert die Polizistin damit und gibt ihr so die Möglichkeit, darauf zu reagieren.

Bedauern aber keine Reue

Diese Verbindung von Offenheit und Hartnäckigkeit zeichnet die Journalistin aus – ob im Gespräch mit der Polizistin oder mit dem Polizeipräsidenten. Und zuletzt auch mit dem Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgefeuert hat. Diesem Gespräch ist die bislang letzte Folge eingeräumt – ein Aufbau, über den sich streiten lässt, bekommt der Schütze so doch das letzte Wort.

Es bleibt bemerkenswert – vor allem, weil der Prozess gegen ihn noch läuft. Er wird angehört, aber auch zur Rede gestellt. Es zeigt sich, dass er weder zum rassistischen Täter taugt, noch „vorbildliche Reue“ zeigt, aber doch Bedauern. Am Ende steht die Erkenntnis, dass ein Fall wie dieser nur versehrte Menschen hinterlässt.

Am Ende steht aber auch das Wissen um Mouhamed Dramé. Ein Mensch, der sein Leben nicht zu Ende leben konnte.

Podcasttagebuch

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen. Als Product Owner Digital überlegt er, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts