Trotz Brexit: „Die Londoner City wächst“

In den fünf Jahren seit dem Brexit hat sich der Finanzplatz London gut gehalten. Die Zahl der Beschäftigten in der City, dem innersten und ältesten Verwaltungsbezirk Londons, ist seit 2020 sogar um 25 Prozent auf 670.000 gestiegen, sagt Susan Langley, die erste „Lady Mayor“ der City, also Bürgermeisterin, im Gespräch mit der F.A.Z. „Die City ist ein großartiger Ort, um zu arbeiten. Wir sehen das als Vertrauensbeweis, die hiesigen Unternehmen wachsen.“

London ist weltweit zweitwichtigster Finanzplatz

Etwa ein Drittel der Beschäftigten in der Londoner Innenstadt arbeitet direkt im Finanzwesen, bei den Banken, darunter mehr als 250 Auslandsbanken, in großen Versicherungsgesellschaften, Anlagefonds und Vermögensverwaltern. Da­zu kommen Anwaltskanzleien, die Gerichte, Unternehmensberatungen, Hoch­schulen, Medienunternehmen, Tech-Start-ups, Einzelhandel und Gas­tronomie. Die City ist vielfältig.

Auch wenn der Brexit zum Abzug von Teilen von Bankgeschäften geführt hat, die nun in der EU angesiedelt wurden, hat er die Londoner City nicht entscheidend geschwächt. Das jährliche Ranking des Finanz-Thinktanks Z/Yen Partners zeigt, dass London nach wie vor auf Platz zwei der globalen Liste der wichtigsten Finanzplätze liegt.

Auf Platz eins steht New York, hinter London folgen Hongkong und Singapur. Frankfurt liegt in diesem Finanzplätze-Ranking auf dem zwölften Platz. Der Finanzplatz an der Themse sieht sich in einem globalen Wettbewerb und konkurriert mit US-Zentren wie New York, den großen asiatischen Finanzplätzen oder auch Dubai.

Mehr Zusammenarbeit mit Deutschland gewünscht

Susan Langley, die vor Kurzem ihr Amt als 697. Bürgermeisterin (Mayor) der City angetreten hat, eine vorrangig repräsentative Rolle, wünscht sich eine engere Kooperation mit Europa und besonders Deutschland. „In geopolitisch so angespannten Zeiten wie diesen müssen wir enger zusammenarbeiten“, sagt Langley. Zum Beispiel im Bereich der Rüstung und der Rüstungsfinanzierung könnten beide Seiten mehr miteinander kooperieren. Die City könnte zur Rüstungsfinanzierung einen Beitrag leisten. Darauf hat Langley auch vor Kurzem beim Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten in London einen Schwerpunkt gelegt.

„Wir müssen Regulierung zurückrollen“

Zwischen Deutschland und Britannien gebe es jahrhundertalte Handelsbeziehungen, betont sie. Deutschland sei der zweitwichtigste Handelspartner der Briten – allerdings ist das Handelsvolumen seit dem Brexit etwas zurückgefallen. Die City-Bürgermeisterin beschwört „die Freundschaft und geteilten Werte unserer Demokratien“.

In Großbritannien bemüht sich die Labour-Regierung, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Langley erkennt an, dass die Regierung die Regulierung der Finanzbranche durchforstet und effizienter machen will. Die Finanzministerin hat das Ziel angekündigt, dass die Kosten durch Regulierung, Bürokratie und Auflagen um 25 Prozent sinken sollen. „Das sind gute Vorsätze, das ist eine gute Ambition, aber mehr als Reden und Worte kommt es auf das Handeln an“, sagt Langley. „Wir müssten viel mutiger sein beim Zurückrollen der Regulierung.“

Über die Jahre seien einfach immer mehr Regulierungsschichten „wie Schalen bei einer Zwiebel“ übereinander gewachsen. „Wir müssten das nicht nur schrittweise zurückfahren, sondern wir bräuchten eine echte Transformation der Regulierung.“ Beispielsweise sei es in New York sehr viel einfacher, einen Fonds für Venture Capital (Wagniskapital für Start-up-Unternehmen) zu gründen als in London oder in EU-Städten.

Allerdings besitzt London ein kosmopolitisches „Finanz-Ökosystem“, um das viele europäische Finanzplätze die Stadt beneiden. Die City of London betont die große Finanztradition, den Talent-Pool mit zigtausenden Fachleuten und Nachwuchskräften, die engen Verbindungen in der Bankenszene. „Wir haben die Finanzen, die Gerichte, die Bildung, die Kultur“, sagt Langley. London sei in Europa auch die Start-up-Hauptstadt. In der Stadt sitzen rund hundert „Einhörner“, Tech-Jungunternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar – das sind mehr als in ganz Deutschland und Frankreich zusammen, betont Langley.

Source: faz.net