Toilettenpapier: Optimierungsstress solange bis in die Verdauungssphäre

Was ist das?

Laut Hersteller ist es das „Sexiest Paper on Earth“. Paper ist ein US-amerikanisches Slangwort für Dollars. Ich glaube, das sexiest paper on earth ist also eigentlich der 100-Dollar-Schein. Warum muss Klopapier überhaupt sexy sein und farbig? „Gelbe Mischung mit Zartheit und Seltenheit, roter zeitloser und schicker Stil, orange süß und sauer, blau wie karibisches Meer, rosa im Trend Aurora Boreal und Limettengrün Citric“, schreibt der Hersteller. Aurora Borealis musste ich googeln, das ist das Polarlicht.

Wer braucht das?

Ich erinnere mich an aus dem Ruder gelaufene Partyabende in meiner Studenten-WG, als man stundenlang auf der Toilette saß und fasziniert die Maserung der Bodenkacheln anstarrte. Ist dieses Klopapier für solche Momente gemacht? „Nein“, sagt die Geschäftsführerin eines noblen Sanitärgeschäfts in Hamburg. „Das ist im Trend wegen der Armaturen.“ Der Armaturen? „Ja, schwarze Armaturen sind zurzeit extrem angesagt. Dann wird das entsprechende Klopapier gekauft. Für den Kontrast. Oder gleich schwarz.“

Das letzte Mal habe ich dunkle Badezimmerarmaturen in einem Horrorfilm gesehen. Die waren schwarz, aber eher unbeabsichtigt. „Die Leute kaufen sich neue Handtücher in trendigen Farben, dann muss auch das Klopapier passen“, sagt die Expertin. Was für ein enormer Druck lastet doch auf den bürgerlichen Milieus. Dass man nicht mal mehr weiße Handtücher hinhängen kann, dazu 08/15-Klopapier aus dem Drogeriemarkt. Optimierungsstress bis in die Verdauungssphäre.

Im Fachgeschäft hieß es, die Geschenkbox eigne sich auch für „Leute, die zum Beispiel zum Kaffee eingeladen werden, statt Blümchen“. Hier, Hanna, ein Rollen-Bouquet für dein stilistisch übermunitioniertes Badezimmer. So vielleicht? Die Mitarbeiterin schweigt und verweist gravitätisch auf ein Sortiment an bunten Armaturen und Handtüchern, das einen Pantone-Farbtonfächer depressiv wirken lässt.

Ich glaube, farbiges Klopapier wird nur von Scherzbolden gekauft und verschenkt. Dann steht man vor dem Gastgeber und sagt Sachen wie: „Du wohnst echt am Arsch der Welt.“ Souveräne Menschen lassen sich nicht von solchen Ästhetisierungszwängen gängeln, auch nicht hintenrum.