Tod von Ebrahim Raissi: Auch dieser nächste Präsident ist nur eine Variable dieser Macht

Kaum war die Meldung vom Absturz des iranischen Präsidenten Ebrahim Raissi und des Außenministers Hossein Amir-Abdollahian bestätigt, tauchten Videos von fröhlich tanzenden und feiernden Iranerinnen in den sozialen Netzwerken auf. Aus einzelnen Städten des Landes wurde Freudenfeuerwerk gemeldet.

Während Regimeanhänger wie verordnet für die beiden Politiker und ihre Entourage beteten, drückten oppositionelle Iraner ihre Hoffnung aus, dass niemand den Absturz überleben möge. Ein sarkastisches Meme, in dem jemand die Stimme des Präsidenten imitierte, ging nach der Todesmeldung viral: Die Nachricht von seinem Tod sei falsch, er sitze hier in den aserbaidschanischen Bergen und vertilge gerade zusammen mit einem Wolf die Reste des Außenministers.

Diese Reaktionen lassen das Maß an Verachtung erkennen, dass der Verstorbene unter Regimegegnern genießt. Kein Präsident war je so verhasst wie dieser Mann, der in den Achtzigerjahren als „Blutrichter“ und Verantwortlicher für sogenannte Todeskommissionen den Justizmord an Zehntausenden Oppositionellen vorangetrieben hatte. Das öffentliche Erhängen am Autokran war Ebrahim Raissis bevorzugte Exekutionsmethode – wegen der Abschreckungswirkung.

Auch die blutige Niederschlagung der Revolte von 2022 nach der Ermordung von Mahsa Amini hatte Raissi mitzuverantworten. Seit 2021 amtierte er als Präsident, als Favorit des greisen Revolutionsführers Ali Chamenei aus einer manipulierten Scheinwahl hervorgegangen. Dieser uncharismatische Mann war die Verkörperung des theokratischen Regimes, das nicht nur nach außen, sondern auch nach innen terroristisch agiert. Mehr als 850 Menschen wurde im vergangenen Jahr exekutiert, ein globaler Spitzenwert.

Getäuscht durch vermeintliche Reformer und Moderate

Was aber folgt daraus, dass diesmal die unheiligen Gebete der Opposition erhört worden sind? Wenn es sich um einen Unfall handelt (wogegen derzeit wenig spricht), muss man zunächst auf die innenpolitischen Konsequenzen schauen. Der Vizepräsident und der Stellvertreter des Außenministers haben formell die Führung übernommen. Binnen 50 Tagen muss ein neuer Präsident gewählt – präziser gesagt: erwählt – werden. Nicht undenkbar, dass dieser Zeitraum neue Proteste bringen könnte. Allerdings hat das Regime bei der Niederschlagung der Revolte im Namen von „Frau, Leben, Freiheit“ mit mehr als 1.000 Toten seine hemmungslose Brutalität demonstriert.

Für die Ausrichtung der iranischen Außenpolitik ist die Nachfolge nicht relevant. Die Linie bestimmt (genau wie beim Atomprogramm) der Revolutionsführer Chamenei. In der Vergangenheit führte die Überschätzung des Präsidentenamts immer wieder zu Illusionen in der westlichen Iran-Politik. Man ließ sich ein ums andere Mal von vermeintlichen Reformern oder Moderaten (wie zuletzt Präsident Hassan Ruhani) über den totalitären und militant antiwestlichen Charakter des Regimes täuschen.

Jetzt wäre die Gelegenheit, sich davon zu verabschieden. Die politische, wirtschaftliche und militärische Macht liegt nämlich beim absoluten Herrscher Chamenei und den ihm treuen Revolutionsgarden. Mit ihren geschätzt 200.000 Mann unter Waffen samt der international agierenden Al-Kuds-Einheit kontrollieren sie die Industrie, organisieren den globalen Schmuggel am Sanktionsregime vorbei und unterstützen Stellvertretermilizen des Iran wie die Hamas, Hisbollah und Huthis.

Wer auch immer den Iran demnächst anführen wird, wird eine abhängige Variable dieser Machtstruktur sein. Der Iran ist de facto eine Militärdiktatur mit der Fassade eines republikanischen Gottesstaates.