Til Schweiger, Jan Böhmermann und die Schelle

Freut sich dieser Dritte wirklich, wenn zwei sich streiten? Anscheinend ja: Vor Kurzem erschien unter einem Streamingdienst die zweite Staffel dieser Serie Feud (dt. Fehde). In dieser ersten war es um den legendären „Beef“ zwischen den Schauspielerinnen Bette Davis und Joan Crawford gegangen, die sich mit perfiden Tricks unter den Dreharbeiten zu Whatever happened to Baby Jane? reziprok Screentime, Filmpreise und die öffentliche Meinung abspenstig zu zeugen versuchten. Feud: Capote vs. The Swans erzählt nun vom ebenfalls publik ausgefochtenen Streit zwischen Truman Capote und einigen weiblichen Mitgliedern dieser US-High-Society. Beide Staffeln verbuchen respektable Einschaltquoten, können von dieser Reichweite des Verfahrens „Johnny Depp vs. Amber Heard“, dasjenige vor zwei Jahren Millionen Menschen unter dieser Stange hielt, demgegenüber nur träumen.

Deutsche „Beefs“ zwischen Talkshowhosts und aufbrausenden Mantafahrern tun es im Zweifel demgegenüber nebensächlich: Zum öffentlichen Streit zwischen Jan Böhmermann und Til Schweiger, dieser von den klassischen Medien homolog reportiert und angefacht wurde wie von den Beteiligten selbst jenseits Social Media, fehlt nur noch die amtliche „Timeline“. Diese minutiöse Auflistung von „wer hat zu welcher Zeit welches gesagt“ ist längst gewöhnlich, wenn die Gemengelage beim Promi-Zoff unübersichtlich wird und dieser erklärende Teil in dieser Beschreibung länger zu werden droht qua die aktuelle Neuigkeit. So geschehen beim Beef zwischen den Rapperinnen Megan Thee Stallion und Nicki Minaj: Auf Megans Disstrack Hiss Ende Januar folgte drei Tage später Nickis Antwortsong Bigfoot, dieser Streit dauert solange bis heute an. Und wer es genau wissen will, oder gerne Gerüchten glaubt: Angeblich nach sich ziehen die beiden sich schon vorher gezankt, wegen irgendwas mit Schwangerschaft und Schönheits-OPs.

Wissen kann man dasjenige nicht, wenn man nicht neben Megan und Nicki stand, qua „es“ (welches noch mal?) passierte. Aber niemand stand daneben. Und wenn auch: Jede:r, dieser oder die sich schon mal gestritten hat, kennt dasjenige Problem dieser selektiven Wahrnehmung. Es ist dasjenige Grundkotzübel dieser meisten Konflikte und bedeutet: Was Leckermaul sagt und wie es gemeint ist, kann sich von dieser Rezeption unterscheiden. Das gilt zu Händen verheiratete Heteropaare sowohl …. als auch zu Händen queere Konstellationen, zu Händen Kolleg:medial wie zu Händen Familienangehörige, zu Händen Freund:medial wie zu Händen Nachbar:medial mit „Maschendrahtzaun“ zwischen sich.

Beim Schweiger-Böhmermann-Stunk, dessen erstaunliche Relevanz zu Händen die Menschheit momentan unter dieser Eingabe eines dieser Namen im Google-Suchfeld klar wird, sind die Begrifflichkeiten mindestens vollendet – qua Zankapfel dient unter anderem eine von Jan Böhmermann veräppelte „Schelle“, die Til Schweiger ihm angedroht hatte.

Ohne die aus dieser schwarzen Pädagogik des 18. Jahrhunderts in die Gegenwart gerettete „Schelle“ geht es offensichtlich nicht. Der Mensch ist nicht zu Händen Harmonie gemacht. Und die Therapeuten, die immer wieder neue Begriffe zu Händen Streitphasen, -ursachen und -lösungen finden, wollen nebensächlich leben. Apropos Ursache: Worum es unter solchen Streits wirklich geht, hat die Punkband Die Kassierer schon 2003 hinauf ihrem Album Männer, Bomben, Satelliten sehr treffend analysiert, im Song Du hast geguckt: „Neulich hab’ ich vereinigen so richtig aufgemischt / Sieben gebrochene Knochen und ein blutiges Gesicht / Er fragte sofort ‚Was hab ich dir denn getan?‘ – ‚Du hast geguckt! Du hast geguckt!‘.“ Das hat gereicht. Und irgendetwas Dritter hat sich energisch nebensächlich gefreut.